Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Dagmar Ullmann-Bautz · 27. Nov 2010 · Theater

Meisterliche „Meisterklasse“

Die Premiere des Stückes „Meisterklasse“ von Terrence McNally am Vorarlberger Landestheater entfaltete ungeheure Sogwirkung. Was für ein Abend! Eine großartige Schauspielerin, ein vortrefflicher Pianist, ein erlesener Sänger, zwei hervorragende Sängerinnen und der mutig legere Bühnenarbeiter Simon Flatz bereiteten dem Publikum einen höchst spannenden und genussvollen Theaterabend. Dirk Diekmann inszenierte das wunderbare Schauspiel mit Musik.

Vor 33 Jahren, am 16. September 1977, starb ein Mythos, die Primadonnen-Ikone des 20. Jahrhunderts: Maria Callas. Am Ende ihrer Bühnenkarriere war es still geworden um den großen Star, ganz selten trat sie noch ins Rampenlicht. An der New Yorker Juilliard School jedoch gab Maria Callas in den Jahren 1971/72 die legendär gewordenen Meisterklassen.

Hommage an Maria Callas

Terrence McNallys Theaterstück „Meisterklasse“ basiert auf diesen Unterrichtsstunden. Der Autor besuchte die öffentlichen Lektionen und war, erst Fan der Künstlerin, nun absolut fasziniert von der fesselnden Persönlichkeit der Callas. Sein Werk „Meisterklasse“ geriet zu einem Stück Operngeschichte, zu einer Charakterstudie und einfühlsamen Beleuchtung wichtiger Lebensstationen der Belcanto-Primadonna, zeigt und schildert ihr schmerzliches Verzichten und Fasten für die Kunst, ihre Entbehrungen, die kalkulierte Heirat mit einem reichen Industriellen und die alles verzehrende, unglückliche Liebe zum griechischen Milliardär Aristoteles Onassis. Diese Hommage an Maria Callas, bereichert durch die Musik von Bellini, Verdi und Puccini ist gleichzeitig humorvoll, atemberaubend und tief ergreifend.

Mehr Musik im Theater

Zwei Tage vor der Premiere unterzeichneten der Intendant des Vorarlberger Landestheaters, Alexander Kubelka, und der Direktor des Landeskonservatoriums, Jörg Maria Ortwein, einen Kooperationsvertrag. In diesem wurde eine verstärkte Zusammenarbeit zur gegenseitigen Unterstützung und Förderung der Interdisziplinarität vereinbart. Intendant Kubelka, dessen Neigung zur Musik im Theater bereits in seiner ersten Saison spürbar wurde, setzt nun gemeinsam mit dem neuen Partner Landeskonservatorium verstärkt auf diese Karte. Unter dem Titel „Alles Musik“ erlebt das Publikum bereits in dieser Theatersaison neben der traditionellen Oper im Februar einige weitere musikalische Höhepunkte im laufenden Programm des Landestheaters. Einer war und ist ganz gewiss diese Inszenierung der „Meisterklasse“ die, laut Alexander Kubelka, ohne die Kooperation mit dem Landeskonservatorium in dieser Form nicht möglich, nicht leistbar gewesen wäre. StudentInnen und AbsolventInnen den Konservatoriums werden in Zukunft unverzichtbarer Teil des Theaters sein.

Gespannte Ruhe im Theatersaal

Zu den Entsandten zählt Pianist Foad Bahrami Moayed, der in der Figur des Korrepetitors am Klavier souverän und höchst einfühlsam einen wunderbar weichen Gegenpart zur stets dominanten Protagonistin setzt. Zu einer Callas, die mit beißender Strenge ihren SchülerInnen, ihren „Opfern“ und ihrem gesamten Auditorium gegenüber tritt. Andrea Wolf brilliert in dieser Rolle, begeistert das Publikum und zieht es unweigerlich in ihren Bann. Noch nie erlebte ich einen vollen Theatersaal in so gespannter Ruhe – kein Hüsteln, kein Räuspern und Rascheln war über weite Abschnitte dieses Theaterabends vernehmbar. Nicht allein die Unerbittlichkeit und Strenge, mit der sie ihren Unterricht führt, be- und verurteilt, vernichtet und aufrichtet, ist es, die fasziniert, nein, vor all dem steht die Passion, die Hingabe zur Kunst, die die Callas in jedem kleinsten Augenblick ihres Daseins zu leben schien, und die Andrea Wolf auf der Bühne des Landestheaters nicht nur spielt, sondern für das Publikum mitfühl-, miterleidbar und in den Momenten der größten künstlerischen Triumphe zum gemeinsamen Genuss macht.

Stürmischer Applaus

Als wäre das nicht genug, begeistern an diesem Abend die Sängerinnen Elisabeth Jehle, Barbara Camenzind und Tenor Markus Herzog mit ganz wunderbaren Stimmen und eindrücklicher Darstellungskraft.
Regisseur Dirk Diekmann hat mit seiner „Meisterklasse“ ganze Arbeit geleistet. Seine Inszenierung im einfachen, harmonisch adäquaten Bühnenbild von Paul Lerchbaumer entfaltet im Licht von Arndt Rössler höchste Authentizität. Man spürt Diekmanns Liebe zur Musik, seine Affinität zur Callas, zur „La Divina“, und letztendlich seine eigene große Leidenschaft für die Kunst, für seinen Beruf, für seine Berufung.
Das Publikum bedankte sich mit stürmischem Applaus.