Das Nederlands Dans Theater 2 beim Bregenzer Frühling (Foto: Udo MIttelberger)
Annette Raschner · 05. Sep 2019 · Theater

Inszenierung mit wenig Biss – UNPOP spielt „Wut“ von Elfriede Jelinek

Im Jänner 2015 stürmten die Kouachi-Brüder die Redaktion des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ und eröffneten das Feuer. Sie erschossen zwölf Menschen. Zwei Tage später überfiel ein Mann im Osten von Paris einen koscheren Supermarkt, vier Menschen wurden getötet. Vor dem Hintergrund der eigenen Ohnmacht und Fassungslosigkeit hat die österreichische Literaturnobelpreisträgerin von 2004, Elfriede Jelinek, das Stück „Wut“ geschrieben, in dem sie sich gewohnt vielstimmig und aus wechselnder Perspektive mit heutigen politischen Ereignissen vor der Folie der antiken Mythologie auseinandersetzt. 2016 wurde „Wut“ in einer furiosen Inszenierung (Nicolas Stemann) an den Münchener Kammerspielen uraufgeführt. Jetzt zeigt es das Ensemble für unpopuläre Freizeitgestaltung auf der Hinterbühne des Dornbirner Kulturhauses. Die Premiere erhielt freundlichen Applaus, konnte aber nicht wirklich überzeugen.

Regisseur Stephan Kasimir war überzeugt: Elfriede Jelineks sprachmächtiger Kampf gegen alles Unbill der Welt, ihre Schonungslosigkeit sowie ihre Eigenart, nicht psychologisch, dafür umso vehementer um die Ecke zu denken, passt zum Konzept des Gegenweltlichen und Unrealistischen, das UNPOP seit seinen Anfängen 2016 verfolgt. Eine Literatur der zornigen Auflehnung nennt die Autorin ihr gesamtes Werk, für „Wut“ – ihr vermutlich persönlichstes Stück – gilt dies im Besonderen.

In „Wut“ mischt Jelinek Stimmen und Zitate aus Mythologie, Philosophie, Pop- und Trivialkultur und lässt Dschihadisten, Pegida-Anhänger, Wutbürger, aber auch sich selbst zu Wort kommen, um ihre eigene Wut und manchmal auch ihre Sprachlosigkeit zum Ausdruck zu bringen. „Ich wiederhole mich.- Also bitte, Elfie. Macht doch nichts. Wen störts?“ Die vier Darstellerinnen Christine Scherrer, Katharina Haudum, Michaela Spänle und Maria Strauss sprechen teilweise solo, teilweise im Chor. Bezüglich der Besetzung hat Elfriede Jelinek keinen Vorschlag gemacht: Sie sei variabel. In Stephan Kasimirs Inszenierung hat man es mit vier jungen Jelineks zu tun; Er habe den sehr persönlichen Text möglichst nahe bei der Autorin belassen wollen, sagt Kasimir. Das durchaus ehrenhafte und auch an sich verständliche Vorhaben stellt sich aber als nicht sehr glücklich heraus. Der Abend besitzt wenig Kraft, leider auch wenig Frauenpower! Die vier Racheengel wirken allzu mädchenhaft, darüber hinaus sprechen sie über weite Strecken manieriert; darunter leidet auch die Verständlichkeit der ohnehin sehr komplexen Textflächen.

Ausstatterin Caro Stark bezieht sich in ihrem stilisierten Bühnenbild mit Papierwolken, Treppe und Himmelspforte sowie schönen Lichteffekten auf textimmanente, religiöse Heilsversprechen. Das ist unser Gott. „Den wir uns selbst gemacht haben. Er ist der Alleingott“, sagen die vier Racheengel in schwarzen Schwingen im Sprechchor. Das ist ein starkes Bild mit Symbolkraft, und man wünscht sich den gesamten Abend hindurch, dass derartige Bilder mit Aktion und Einfallsreichtum belebt werden. Der Wunsch bleibt unerfüllt.

„Die Textflächen der Schreibwütigen fordern die brachiale Mittäterschaft der Regie“, hat einmal ein Kritiker geschrieben. Das trifft auf die Werke von Elfriede Jelinek zweifelsohne zu. Von brachialer Mittäterschaft war aber diesmal nichts zu spüren.

Weitere Termine:
5., 19., 20, 21., 22.9.2019, 20 Uhr
Kulturhaus Dornbirn
www.unpop.at