Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Dagmar Ullmann-Bautz · 21. Feb 2020 · Theater

„Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken soll.“ (J. W. von Goethe) - „Der Herzelfresser“ von Ferdinand Schmalz im Kulturhaus Dornbirn

Ferdinand Schmalz ist in den letzten Jahren zum Shootingstar innerhalb der österreichischen Dramatikerriege aufgestiegen. Seine Stücke werden hochgelobt, an zahlreichen bedeutenden Häusern umgesetzt und auch zu allen wichtigen Theatertagen eingeladen. Nach dem Stück „Am Beispiel Butter“, das Stephan Kasimir 2014 für das Theater Kosmos inszenierte, ist derzeit wieder ein Schmalz-Stück in Vorarlberg zu sehen. Mit dem „Herzerlfresser“ haben sich Caro Stark, Stephan Kasimir und ihr Ensemble für unpopuläre Freizeitgestaltung, kurz UNPOP, über die Themen Liebe und Konsum auseinandergesetzt. Es feierte am 19. Februar im Dornbirner Kulturhaus Premiere.

Pochende Herzen und liebenswürdige Menschen

Schon wenn man den Theaterraum, sprich die Bühne des Kulturhauses, betritt, wird man von einem laut pochenden Herzen empfangen und dieses Pochen zieht sich konsequent durch den Abend. Immer wieder kommt es zum Einsatz, in jeder Szene, mittendrin in einem Satz, an einem beliebigen Punkt. Oder ist es ein genau gewählter? - Diese Frage stelle ich mir nach wie vor. Aber eigentlich ist es gar nicht so wichtig, es sind einfach Momente, in denen ein Herz höher schlägt oder auch mal aussetzt - Momente, die ein jeder kennt. Und genau das ist es, was dieses Stück so menschlich macht - dass Ferdinand Schmalz Geschichten erzählt mit großem Wiedererkennungswert. So skurril seine Figuren auch wirken, er hat fürchterlich liebenswürdige Menschen geformt, die über alles Mögliche philosophieren, über die Liebe, über Politik und das Leben an sich, über den Druck, den eine Gesellschaft ausübt, über Flora und Fauna.

Ins Ziel getroffen

Theaterleiter und Regisseur Stephan Kasimir hat diese Stärke des Stückes erkannt und darauf gesetzt. Er hat die Liebenswürdigkeit der Figuren und ihre zutiefst menschliche Verschrobenheit mit den Schauspieler*innen herausgearbeitet und damit genau ins Ziel getroffen. Die Kostüme von Caro Stark unterstützen dieses Konzept und auch ihr reduziertes, aber extrem wirkungsvolles Bühnenbild gibt den Figuren und der Geschichte den nötigen Raum und Background.

Kampf um Anerkennung und Liebe

Die Geschichten und Figuren spielen im neu gebauten Konsumtempel am Rande einer Kleinstadt. Dort werden vor der Eröffnung schon Risse im Mauerwerk festgestellt, dort tauchen die Leichen junger Frauen ohne Herz auf, dort treffen sich die Protagonisten im Kampf um Anerkennung und Liebe.

Großartige Schauspieler*innen

Anwar Kashlan gibt einen wunderbaren „Gangsterer Andi“, ein Wachmann mit dem ganz großen Herzen, beseelt von dem Wunsch einmal etwas Großartiges zu vollbringen. Der Bürgermeister, vereinsamt in seiner fordernden Arbeit für die Kommune, wird von Ronald Kuste unnachahmlich mit wahrer Größe ausgestattet. Kashlan und Kuste sind als Bühnenpaar einfach der Hit! Maria Strauss als Florentina Fauna besticht mit einem sehr klaren Spiel, sowohl in Bewegung als auch in Sprache. Die transidente Fußpflegerin Irene wird von Martin Carnevali mit viel Herz und Emotionen dargestellt – einfach berührend. Der Herzerlfresser, der das ganze Stück hindurch beobachtet, um im richtigen Moment zuzuschlagen, wird von Christian Streit mit der richtigen Mischung aus Normalität und Verrücktheit gespielt. Als Chor der Kundschaft agieren großartig Brigitte Walk, Robert Kahr und Hanno Dreher, ein- und vollgepackt mit Einkaufstaschen, gierig kommentierend und völlig berauscht vom großen Angebot.

Langanhaltender Schlussapplaus

Stephan Kasimir und Caro Stark haben gezeigt, wo ihre Stärken liegen, nämlich Menschen und ihre ureigensten Geschichten mit Charme und Einfühlungsvermögen auf die Bühne zu bringen. Das Lichtdesign von Othmar Gerster hat das Geschehen dabei bestens ins Licht gerückt, ohne sich in den Vordergrund zu spielen.
Der langanhaltende Schlussapplaus für das Stück, das Ensemble, das Leading Team und für den zur Premiere und zur Freude der Theaterleute extra angereisten Autor Ferdinand Schmalz war wohlverdient. Es bleibt zu hoffen, dass „Der Herzerlfresser“ nicht die letzte UNPOP-Produktion gewesen sein soll. In Zeiten eines an Fahrt aufnehmenden Populismus wäre es schade, ja eigentlich vollkommen verrückt, vermehrt auf Populäres als Unpopuläres zu setzen.

Weitere Vorstellungen:
21./22./27./28./29.2., 20 Uhr, Kulturhaus Dornbirn