Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Dagmar Ullmann-Bautz · 05. Mai 2019 · Theater

Frisch entstaubt und just in time – Grillparzers „König Ottokars Glück und Ende“ am Vlbg. Landestheater

Eines gleich vorweg: „König Ottokars Glück und Ende“, Grillparzers schon in die Jahre gekommenes Trauerspiel von 1825, präsentiert sich am Bregenzer Landestheater so frisch, so witzig, so unterhaltsam und modern – man muss es einfach gesehen und erlebt haben! Wenn von drei Stunden Theater nicht eine Sekunde fadisiert, nicht eine an Spannung verliert und die Aufmerksamkeit des Publikums niemals nachlässt, dann darf mit Recht ein Premieren- und Theaterabend gefeiert werden, der großartig war und den man lange nicht vergessen wird.

Herausragende Inszenierung

Regisseur Johannes Lepper hat eine sehr kluge, griffige, eine gut verständliche Fassung des Geschichtsdramas geschaffen, die dem Hier und Heute gerecht wird und somit, kurz vor der EU-Wahl, aktuelle Bedeutung erlangt. Lepper selbst hat auch ein spannendes Bühnenbild entworfen und zeigt darin eine wirklich herausragende Inszenierung, die Dank des ausgezeichneten Ensembles eben zu diesem großartigen Abend wurde.

Große künstlerische Freiheit

Mit knapp 30 Jahren schrieb Franz Grillparzer das Drama über den Böhmenkönig Přemysl Ottokar II. (1232–1278), dessen Aufstieg und Fall, und gönnt sich dabei auch großen künstlerischen Freiraum. Franz Grillparzer war eine, wie er selbst auch von sich sagte, widersprüchliche Person und ein herausragender, weitsichtiger Künstler, dessen Werke, wenn sie denn richtig umgesetzt werden, gerade heute sehr viel zu erzählen haben.

Wunderschöne Ouvertüre

Lepper und sein Team haben mit „Ottokar“ einen Blick auf das heutige Europa geworfen, was in vielen, manchmal ganz kleinen und dann wieder sehr präsenten, Momenten sichtbar wird. Herrlich die berühmte lobpreisende Rede auf Österreich als chorische Passage, die immer wieder von der Europahymne unterbrochen wird. Die Darstellung von Zawisch Rosenberg (Felix Defèr) als böser Clown und generell die Querverbindung zum Zirkus sind ganz großartige Ideen. Schon der Beginn, die Ouvertüre sozusagen, ist einnehmend, lässt dem Zuschauer Zeit, jede Figur zu betrachten, sie ein wenig kennenzulernen, der Figur ein bisschen in die Seele zu schauen.

Fantastisches Ensemble

Jürgen Sarkiss spielt Ottokar mit einer wunderbaren Intensität, die berührt und gefangen nimmt, großartig in den lauten wie auch den ganz leisen Passagen. Felix Defèr auf der Bühne zu folgen ist eine Herausforderung, sein schweißtreibender, gestisch und mimisch überbordender Einsatz verdient großen Applaus. Kathrina, Berta und Margarethe von Österreich werden von Sinikka Schubert gespielt, mit großer Genauigkeit und faszinierender Präsenz, besonders in den sehr zarten und feinstofflichen Momenten. Lisa Hofer als eindeutiger Gegenpol zu Sinikka Schubert bringt als Kunigunde von Massovien weibliche Power und Potenz sehr gekonnt auf die Bühne. Sowohl als Kanzler als auch als Fuchs überzeugt David Kopp mit jedem Satz und jeder Geste. Merenberg Junior und Senior sowie die beiden Söhne von Rudolf werden vom Schweizer Meister im Rhönradturnen und Schauspieler Luzian Hirzel mit sehr viel Esprit und Beweglichkeit dargestellt. Der Schauspieler Hansa Czypionka zeigt einen in sich gefestigten und von Innen heraus Macht ausstrahlenden Rudolf von Habsburg.
Das gesamte Ensemble beweist Beweglichkeit, Energie, Kraft und 100%igen Einsatz – Chapeau!

Spannende Lichtspiele

Die Kostüme von Sabine Wegmann sind wunderschön und jeder Figur sozusagen auf die Seele geschneidert. Das Lichtdesign von Simon Tamerl ist einfach genial, spannend und alle Situationen erhellend. Es kommt von allen Seiten, von hinten und vorne, es setzt Akzente, es illustriert und erzählt.

Empfehlung für Lehrerinnen und Lehrer

Das Publikum spendete großen Applaus, sowohl dem Ensemble als auch dem Team. Und wenn an dieser Stelle einmal ein persönlicher Rat, eine Empfehlung erlaubt sei: Dieses Stück sollte jede*r Geschichte- und Deutschunterrichtende mit ihrer/seiner Schulklasse besuchen! Nicht nur um den Jugendlichen Grillparzers Stück in frischem Gewande näher zu bringen, sondern mehr noch, um Diskussionen darüber zu entfachen und, nicht zuletzt, um für das Theater zu begeistern, was mit einer Inszenierung dieser Güte unter Garantie gelingen sollte.

Rockstar Jürgen Sarkiss

Und noch was: Der Schauspieler Jürgen Sarkiss ist auch Musiker, Rockmusiker, und wird am 15. Mai mit seiner Band ein Konzert geben - im Landestheater im großen Haus. In seinem Konzertabend "Live fast, get old!" spielt Sarkiss die prägenden Stationen der Rockgeschichte der 1970er bis 1990er Jahre durch - von Iggy Pop bis Led Zeppelin und von Nirvana bis zu den Red Hot Chili Peppers. Der Theatersaal wird beben!

Weitere Vorstellungen:
7./16./29.5. und 2./7./22.6., jeweils 19.30 Uhr
Vbg. Landestheater am Kornmarkt, Bregenz