Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Dagmar Ullmann-Bautz · 08. Okt 2010 · Theater

Dirty Rich – das Theater Kosmos lädt zur Schlachtpartie

Die belgischen Autoren Tom Lanoye und Luk Perceval haben Ende der 90er Jahre die Königsdramen von William Shakespeare neu übersetzt und unter dem Titel „Schlachten“ ein bedeutendes zeitgenössisches Werk geschaffen – die Uraufführung dauerte zwölf Stunden. „Dirty Rich Modderfocker der Dritte“ ist der letzte Teil des acht Teile umfassenden Schauspiels. Am Donnerstag lud das Theater Kosmos nach der Premiere von „Dirty Rich Modderfocker der Dritte“ passender Weise zur Schlachtpartie. Und auch nach zweieinhalb Stunden des blutigen Mordens und Tötens war nur den Wenigsten die Lust auf Blut- und Leberwurst vergangen.

Dem Publikum bot sich ein äußerst kurzweiliger und unterhaltsamer Theaterabend - das Monster Dirty Rich wurde leichtfüßigst serviert. Viel trug die Sprache Denglisch dazu bei - eine Mischung aus Deutsch und Englisch -, die von der York-Gang, Richard, seinen Brüdern sowie deren Vasallen gesprochen wurde und unglaublich genau, emotional und humoristisch treffsicher artikuliert war.

Großartiger Hubert Dragaschnig

Regisseur Stephan Kasimir holte sich seine Inspiration aus wohlbekannten Horror- und Actionfilmen und schuf damit einen Abend, der dem Großteil des Publikums nicht fremd war, da immer wieder Elemente erkannt wurden. Dirty Rich ist nicht der machthungrige Tyrann, der tötet um die Krone zu erringen, sondern ein höchst psychopathischer Serienkiller, der aus reiner Lust, aus innerem Trieb tötet. Kasimir schuf keine neue Killerfigur, er holte einige der berühmtesten Serienkiller der Hollywood-Filmgeschichte auf die Bühne – den Joker, Hannibal Lecter oder Ghostface mit der spektakulären Scream bzw. Scary Movie Maske. Hubert Dragaschnig spielt als Dirty Rich alle Facetten seines großen schauspielerischen Könnens aus und komponiert eine krankhaft geniale Figur, die jedes Register zieht - weint, lacht, schmeichelt, terrorisiert, schleimt, schreit, mordet und sich ängstigt. Dieser Theaterabend gehört Dirty Rich, gehört Hubert Dragaschnig. Ihn umkreisen die anderen Figuren, suchen Abstand und Nähe, fühlen sich angezogen und angeekelt. Keiner, wirklich keiner ist ein netter Mensch. Unterschiede finden sich lediglich in der Abstufung ihrer Falschheit, ihrer Gier, Boshaftigkeit, in ihrem Egoismus, ihrer Gefallsucht.

Starkes Ensemble, wirkungsvolles Bühnenbild

Margaretha di Napoli  (Johanna Tomek) als Rächerin mit Bombengürtel, Buckingham  (eindrucksvoll Anwar Kashlan) als eitler Showmaster der Nation, die ständig Koks schniefende Königsfamilie (Daniela Gaets, Bernhard Majcen, Sandra Loser), stramme für Geld mordende Söldner  und die Herzogin von York (Johanna Tomek), Richs Mutter als rothaarige Hure im Minirock, mafiose Figuren und sexy Frauen  (intensiv Sonja Diaz als Anne und Rivers), allesamt verstecken sich hinter großen Sonnenbrillen, keiner kann und darf sich in die Augen, in die Karten schauen lassen, nicht mal der blutjunge Kronprinz Eddy (selbstbewusst der erst 16-jährige Paul Köstl).Ein Baugerüst dient als Bühne für das lustvolle Spiel, deren Möglichkeiten von Regisseur Kasimir äußerst effektiv genutzt wurden. Michael Schernigg kreierte ein etwas vordergründiges, ein grelles, auf Effekte abzielendes Lichtkonzept. Caro Stark, für die Ausstattung verantwortlich, platziert in ihr einfaches, sehr wirkungsvolles Bühnenbild ein etwas chaotisches Kostümgemisch. Mikrophone werden punktuell eingesetzt, die optimal gewählte Musik dürfte kräftiger, lauter sein, um derart „foking Emotionen“ gerecht zu werden.

Höchst amüsante Schlacht

Nachdem zu Beginn des Abends Sequenzen aus „Batman“ über eine Leinwand flimmerten, schließt sich der Kreis, indem Dirty Rich sich während seines Schlussmonologs in den Joker verwandelt und sein Widersacher Richmond als Batman erscheint.
Zuschauer, die aufgrund des „saftig-fleischigen“ Plakatkonterfeis des Dirty Rich den Weg ins Theater Kosmos gefunden haben, mögen sich noch ein Quantum mehr an Grausam- und Schrecklichkeiten erwartet haben - alle, die sich aus selbigem Grund davon abschrecken ließen, seien zum Theaterbesuch herzlich aufgerufen - diese Schlacht ist höchst amüsant und macht wirklich Spaß!