Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Anita Grüneis · 23. Mär 2018 · Theater

Effi Briest zwischen Wetter, Werbung und viel Musik im Schaaner SAL

Das Deutsche SchauspielHaus Hamburg brachte „Effi Briest. Allerdings mit anderem Text und auch anderer Melodie“ in den Schaaner SAL. Dabei verblüffte zu Beginn nicht nur das Bühnenbild. Denn was hat ein Radiostudio mit der über hundert Jahre alten Geschichte der „Effi Briest“ von Theodor Fontane zu tun?

Zu Beginn erschien ein Mann im Retrolook der siebziger Jahre, der alles Tonmachende einschaltete und so das Radiostudio erwachen ließ. Ein rhythmischer Groove machte sich breit und stimmte auf das ein, was da kommen sollte: „Oldies but Goldies“. Doch zunächst ertönten Fontanes eigene Worte: „In Front des schon seit Kurfürst Georg Wilhelm von der Familie von Briest bewohnten Herrenhauses zu Hohen-Cremmen fiel heller Sonnenschein auf die mittagsstille Dorfstraße, während nach der Park- und Gartenseite hin ein rechtwinklig angebauter Seitenflügel einen breiten Schatten ....“ Mit diesen Originalzeilen begann die Aufführung. „Effie Briest“, diesmal als Radio-Soap, erzählt im Rahmen der Reihe „Berühmte Seitensprünge der Weltliteratur“. 

Clemens Sienknecht, Barbara Bürk und Sybille Meier entwickelten die neue Textfassung des Fontane-Romans, steckten alle Figuren in Kostüme aus den siebziger Jahren und packten ordentlich viel Musik dazu. Ob Folksongs oder Rap, ob geistlicher Choral oder Megahit – alles hatte Platz und alles passte so perfekt, dass das Zuschauen und Zuhören zum absoluten Vergnügen wurde. Dabei wurde – fast nebenbei – die tragische Geschichte des Mädchens Effi erzählt, das als Siebzehnjährige mit dem doppelt so alten Baron von Instetten verheiratet wird, der Effi wie ein Kind behandelt, sie in einem Provinzdorf alleine lässt, wo sie dann aus ihrer Einsamkeit heraus, eine Liebschaft mit einem Offizier beginnt. Jahre später entdeckt ihr Gatte die Liebesbriefe, fordert das Duell, erschießt den Liebhaber und lässt sich scheiden. Effi ist gesellschaftlich geächtet und von den Eltern verstoßen, die sie erst als todkranke Frau wieder bei sich aufnehmen. 

Die Radiosoap zwischen Wetter und Stau

„Is this real life, is this just fantasy, wurde mit „Queen“ gefragt, bevor es wieder “mitten ins Herz” ging bei „Happy Briest“. Textpassagen aus dem Roman verbanden sich mit Hits aus den 60er, 70er, 80er, 90er Jahren und den üblichen Radio-Durchsagen, wie Wetter oder Werbung. Mühelos schlüpften auch die sechs Darsteller Yorck Dippe, Ute Hannig, Markus John, Friedrich Paravicini, Clemens Sienknecht und Michael Wittenborn in ihre Rollen von den Radiomoderatoren zu den Romanfiguren und zurück. Während sie sangen, spielten, musizierten und tanzten, entfaltete sich die Geschichte der Effi Briest, wurde oft ironisch gebrochen, beispielsweise mit James Browns Urschrei „This is a man’s world“ oder Frank Zappas „I have been in you baby, you have been in me“ zur Affäre der beiden. Die Songs waren immer treffend gesetzt, vertieften teilweise die Charaktere oder die Stimmung. So ertönte beim Tod des Offiziers lakonisch „Another one bites the dust.“ Und wenn es im Originaltext hieß: „Leichtsinn ist das Beste, was wir haben“, dann war das genauso passend wie Effis berührende Aussage: „Wir müssen verführerisch sein, sonst sind wir gar nichts“, oder der viel zitierte Satz ihres Vaters: „Das ist ein weites Feld“.

Eine alte neue Geschichte

Ein weites Feld hatte das Regie Duo Clemens Sienknecht, Barbara Bürk mit dieser Inszenierung eröffnet. Die beiden schafften es, bei aller Keckheit, sowohl die Tragik der Geschichte zu befördern als auch die Einsamkeit des Mädchens Effi aufzuzeigen und die erstarrten Normen einer Gesellschaft anzuprangern. Diese Hamburger Effi war erstaunlich heutig – ein Mädchen, das sich neben ihrem Gatten „immer so klein gefühlt hat“ und doch weiß, dass er klein gewesen ist und dass alles, was klein ist, grausam ist.  Dass diese junge Frau ihr eigenes Sterben als Befreiung empfindet, ist die eigentliche Tragik des Werkes. Ein starkes Stück, eine starke Aufführung. 

Nächste Vorstellung: Freitag, 23. März, 20 Uhr, SAL, Schaan