Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Dagmar Ullmann-Bautz · 08. Dez 2010 · Theater

Hängebusen, stinkende Biergläser und Kinderarbeit - Premiere der aktionstheater-Produktion "Zorn" am Spielboden Dornbirn

Martin Gruber verwirrt sein Publikum mit seiner neuesten Produktion „Zorn“, einer Art avantgardistischem Kabarett, einer modernen Parodie auf die Wutzustände des Durchschnittsbürgers. Eine große Zahl von Stammtischthemen wird von einem ganz hervorragenden Schauspieler mit einer gehörigen Portion hintergründigem Humor ins Publikum geschleudert.

Ein Gasthausbesuch gerät zum Horror-, zum Psychotrip. Als Tobias die Gaststätte betritt, weiß er bereits, was ihm da vorgesetzt werden wird. Und tatsächlich – seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten sich – ein schmutziges Bierglas, das auch noch stinkt, ein Schnitzel, außen braun mit schwarzen Flecken und innen grau und zäh. Ach ja, der Salat ist nicht toll, aber akzeptabel. Der gute Mann wehrt sich, macht seinem Ärger Luft und fühlt sich anschließend befreit. Alles muss man auch wirklich nicht schlucken!

Zorniger Marathon

Die erzürnenden Themen, die Martin Gruber und sein Schauspieler Tobias Voigt gemeinsam entwickelt haben, sind so unterschiedlich, wie auch wir Menschen verschieden sind. Jeder wird hier etwas entdecken, das auch ihn gehörig „anscheißt“. Dieser zornige Marathon, den Voigt sowohl körperlich als auch sprachlich bewältigt, ist höchst bemerkenswert. Dass er dabei immer wieder Stereotypen bedient, ist doch etwas verwirrend. Körperlich wird die Wut in den im Stakkato schwingenden, nein, ausschlagenden Hüften sichtbar, fast spürbar. Die rasante Fahrt chauffiert uns vom Müll in Griechenlands wunderschöner Landschaft zur Kinderarbeit auf den Kakaofeldern, vom dekadenten Feiern der Reichen und Berühmten zum rücksichtslosen Autofahrer, vom Schönheitswahn der mehrfach operierten Frauen zu deren haltlosem Sexualleben, von den EU-Millionen für Großkonzerne zum egoistischen und gewissenlosen Benutzen des Altpapiercontainers, von den Anstrengungen des Erwachsenwerdens zur Katze, die in eine Mülltonne gesperrt wurde, von der Griechenlandpleite zu undankbaren Polen. Gibt es so vieles auf dieser Welt, worüber wir zornig und wütend werden können und müssen? Ja, doch Zorn allein reicht eben nicht aus, um zu verändern. Zorn ist die Triebfeder, die auch den Schauspieler durch diesen Abend peitscht, der dann völlig abrupt und mit einer gehörigen Portion Verzweiflung des Protagonisten endet und den Zuschauer im akustischen Regen stehen lässt.

Spielerisch auf den Punkt gebracht

Der Musiker Bert Preiss und die Vokalkünstlerin Doris Steinbichler begleiten den zornigen Trip und unterstützen, akzentuieren aber auch ohrenbetäubend die explosive Stimmung. Die ungemein variable und  brillante Stimme von Steinbichler wurde oft von der Musik zugedeckt, was ein bisschen schade ist. Die mediale Gummizelle, in der sich Tobias Voigt bewegt, ist wunderschön und grausam zugleich. Während die Videobilder von Pablo Leiva und Edward Chapon auf der schrägen Spielfläche in zarten Grautönen eher beruhigen, zerrt das in sehr kurze, schnelle Bilder zusammengeschnittene Fernsehprogramm an den Nerven. Aus dem Fernsehgerät fließt Blut!
Regisseur Martin Gruber hat den Schauspieler sehr genau geführt, jede Bewegung stimmt, die emotionalen Zustände sind punktgenau herausgearbeitet und sichtbar gemacht.
Am Schluss bedankte sich das Publikum mit einem kräftigen Applaus.