Die Berliner Band „Milliarden“ beim Poolbar Festival (Foto: Darius Grimmel)
Dagmar Ullmann-Bautz · 07. Okt 2021 · Theater

Mit Pauken und Trompeten in die Gegenwart - „Else (ohne Fräulein)“ von Thomas Arzt in der Box des Vorarlberger Landestheaters

Arthur Schnitzlers „Fräulein Else“ - ein Klassiker aus dem Jahr 1924 - ist im 21. Jahrhundert angekommen, nein, nicht nur angekommen, „Else (ohne Fräulein)“ ist in die Gegenwart gedonnert, mit Pauken und Trompeten, mit atemberaubender jugendlicher Energie, und das „Fräulein“ des originären Titels hat sie längst hinter sich gelassen.

Spannender Text

Der österreichische Autor Thomas Arzt hat für Else einen neuen, höchst spannenden Text geschrieben, einen Monolog der 15-Jährigen, zwar klar angelehnt an Schnitzler, aber sehr eigenständig und verortet im Heute und Jetzt. Arzt scheint sich gut auszukennen in der Welt der 15-Jährigen, ihrer Träume, ihrer Sprache, ihren Umgang, ihren Problemen und Herausforderungen. Sein Text, für drei Schauspielerinnen geschrieben, beschreibt eindrücklichst die Zerrissenheit einer jungen Frau.
Else verbringt eine Woche Ferien im Hotel ihrer Tante an einem See. Dort begegnet sie dem Richter, der für das Verfahren, das gerade gegen Elses Vater läuft, zuständig ist. Wie weit will, kann, soll Else gehen, um den Richter milde zu stimmen?

Fesselnde Inszenierung und großartige Darstellerinnen

Regisseurin Birgit Schreyer Duarte inszenierte „Else (ohne Fräulein)“ für das Vorarlberger Landestheater und fesselt mit ihrer differenzierten Auseinandersetzung mit den Themen Machtmissbrauch, soziale Medien, Moral und den Stellenwert von Familie. Sie besetzt mit einem Duo aus einer Schauspielerin und einer Tänzerin, das einfach großartig miteinander agiert und mich keine Sekunde die Aufmerksamkeit verlieren lässt. Maria Lisa Huber spielt die Else facettenreich, kehrt deren Innerstes nach außen, lässt das Publikum an Freude, Wut und Traurigkeit der jungen Frau unmittelbar teilhaben. Begleitet und ganz fantastisch unterstützt, im wörtlichen Sinn auch getragen wird sie von der Tänzerin und Choreographin Silvia Salzmann, die als Spiegelbild Elses emotionale Achterbahn mit jeder Faser ihres Körpers eindrücklichst zum Ausdruck bringt.

Wilder Musikmix

Die Playlist der eingespielten Musik ist eine wilde und verrückte Mischung, wie die Faust aufs Auge zu diesem spannenden Konzept passend. So wird das Publikum mit einem bunten Mix von „Fräulein“-Liedern aus dem letzten Jahrhundert begrüßt, um danach mit Interpret:innen wie Billie Eilish, KeKe, Pixie Paris, Rammstein u.a. im Heute zu landen.

Vielseitig und flexibel

Eine wahre Wunderbox haben die Ausstatter:innen Bartholomäus Martin Kleppek und Marina Deronja entworfen – ein drehbarer und von allen Seiten aufklappbarer Würfel, der immer wieder neue Ein-, Aus- und Durchblicke gewährt. Geschlossene und offene, verspiegelte und glatte Wände verwandeln sich im Handumdrehen in Liftkabinen, Hotelzimmer, eine Lobby, ein Steg am See und sogar in ein Segelboot. Diese Vielseitigkeit und Flexibilität der Bühne, das Offene, aber auch das Geschlossene, verweisen wunderbar auf die Zustände der jungen Frau. Einzig die Kostüme beider Darstellerinnen, miederähnliche ältliche Bodys, sind ein wenig zu plakativer Verweis auf das Fräulein, gegen das sich die Else vehement wehrt, mögen irgendwie nicht so ganz ins Bild passen.
Alles in allem ein großartiger Theaterabend, mitreißend und eindrücklich, bewegend und berührend.

Weitere Vorstellungen: 22.10. und 5.11., jeweils 19.30 Uhr
www.landestheater.org