Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Ingrid Bertel · 09. Mai 2020 · Theater

Arm und reich - das Vorarlberger Landestheater präsentiert den Spielplan 2020/2021

Mit dem neuen Spielplan reagiert das Vorarlberger Landestheater auf die gesellschaftlichen und ökonomischen Verwerfungen, die die Corona-Pandemie voraussichtlich nach sich zieht.

Mit einem Corona-bedingten Budgeteinbruch von 570.000 Euro schließt das Vorarlberger Landestheater die laufende Spielzeit ab, zu früh und ungern. Auch wie es weiter gehen wird, ist ungewiss. Erst für Freitag, den 15.5. kündigt Staatssekretärin Ulrike Lunacek Regelungen an, die – man kann es nur hoffen – etwas praxistauglicher sind als das, was sie in ihrer letzten Pressekonferenz zum Besten gab.
Die Intendanten-Kollegen der großen Häuser – etwa Burgtheater-Chef Martin Kušej oder Herbert Föttinger, Intendant an der Josefstadt – hätten betont, wirtschaftlich vertretbar sei nur, wenn sie ihre Theater in der vollen Auslastung der Zuschauerplätze bespielen könnten, erzählt Stephanie Gräve zu Beginn ihrer Spielplan-Pressekonferenz. Selber wolle sie ihr Haus öffnen, allerdings sei das Äußerste an Zumutbarkeit eine Abstandsregelung von einem Meter.

Bella Ciao

Ob sie, wie geplant, am 4. September mit einem Liederabend startet kann, steht sowieso in den Sternen. Denn geplant ist für „Bella Ciao“ – eine Eröffnung mit Revolutionsliedern – die Teilnahme des Bürger*innenchors. Und ob der im August proben darf, ist ungewiss.
Gewiss ist der Start der neun Abostücke am 19. September mit „Woyzeck“, wobei Tobias Wellemeyer die legendäre, Musical-artige Fassung von Robert Wilson, Tom Waits und Kathleen Brennan in Szene setzen will. Wie sich Verarmung auf den einzelnen Menschen auswirkt, ist nur eines von mehreren sehr aktuellen Themen in Georg Büchners atemberaubend dichtem Text. Ihm soll „Geld, Parzival“ folgen – eine Bearbeitung des mittelalterlichen Epenstoffs durch den jungen Schweizer Autor Joël László, der die Such nach dem Heiligen Gral zu einer nach dem Heiligen Geld uminterpretiert und betont, er visiere „eher den Horizont einer Netflix-Miniserie an, als von Anfang an ein neunzigminütiges Kondensat im Auge zu haben.“

Theater-Magier Christoph Marthaler

Setzte Intendantin Stephanie Gräve bereits in der vergangenen Spielzeit angesichts eines Mini-Ensembles auf Koproduktionen – etwa mit dem Theater Marie (zuletzt „Bitte nicht schütteln“, heuer „Geld, Parzival“) – so gibt es im neuen Spielplan auch noch ein Gastspiel, und zwar eines der weltweit meist gebuchten, wie Gräve aus eigener Erfahrung weiß, hat sie doch die Tourneen von „King Size“ organisiert und begleitet. Das Vier-Personen-Stück des Theater-Magiers Christoph Marthaler bringt eine Zwischenwelt auf die Bühne.
Dieser Ort sei, so Stephanie Gräve „jenseits von Raum und Zeit, ein Ort des Aufeinandertreffens wie des absurden Aneinandervorbeis, des Miteinanders, der bewussten ebenso wie der unterbewussten Interaktion.“ Und es wäre nicht Marthaler, gäbe es an diesem Ort nicht sehr viel, sehr eigenwillige Musik.
Eine terminliche Umstellung im gewohnten Ablauf nimmt Stephanie Gräve rund um Weihnachten vor. Denn auf das Familienstück „Pünktchen und Anton“ folgt nicht, wie seit vielen Jahren die Oper, sondern mit Arthur Millers „Alle meine Söhne“ ein weiterer Bühnen-Klassiker, und zwar einer, bei dem Besucher*innen durchaus an die Waffenproduktion an den Bodenseeufern denken sollen. Das vermeide eine zu lange Pause im Sprechtheater, so die Intendantin, und biete außerdem ein besser planbares Zeitfenster für die Musiktheater-Produktion.
Erst im März folgt also die Kooperation mit dem Symphonieorchester Vorarlberg und dem Bregenzer Festspielchor, und zwar Georg Friedrich Händels Oratorium „Jephtha. Das Thema dieser Kriegsgeschichte sei Regisseur Stefan Otteni ein besonderes Anliegen, betont Gräve. Otteni habe sich bei Theaterprojekten im Nordirak der Frage, wie weit Glaube gehen darf, auf unterschiedlichste Weise genähert.

Vorarlberger Akzente

Nach „Der 27. Kanton“ von Thomas Arzt und Gerhard Meister 2019 und „Hollenstein, ein Heimatbild“ von Thomas Arzt 2020 will Stephanie Gräve sich auch in der kommenden Spielzeit regionalen Themen widmen. Der junge Bregenzer Autor Maximilian Lang wurde - passend zur Spielplan-Linie - mit einem Stück über den Sozialreformer und Dichter Franz Michael Felder beauftragt. Er nähert sich dem zum Denkmal Erklärten aus unterschiedlichsten Blickwinkeln in einer Reihe von Monologen, versammelt unter der biblischen Klammer „Sprich nur ein Wort“.
Ebenfalls im April will Gräve eine Dramatisierung von Robert Schneiders Bestseller „Schlafes Bruder“ auf die Bühne bringen und die Spielzeit mit der „vielleicht ältesten Komödie der Welt“ abschließen: Aristophanes „Die Vögel“.
Als Außenprojekt geplant ist eine Kombination von Ausstellung und Performance zu Werner Schwabs „Abfall, Bergland, Cäsar“ im Magazin 4 und drei ambitionierte Produktionen in der Box – die mit „Else (ohne Fräulein)“ auch zarte Fühler Richtung Tanz ausstrecken.
Bleibt zu hoffen, dass bis zum Probenbeginn im August eine tragfähige Corona-
Lösung für die Theater gefunden ist. Zeit wär’s!