Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Annette Raschner · 28. Jun 2021 · Literatur

Anfang und Ende - "The ever-living ghost"

Der 34 Jahre alte Schriftsteller, Übersetzer und Philosoph Stefan Feinig ist mit dem diesjährigen, mit 7.000 Euro dotierten "Hohenemser Literaturpreis für deutschsprachige Autor*innen nichtdeutscher Erstsprache" ausgezeichnet worden. Sein preisgekrönter, autobiografischer Essay trägt den Titel "The ever-living ghost - a new kind of landscape". Stefan Feinig ist in Klagenfurt/Celovec geboren und publiziert seine Texte in Slowenisch und Deutsch.

Ein Vater sitzt bei seinem Baby, den Finger in der kleinen Säuglingshand. Das gerade begonnene Leben des der Sprache noch nicht mächtigen Wesens erinnert ihn daran, was sukzessive verlorengeht: seine slowenische Muttersprache.
"Der Anfang. Es ist schwer, so schwer. Tako težko mi je. Wo ist sie, die treibende Wucht des ersten Wortes, der Anklang? Es ist mir so schwer mit diesen Worten. Tako težko mi je z besedami. Und es liegt mir so fern, so fern und schwer, und so weit ist der Weg, dir das weiterzugeben, was ich selbst schon fast vergessen habe, verloren habe, den Anfang, den Anklang, lost, izgubil. Fast, skoraj, almost. Das Ende."
Die neue Hohenemser Literaturpreis-Jury, bestehend aus der Literaturwissenschaftlerin Renate Giacomuzzi sowie den beiden Autoren Precious Nnebedum und Ibrahim Amir, schreibt in ihrer Begründung über die Hauptfigur des Essays: Seine eigene Vielsprachigkeit hat ihn verstummen lassen, seine Identität hat sich in Bruchstücke aufgelöst. Doch in den Zwischenräumen, im wilden Durcheinander der Worte, Sprache und Gedanken scheint er sich und eine neue Heimat zu finden. Dieser vielschichtige sprachphilosophische Essay gibt nicht auf den ersten Blick preis, was er alles zu bieten hat. Jede Lektüre legt eine weitere Schicht frei, führt zu Spuren von Peter Waterhouse, Jacques Derrida, Gilles Deleuze und Félix Guattari. Man kann sich in dem Text verlieren, aber auch sich dauerhaft in ihn verlieben.
Heuer gab es einen Rekord an 216 Einreichungen. Der Name des diesjährigen Siegers wurde erst bei der Preisverleihung bekanntgegeben. Auf der Shortlist waren neben Stefan Feinig die aus Umbrien stammende Autorin und Übersetzerin Dania d´Eramo sowie der israelische Schriftsteller und Filmemacher Ron Segal. Die drei FinalistInnen werden voraussichtlich im Herbst bei einer Lesung in Hohenems zu Gast sein.