Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Anita Grüneis · 21. Sep 2019 · Theater

Schlösslekeller Vaduz: Ein furioser Abend mit Athol Fugards „Hallo und Adieu“

Zum Saisonauftakt zeigte der Schlösslekeller Vaduz die liechtensteinische Erstaufführung des selten gespielten Zweipersonenstücks „Hallo und Adieu“ von Athol Fugard. Darin treffen zwei Personen in einer kleinen Wohnung aufeinander. Die beiden verbindet eine gemeinsame Vergangenheit, sie sind sich vertraut und doch fremd. Ein spannender Dialog beginnt. Der Südafrikaner Athol Fugard schrieb sein Stück „Hallo und Adieu“ in den 60er Jahren, es geriet jedoch nach seiner deutschen Erstaufführung 1975 im Schillertheater Berlin etwas in Vergessenheit. Nun haben die beiden Schauspieler Sarina Rhyner und Dominik Roeske mit ihrer Regisseurin Bina Schroer das Werk für den Vaduzer Schlösslekeller wiederbelebt. Bei der Premiere zeigte sich, wie zeitlos das Stück ist. 

Geld bringt Menschen zusammen

Jahrelang haben sich die Geschwister nicht mehr gesehen, als Hester plötzlich bei ihrem Bruder Johnnie im elterlichen Haus auftaucht. Das Publikum weiß bereits, dass der Vater gestorben ist, doch Johnnie lässt seine Schwester glauben, dass er im Nebenzimmer liegt und sie nicht sehen will. Der Vater hatte seit seinem Arbeitsunfall nur noch ein Bein und nach einem Sturz könne er nun gar nicht mehr gehen, behauptet er. Er müsse ihn pflegen. Warum sie gekommen sei? Der Vater habe nach seinem Arbeitsunfall eine Abfindung bekommen, und die wolle sie als Erbe, da der Vater eh bald sterbe, meint Hester, und er, Johnny, könne im Gegenzug das Haus behalten. Der Bruder ist damit einverstanden und so beginnen die beiden nach dem Geld zu suchen. Johnny schleppt Karton um Karton vom Nebenzimmer herein, doch das Geld ist nirgends zu finden. Dafür jede Menge Vergangenheit. Ein Kinderkleidchen, Schuhe, das Kleid der verstorbenen Mutter, Fotos. Die beiden tauchen kurz in das Gestern ein, glücklich macht sie das nicht.

Vergangenheit macht nicht glücklich

„Dein Hass hat sich nicht verändert“, sagt Johnny einmal zu seiner Schwester Hester. Es ist ihr Hass auf die Vergangenheit, auf sich selbst und auf das ganze elende Leben. „Alles, was ich erbe, sind böse Erinnerungen“, wirft sie ihm hin, und: „Wir hatten von allem zu wenig, außer der Not“. Nach ihrem Weggang von Zuhause hat sie sich durch das Leben gehurt. Mit dem Geld will sie raus aus der Misere. Vielleicht. Sarina Ryner spielt diese Hester mit einer vitalen Wucht und einer Verachtung, die sich tief in ihre Seele gefressen zu haben scheint. Aus diesem Stoff sind Revoluzzerinnen gemacht, sie geben nicht klein bei, sie können nicht gebrochen werden, für sie ist jede Demütigung ein zusätzlicher Zündstoff für ihren starken Lebenswillen. Sarina Ryners Hester ist solch eine ruppige Kämpferin voller innerer Verletzungen, die sich so lange durchbeißen wird, bis sie sich selbst gehört. Auf ihre Kosten, in jeder Beziehung.

Wenn der Sohn zum Vater werden will

Denn das Geld, wegen dem sie eigentlich nach Hause gekommen ist, wird nicht gefunden. Oder vielleicht hat es der Bruder schon anderweitig versteckt? Dominik Roeske zeigt den Bruder Johnnie als Mann voller Ängste und bigotter Verklemmtheit. In seiner Einsamkeit spaziert er zu Beginn an der Kante des Wahnsinns entlang und wirkt dabei fast greisenhaft senil. Das Auftreten seiner Schwester stört sein entleertes Dasein, denn seit dem Tod des Vaters hat er keine Aufgabe mehr. In seiner Verlassenheit hat er sich mit Disney-Taschenbüchern und Getränken soweit eingerichtet, dass er das Außen nicht braucht. Sein Lebensmotto lautet: „Ich liebe nicht, ich hasse nicht, ich gehe kein Risiko ein.“ Dominik Roeske zeigt ihn als seelischen Krüppel, der seine Lebensträume opferte, um dem Vater so nah als möglich zu kommen. Für kurze Zeit wird er mit seiner Schwester wieder jung, als die beiden die wenigen guten Kindheitserinnerungen entdecken, bis Hester bemerkt: „Alles, was wir heute ausgepackt haben, ist ein einziger Irrtum“.
Ein starkes Stück, dieses „Hallo und Adieu“. Ein Psychodrama, das manchmal sogar komisch ist. Und erschreckend aktuell mit seinen kaputt gelebten Figuren. 

Weitere Vorstellungen:
Samstag, 21. und Donnerstag, 26. September, je 20 Uhr Schlösslekeller Vaduz 
Freitag, 27. September, Vadozner Huus auf der Marktplatzgarage Vaduz