Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Annette Raschner · 15. Jän 2017 · Theater

Mit einem kräftigen Schuss Tarantino - George Taboris "Mein Kampf" am Vorarlberger Landestheater

Einen theologischen Schwank nannte der große Theatermacher George Tabori seine vor 30 Jahren am Wiener Burgtheater uraufgeführte Hitlerfarce „Mein Kampf“. Am Vorarlberger Landestheater ist die Groteske nun in einer Inszenierung von Matthias Rippert zu erleben, der bereits im vergangenen Jahr für das Ionesco-Stück „Die kahle Sängerin“ in Bregenz gastierte. Das Premierenpublikum erlebte eine Aufführung mit Licht, aber auch mit Schatten.

Zeit seines Lebens setzte George Tabori, dessen Vater in Auschwitz ermordet wurde, dem Grauen bitterschwarzen Humor und absurde Komik entgegen. In seiner Farce „Mein Kampf“ mischt er Witz und Tiefsinn, Poesie und Melancholie, triste Realität und brüllende Komik auf eine Art und Weise, wie nur er es vermochte. In einem Männerasyl in der Wiener Blutgasse lässt er den jungen Adolf Hitler auf zwei Juden treffen: Auf den fliegenden Bibelverkäufer Schlomo Herzl und  den Koch Lobkowitz, der sich als Gott wähnt. Schlomo empfindet Sympathie und Mitgefühl für den verzweifelten jungen Mann aus Braunau am Inn, dessen Traum, Künstler zu werden, von einem Tag auf den anderen vernichtet wird, als er von der Kunstakademie eine rüde Absage wegen gnadenloser Talentlosigkeit erhält. Er bereitet ihn auf ein Leben als Politiker vor und überlässt ihm sogar den Titel „Mein Kampf“ seines geplanten Opus Magnum für eine politische Schrift.

Überzeugende Hauptdarsteller

Die Rolle des Menschenfreunds Schlomo Herzl, der sich aufgrund seiner Liebe zu Hitler de facto sein eigenes Grab schaufelt, wurde in der Vergangenheit von Schauspielergrößen wie Ignaz Kirchner, Karl Markovics oder (im Kinofilm) von Götz George gespielt. Doch auch Thomas Schmidt, der am Vorarlberger Landestheater in der letzten Spielzeit in „Dekalog – Die zehn Gebote“ zu erleben war, gibt diesen ständig mit sich hadernden, unsicheren und leidenden Buchhändler, der über den Titel seines Roman nie hinauskommt, absolut überzeugend und betont darüber hinaus die homoerotische Komponente der Beziehung der beiden Männer. Gleichzeitig begehrt er Gretchen, ein junges Mädchen, weiß jedoch, dass er sie aufgrund ihres Alters nicht verführen darf. Wunderbar auch der äußerst wandlungsfähige Felix von Bredow als junger Hitler. Mit überzeugendem Spiel und sprachlich feinen Nuancierungen gelingt es ihm, jene Lacher im Publikum zu erzeugen, die im Halse stecken bleiben. Für eine solide Leistung sorgen Marcus Mislin als Koch Lobkowitz, Alexandra Maria Nutz in tiefschwarzem Leder als Frau Tod, Carolin Knab als Gretchen und Lukas Wurm als Himmlisch.

Quentin Tarantino lässt grüßen

Ausstatterin Selina Traun lässt in der Bregenzer Fassung Westernflair aufkommen, vermutlich wegen Adolf Hitlers bekannter Vorliebe für Karl May. Das Männerwohnheim als Westernsaloon mit leuchtend roter Schrift (Blutgasse) würzt Regisseur Matthias Rippert mit diversen Zitaten aus legendären Quentin Tarantino-Filmen wie „Inglourious Basterds“ und „Kill Bill“ (so trinkt Frau Tod etwa aus einem Maß Milch); Die großzügig verwendete Musik, sowie der Einsatz von Videostills (das Spiel der Darsteller wird häufig zeitgleich auf die Hauswand gebannt) unterstützen die künstliche Atmosphäre und verweisen darauf, dass die gesamte Handlung vielleicht nur als Fantasie - im Kopf von Schlomo Herzl stattfindet. 

Wermutstropfen

Mit seinem absurden Stück ist George Tabori der wirklich geniale Kniff gelungen, das Monster Hitler vom Sockel zu reißen und zu entdämonisieren. Größte Komik trifft hier auf größtmögliche Tragik, mit den Mitteln des Witzes wird das Unbegreifliche näher an uns herangerückt. Die Balance zwischen Tragik und Komik in Schwebe zu halten: Sie ist die große Herausforderung für einen Regisseur. Dies gelingt dem erst 28 Jahre alten Matthias Rippert aber nur streckenweise. Da, wo er sich mit Klamauk vergreift oder versucht, psychologische Momente zu erzeugen, wird der großartige Text unnötigerweise geschwächt.

Die weiteren Aufführungstermine: 19.1., 7.2., 10.2., 1.3., 11.3. und 19.3., jeweils um 19 Uhr 30 im Großen Haus.