Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Ingrid Bertel · 05. Jun 2021 · Theater

Poetisches Bilder-Theater am See

Mit der Uraufführung von „Ihr seid bereits eingeschifft“ bespielt Silvia Costa vier Kulturorte in Bregenz.

Es ist der See, der sie zu ihrem vierteiligen Werk inspiriert habe, sagt Silvia Costa, 36, eine der derzeit gefragtesten Regisseurinnen. Und es ist gleichzeitig auch eine Wendung aus den „Pensées“ des Mathematikers und Philosophen Blaise Pascal: „Ihr seid bereits eingeschifft“. 

An Bord im Seestudio 

Im Seestudio des Bregenzer Festspielhauses fühlt sich das Publikum an Bord. Schließlich erinnert der holzgetäferte Raum mit Blick auf den See an ein Schiff. Wir sind also Teil einer Reise durch das Leben und in den Tod, wie Blaise Pascal sie imaginierte. An der Orgel spielt Johannes Hämmerle sanft dahinfließende Musik von Kali Malone. Dazu hantieren vier Damen (Gloria Dorliguzzo, Rosabel Huguet Dueñas, Anna Martens, Verena Reiter) in langen schwarzen Mänteln mit Schiffstauen. Die können Glockenstränge sein, führen aber auch zu einem in Plastikplane gehüllten Mann. Wie viele Leichen birgt das Mittelmeer?
Solche Assoziationen sind bewusst gesetzt in Costas „tableaux vivants“. Doch vorläufig wird der Mann (Florian Zörner) mit blauer Farbe übergossen, legen die Frauen ihre Mäntel ab. In duftigen blauen Kleidern tanzen sie einen langsamen Reigen. Gläser nehmen den blauen Abdruck von Händen und Kopf des Mannes auf, werden als Bilder zu einem Geschenk verschnürt. 

Verspiegeltes Panorama 

Costas eigenartig schöne Bilder erinnern an Werke alter Meister. Das gilt auch für das rätselhafte Geschehen im Panoramaraum des vorarlberg museums, der zweiten Station der Reise. Hier winkt eine Tänzerin (Sarah Barth) in goldenem Jumpsuit aus den Fenstern. Zart leuchten der See und das Molo mit seinen großen Bäumen ins Dunkel dieses Raums, der einer Faltkamera nachempfunden ist. Eine aus Spiegelscherben zusammengesetzte Blüte wird von der Tänzerin zerlegt, an die raumhohen Fenster gehalten. Gefangen im Ich durchmisst sie den Raum, das Gesicht starr auf ihr Spiegelbild gerichtet – nicht auf das Panorama von See und Stadt, angetrieben vom Spiel auf einem unsichtbaren Kontrabass. 

„Wirf alles, was du hast, ins Feuer“ 

Nebelverhangen und dunkel ist es in der Blackbox des Landestheaters. Besucherinnen und Besucher stehen an der Wand, blicken auf ein Meer aus Sand. Ein schlammverkrusteter Mann (Luzian Hirzel) schleppt sich mit riesigen Lautsprecherboxen ab. Eine davon hängt an Ketten von der Decke, erschlägt ihn beinahe. Szenen aus dem „gefesselten Prometheus“ des Aischylos dringen dumpf aus den Boxen. Es ist eine düstere, packende Performance, die sich an der nächsten Station abrupt ins Idyllische aufhellt.
Sie habe Bregenzer Familien nach ihren Lieblingsplätzen gefragt, erzählt Silvia Costa. Eine dieser Familien (Großmutter, Mutter und Tochter) ist nun im Sammlungsschaufenster des KUB aktiv. Gemeinsam malen sie an einer großen Staffelei. Die Vorlage, ein Foto der Bucht am See, liegt für die Zuseher*innen als Blickfang platziert, an einem Perspektivraster – wobei sich die Malerinnen keinen Deut um Zentralperspektive scheren. Ihre Bildkomposition ist einfach fröhlich, spontan, ja kindlich – eine „Versöhnung“, wie Silvia Costa sagt. Die Reise durch das Leben in Bregenz geht damit zu Ende – und die Flut der Bilder hat mehr als Assoziationen geweckt. Wie war das noch einmal bei Blaise Pascal? Und was machen wir an Bord dieses Lebensschiffs? Große Fragen für uns Zuseher*innen und eine Hommage Silvia Costas an die Stadt und den See – denn ihr Stück ist so nur in Bregenz denkbar.

Weitere Vorstellungen:
5./6./13./14./15.6., jeweils 16 Uhr
Vorarlberger Landestheater, Bregenz, www.landestheater.org