Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Dagmar Ullmann-Bautz · 27. Jun 2021 · Theater

Eine singende Robbe unterm Bett - Christoph Marthalers herrlich schräger Liederabend am Vorarlberger Landestheater

Bereits seit acht Jahren tourt „King Size“, Marthalers herrlich schräger Liederabend, erfolgreich um den Globus, gastierte mit weit über 100 Aufführungen in mehr als 20 Ländern und ist seit gestern nun auch in Österreich angekommen, wo er in der Landeshauptstadt Bregenz am vergangenen Abend seine Premiere am Vorarlberger Landestheater feierte. Für das Zustandekommen des Abends zeichnet Direktorin Stephanie Gräve verantwortlich, die 2013 das Stück als damals stellvertretende künstlerische Leiterin im Theater Basel mit aus der Taufe gehoben hat.

Der Schweizer Regisseur Christoph Marthaler wurde in Fachkreisen schon mal als ein „Zelebrierer der theatralischen Langsamkeit und Hohen Priester der szenischen Zeitverlorenheit“ genannt, so 2018 Bernd Noack im „Spiegel“, und auch seine Inszenierung „King Size“ stellt diese ehrenvolle Charakterisierung eindrucksvoll unter Beweis.

Man versäumt nichts

Kaum im Publikumsraum Platz genommen, lehnt man sich unversehens zurück, als das Stück mit sanften Musikklängen beginnt, man hört, man schaut, man genießt und - einfach wunderbar - man versäumt gar nichts. Jeder einzelne Moment des Abends darf intensivst erlebt und, dergestalt zelebriert, kann ihm die gesamte, wohlverdiente Aufmerksamkeit geschenkt werden.
„King Size“ erzählt von Liebe, von Sehnsucht und von Einsamkeit, von Menschen in einem Hotelzimmer, von einsamen Nächten und heimlichen Begegnungen. Vier wunderbare Darsteller*innen bewegen sich durch diese Szenerie und beglücken den Zuschauer mit unaufgeregter Darstellungs- und musikalischer Ausdruckskraft.

Wundersame Einfälle

Die ausgewählten Lieder sind ein gnadenloser Mix aus Klassik, Pop und Volksmusik. Marthaler und sein Team betören mit altbekannten Melodien von Robert Schumann, Mozart und Beethoven, intonieren aber auch schwedische Popspezialitäten von Carola oder von The Jackson Five und garnieren das Potpourri mit Schweizer und internationalen Volksliedern. Und nicht nur die Musik kommt schräg daher, auch die Figuren entpuppen sich als besondere und seltsame Wesen voller Geheimnisse, ausgestattet mit mannigfaltigen Lebensweisheiten und einem stillen, jedoch umso intensiveren Humor. Immer wieder überraschen Szenen voll kleiner, feiner Slapstickkomik und herrlich wundersamen Einfällen, denen Marthaler immer auch alle Zeit der Welt gibt, um an-, nach- und auszuklingen.

Wunderbare Künstler*innen

Die vier Künstler*innen begeistern – unabdingbar – mit starker Bühnenpräsenz. Ganz großartig die Norwegerin Tora Augestad mit ihrer eindrucksvollen Stimme und schauspielerischer Urgewalt, herrlich der Schlagersänger Michael von der Heide, der mit Gesang und körperlicher Komik überzeugt, sowie der musikalische Leiter der Produktion Bendix Dethleffsen, der auch auf der Bühne eine ganz starke Nummer abgibt. Last but not least Nikola Weisse, der (gute) Geist des Abends, die sich als alte Dame lautlos durch die Szenerie bewegt, mit Akribie einen Notenständer aufbaut oder Spagetti aus ihrer Handtasche isst. Und wenn sie einmal spricht, spitzt man neugierig die Ohren.

Tolle Kostüme in prächtigem Rahmen

Das Bühnenbild, das türkisfarbene Hotelzimmer mit dem himmelblauen Teppichboden und dem im gleichen Farbton wie das gesamte Mobiliar gehaltene, titelgebende King-Size-Bett, in dem jede Boulevardkomödie gleichermaßen bestens platziert wäre, stammt von Duri Bischof und bietet den prächtigen Rahmen für diesen außergewöhnlichen Liederabend. Die Kostüme von Sarah Schittek fügen sich perfekt ins Bild.
Ganz ehrlich, es gibt Momente an diesem Abend, an denen wohl ganz bewusst dazu verführt werden soll, Langeweile zu zelebrieren. Letztens verlässt man das Theater äußerst zufrieden, voller Eindrücke und mit einem Schmunzeln auf dem Gesicht.

Weitere Vorstellungen: So 27.6. und Mo 28.6., 20 Uhr, Großes Haus, www.landestheater.org
Weitere Termine: 23./24.10., 27./28.11. (noch nicht buchbar)