Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Peter Niedermair · 10. Nov 2019 · Theater

„Da dopplat Moritz“ – Die Boulevardkomödie des Spielkreis Götzis garantiert beste Unterhaltung

In der gestrigen Premiere im ausverkauften Vereinshaussaal der Kulturbühne AMBACH Götzis zeigte sich der Spielkreis Götzis von seiner besten Seite. Jack E. Griss, der im Stück den Medizinalrat Dr. Ruppel gibt, schrieb den 1926 entstandenen Schwank von Toni Impekoven und Carl Mather in eine Dialektfassung um und legte allen Schauspielenden ihre Sprechanteile des Stücks in den Mund. In einem hochkomplexen, anspruchsvollen Stück führt Roland Ellensohn Regie und demonstriert, wie es einem bestens disponierten Amateurtheater-Ensemble gelingt, ein Publikum zu unterhalten, ganz nach dem Motto von Rudi Kurzemann (1932 – 2008): „(…) So setzt euch denn ins Dunkel, wo plötzlich der Gong ertönt, der Vorhang sich hebt und Bild, Stimme und Geste euch dem Endlichen und Trägen für Stunden entziehen.“ Der rundum bekannte Götzner Mundartdichter Rudi Kurzemann war Regisseur, Radiosprecher, Moderator und Schriftsteller und hat bedeutende Literatur im Götzner Dialekt und in der Hochsprache hinterlassen.

„Do kuscht jo fascht Vögel über!“

Sprachlich lebt diese Komödie vom strukturellen Bauplan der Verwechslungen, von Täuschungen, Notlügen, Doppel- und Mehrdeutigkeiten, von Sprachwitz, Ironie und den Wortspielereien; auch von den schier unerschöpflichen Möglichkeiten, die der Dialekt als für dieses Genre bestens geeignete Sprachebene und als –repertoire bereithält. Das auf die aktuelle Handlung verweisende Frau Krause und Tochter begeben sich zum Bahnhof, um mit dem Zug nach St. Moritz zu fahren „Mir wörand varreist!“, oder trittsichere und an die Erwartungshaltungen des Publikums anbindungsfähige Bemerkungen „Do kuscht jo fascht Vögel über!“ oder wenn die Haushälterin Sibille sagt „Koa Angscht! Varhürotate Mä regand mi prinzipiell nit uf!“ (alle Zitate aus dem 4. Auftritt) treffen ganz den Gout des Premierenpublikums, das wiederholt Szenenapplaus spendet.

Mehrfach aufgedoppelte Missverständnisse als Schmierstoff der Geschichte

Die Zeit der Handlung ist nicht die jetzige unmittelbare Gegenwart, man telefoniert noch von den heute museal anmutenden „Telefönern“, kabelt nicht über sms oder E-Mail, sondern mit Funksprüchen, das Mobiliar der Bühnenausstattung und der Bilderbehang im großen Bühnenraum sind einfach aber handlungswirksam gehalten; spielwichtig ist die bühnenmittig positionierte Treppe für die Auf- und Abtritte der Schauspieler*innen; viele Seitentüren erlauben ein Verstecken und Vorzeigen, ein Aussparen und Überblenden. Die Bibliothek als einer der Nebenräume wird gar zum idealen Unort, der Begründung folgend, da gehe eh niemand hinein, weil hier niemand lese … als fühle man sich dort sicher für diverse Techtelmechtel, aus denen heraus, den Blicken der Zuschauenden entzogen, schlagfertiger Wortwitz entsteht. Die mehrfach aufgedoppelten Missverständnisse sind der Schmierstoff der Geschichte, die in ihrem Plot recht klar herausgearbeitet und schlüssig nachvollziehbar ist. Das ist auch gut so, denn die Verwechslungen und Hinauszögerungen verlangen an und für sich hohe Aufmerksamkeit. In dieser Verwechslungskomödie, in der durch die zunehmende Komplexität „die Probleme immer größer werden“, spielen Hellsehereien, Halluzinationen und verbale Anspielungen auf den „Sündensumpf“ und „lasterhafte Orgien“ eine bedeutende Rolle. Dabei ist es keine moralisierende, Zeigefinger-attitüdenhaft daherkommende Geschichte, sondern pure Theaterlust, die im Wesentlichen vom Sprachwitz gefüttert wird. Menschliche Züge und das Inventar der Charaktereigenschaften kommen ebenso vor wie archetypische Positionen der Selbstverankerung in der Welt: „Nichts kann uns trennen, nicht einmal ein Erdbeben“. 
Die Geschichte nur kurz aus dem Programmheft angedeutet: „Der Großindustrielle Moritz Krause muss zu einem geheimen Geschäftsabschluss für zwei Tage nach London. Damit seine Abwesenheit unbemerkt bleibt, soll ihn sein eben aus Amerika gekommener Zwillingsbruder Max, den keiner kennt, vertreten. Max lässt sich aus Geldnot auf den Schwindel ein. Doch kaum ist Moritz abgereist, taucht seine Geliebte auf und wenig später kehren auch noch Moritz‘ Frau und Tochter wieder heim, die eigentlich ein paar Tage in der Schweiz verbringen sollten. Max, der keine Ahnung von all diesen Verstrickungen hat, bringt in der Folge die ganze Familie durcheinander und durchkreuzt ungewollt sämtliche Pläne von Moritz: Die Tochter, die einem anderen zugedacht war, verlobt er mit dem Sekretär, seinem Bruder spannt er die Freundin aus und stößt Moritz‘ Frau vor den Kopf. Gerade als diese sich scheiden lassen will, kommt Moritz zurück…“

Theater kommt von ‚anschauen‘

Die Produktion ist ein weiteres Bühnen-Highlight im kreativen Schaffen des Spielkreis Götzis. Man kann es ruhig sagen: Theater ist lustiger als Fernsehen, nicht nur weil es live ist, sondern weil Sie auch alte Bekannte wieder treffen und danach über eines der ganz kurzweilig unterhaltsamen Stücke in diesem vielseitigen Theaterjahr Vorarlbergs reden können. Ich bin mit einem befreiten Kopf von der AMBACH Bühne in Götzis hinaus in den Abend.
Die schauspielerisch Mitwirkenden sind: Alexander Rapaic (in der Doppelrolle Moritz und Max Krause), Petra Heel (Irene, seine Frau), Teresa Marte (Margot, seine Tochter), Simon Martin (Dr. Hans Hellwig, sein Sekretär), Cornelia Kräutler-Küng (Mathilde, Max Krauses Frau), Daniel Forster (Felix Papenstiel), Lisa Marte (Lili Leiser), Jack E. Griss (Medizinalrat Dr. Ruppel), Sigrid Marte (Sibille, Köchin bei Krause), Jürgen Reiner (Otto, Diener bei Krause) und Ronnie Bauer (Kriminalbeamter Bohrer).
Hinter der Bühne: Karin Klas (Produktionsleitung), Claudia Walser (Regieassistenz), Laura Schwarzmann, Horst G. Laucht und Thomas Klas (Bühnenbild), Matthias Zuggal, Mathis Ehrne und Jonas Herburger (Technik), Judith Laucht und Nadine Reitenbach (Maske), Kostüme (Mariette Kilga)

Weitere Aufführungen: 10.11., 18 Uhr; 15./16./21./22.11., jeweils 20 Uhr
www.spielkreis.at; T-Hotline 0664-4913325