Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Markus Barnay · 11. Mai 2020 · Aktuell

Von „Akurat“ bis „Dornbirn plus“ – alle ehren die Barockbaumeister

Sie stehen in St. Gallen, Einsiedeln oder auf der Insel Rheinau in der Schweiz, in Weingarten, Kempten oder St. Peter in Deutschland, aber auch in Altorf bei Straßburg oder Ebersmünster in Frankreich – die rund 600 Kirchen und Klöster, die im 17. und 18. Jahrhundert im barocken Stil errichtet wurden und die eines gemeinsam haben: An ihrem Bau wirkten Baumeister und Handwerker aus dem heutigen Vorarlberg, speziell aus dem Bregenzerwald, federführend mit. Als Barockbaumeister sind sie auch hierzulande noch im Gedächtnis, einzelne Namen wie Beer, Moosbrugger oder Thumb sind durchaus präsent. Und Organisationen wie der Werkraum Bregenzerwald oder der Handwerkerzunftverein Au beziehen sich auch ganz konkret auf die Tradition der Bregenzerwälder Handwerker, deren Bauwerke noch immer das architektonische Bild vieler Dörfer und Städte in weitem Umkreis rund um den Bodensee prägen.

Einen Ort, an dem man sich genauer über die Geschichte der Barockbaumeister informieren könnte, gibt es allerdings bis jetzt nicht. Ein paar Einträge im Internet, eine Gedenktafel unterhalb der Auer Kirche und die freitäglichen Vorträge des Auer „Krone“-Wirts Walter Lingg für seine Gäste in der benachbarten Kirche – das waren bisher die Quellen für Interessierte, die mehr über die Bauhandwerker wissen wollten, abgesehen von ein paar Büchern, die sich mit den kunsthistorischen und architektonischen Aspekten ihrer Werke beschäftigen. Das soll jetzt endlich anders werden, gibt es doch mittlerweile gleich vier Initiativen, die sich mit dem Erbe der Barockbaumeister beschäftigen:

Die „Auer Zunft“ als Herz des Bauhandwerks

Die größten Fortschritte gibt es aus Au zu berichten: Dort soll ja im Ortsteil Rehmen das ehemalige Haus des Pfarr-Kurators saniert und umgebaut werden. Im Kuratiehaus oder Kurathuus, wie es wohl künftig heißen wird, wird es neben Räumen für den Krankenpflegeverein und die Auer Handwerkszunft auch ein Informations- und Begegnungszentrum geben, das der „Auer Zunft“ gewidmet ist. Diese 1651 von Michael Beer gegründete Zunft war das Herz des Bregenzerwälder Bauhandwerks, aus ihr stammen unter anderem die berühmten „Auer Lehrgänge“, die voluminösen Lehrbücher zur Ausbildung von Baumeistern, Stukkateuren und Maurern.
Diese „Auer Lehrgänge“ werden auch im sanierten Kurathuus eine wichtige Rolle spielen, denn hier sollen die lokalen Wurzeln der Bauhandwerker-Tradition im Mittelpunkt stehen – und ihre Auswirkungen auf die Ortsgeschichte. In Au steht die Finanzierung schon länger – dank Zuschüssen der Gemeinde, des Landes und des LEADER-Förderprogramms der EU –, dort gibt es aber auch breiten Rückhalt in der Bevölkerung: Ende Oktober 2019 erschienen rund 80 Interessierte zur Gründung des Vereins „Akurat“, der als Träger des Projektes fungiert. Neben der Gemeindevertretung und dem Pfarrgemeinderat unterstützt auch die heutige „Auer Zunft“ das Projekt. Die Mitgliedsbetriebe des Zunftvereins werden sich aktiv an der Sanierung und Adaptierung des Hauses beteiligen, was einerseits die Baukosten senken und andererseits die Verbundenheit zum neuen Dokumentations- und Begegnungszentrum stärken wird.  

Kurathuus in Au-Rehmen: Umsetzung beginnt

Mittlerweile hat die Bauverhandlung für den von Architekt Christian Lenz geplanten Umbau stattgefunden, die Baugenehmigung liegt vor. Baubeginn soll im Juni sein – sofern es die Situation rund um die Corona-Krise erlaubt. Der geplante „Tag der offenen Baustelle“ könnte unter den momentanen Umständen gefährdet sein, fürchtet „Akurat“-Obmann Rainer Muxel, doch das Projekt selbst ist auf Schiene. Bis Herbst soll das endgültige Bespielungskonzept vorliegen, für das Bruno Winkler (Museumsberatung Rath & Winkler) zuständig ist, und die Eröffnung ist Mitte 2021 vorgesehen.   

Heimatmuseum Bezau: Gute Ideen, zu wenig Geld

Nicht ganz so weit wie jenes in Au ist das zweite Barockbaumeister-Projekt: Das Heimatmuseum Bezau, das seit ziemlich genau 100 Jahren die bäuerliche Arbeits- und Wohnkultur des Bregenzerwaldes präsentiert und damit selbst schon eine Art Museumsstück ist, soll nach dem Willen der Gemeinde erweitert und erneuert – und vor allem zu einem Regionalmuseum für den Bregenzerwald werden. Vorgesehen ist ein vom Architektenteam Matt/Innauer geplanter Zubau zum jetzigen Gebäude, einem Bauernhof aus dem 18. Jahrhundert. Dort sollen die regionale Handwerkstradition, aber auch die damit verbundenen Phänomene wie die massenweise Migration aus dem Tal thematisiert werden. Dazu kommen die klassischen Wälder Themen wie die vermeintliche „Bauernrepublik“ und die Macht der Landamänner. Trotz des großen Engagements des Museumsleiters Anton Bär und von Ehrenamtlichen wie dem Installateur Peter Fink von der Bezauer Handwerkerzunft fehlt hier aber noch ein tragfähiges Finanzierungskonzept.

Größtes Manko: Die Forschung

Beiden Projekten – dem Kuratiehaus und dem Bezauer Heimat- oder vielleicht bald Regionalmuseum – fehlt aber noch etwas anderes: eine fundiertere Erforschung der Geschichte der Barockbaumeister. Zwar weiß man viel über ihre Bauten und deren Entstehung, kennt die Prinzipien, die in der Fachwelt als „Vorarlberger Münsterschema“ bezeichnet werden, weiß aber trotzdem herzlich wenig über die Entstehung der Bauhandwerkstradition, über die Auswirkungen der saisonalen Migration auf das soziale Leben in der Region und nicht zuletzt auf die kirchliche Entwicklung. „Die Zunft war ja auch eine religiöse Vereinigung“, sagt der Historiker und Theologe Mathias Moosbrugger, der vor Jahren die Geschichte der so genannten „Bauernrepublik“ im Hinteren Bregenzerwald erforschte und dabei einige bis dahin gepflegte Mythen widerlegte, „und die Gegend um Au galt bis zur Gründung der Auer Zunft als besonders religiös deviant, also als Gegend, in der sich viele vom katholischen Glauben abwandten“, verweist er unter anderem auf die große Zahl von „Täufern“, die in dieser Region verfolgt und vertrieben wurden.

Viele offene Fragen und wenig Quellen

Moosbrugger zählt eine Menge Fragen auf, die noch nicht beantwortet sind und die durch eine gründliche Forschung gelöst werden könnten: Wie sah die Rolle der Frauen in einer Region aus, in der die erwerbsfähigen Männer den überwiegenden Teil des Jahres außer Haus verbrachten? Warum war es hier ausgerechnet das Bauhandwerk, das die saisonale Migration dominierte, und nicht, wie in vergleichbaren Regionen des Alpenraums, die Zuckerbäckerei, die Eisproduktion oder die Krautherstellung? Beantwortet werden könnte das wohl nur durch eine gründliche Erforschung der vorhandenen Quellen. „Es besteht allerdings die Gefahr, dass dabei weniger herauskommt als man sich erhofft“, warnt der Kenner der Bregenzerwälder Quellenlage. Derzeit wird aber vor allem nach Historiker*innen gesucht, die eine solche Recherche durchführen könnten – die in Frage kommenden Kandidat*innen sind nämlich durchwegs mit anderen Projekten beschäftigt. Das gilt auch für Moosbrugger selbst, der erst 2022 zur Verfügung stünde. Die Regio Bregenzerwald, die bereit ist, ein solches Forschungsprojekt zu finanzieren, möchte jedenfalls sicherstellen, dass sie mit seriösen Ergebnissen rechnen kann. 

„Dornbirn plus“ als vierter Player

Neben dem Verein „Akurat“, der Gemeinde in Bezau und der Regio Bregenzerwald gibt es noch einen vierten „Player“, der sich augenblicklich um die Geschichte der Barockbaumeister kümmert: „Dornbirn plus“, das Büro, das die gescheiterte Bewerbung um die Kulturhauptstadt 2024 vorbereitete. Gemäß dem Auftrag der Städte Dornbirn, Hohenems und Feldkirch und der Regio Bregenzerwald kümmert sich „Dornbirn plus“ mittlerweile um jene Projekte, die im Lauf des Bewerbungsprozesses erarbeitet wurden und die trotz des Scheiterns der Bewerbung eine einigermaßen seriöse Aussicht auf eine Realisierung haben. „Europa, wir kommen trotzdem“ verkündet das Kulturhauptstadt-Bewerbungsbüro auf die selbst gestellten FAQ auf seiner Homepage. Zehn Projekte, die ursprünglich für 2024 vorgesehen waren, sind weiterhin in Arbeit, vier davon mit Hoffnung auf eine größere EU-Förderung.
Und zu diesen Projekten gehören eben auch die Barockbaumeister: Projektmanager Jürgen Weishäupl, der schon das Programm für die Kulturhauptstadt mitentwickelte, arbeitet zur Zeit an einem Antrag für ein EU-Förderprojekt, mit dessen Hilfe eine Vermittlung und vor allem Visualisierung ausgewählter Werke der Barockbaumeister möglich werden soll – ein Projekt, das auch schon in der Bewerbungsschrift für 2024, dem „Bidbook“, vorgestellt wurde. Das Ziel ist, dass man auch in Au oder Bezau oder im vorarlberg museum die prächtige Basilika Weingarten, die verspielte Klosterbibliothek von St. Peter oder das Bildprogramm in der Kirche von Einsiedeln mittels VR-Brille erleben kann, ohne dorthin reisen zu müssen. Außerdem versteht sich „Dornbirn plus“ auch als Koordinationsstelle, die die verschiedenen Akteure an einen Tisch bringt – ein Selbstverständnis, das nicht überall gewürdigt wird: „Die springen eher auf einen bereits fahrenden Zug auf als ihn zum Fahren zu bringen“, kommentiert einer, der schon länger mit dem Thema befasst ist.

Entscheidung über die Zukunft von „Dornbirn plus“ Ende Mai

Außerdem herrscht im Bregenzerwald eine gehörige Portion Skepsis, wenn von Millionenförderungen durch die EU die Rede ist – schließlich hat man bei der gescheiterten Bewerbung um das UNESCO-Weltkulturerbe teure Erfahrungen mit solchen Prozessen gemacht. Bei „Dornbirn plus“ will man jedenfalls in den nächsten Wochen ein Konzept erstellen, aus dem hervorgeht, welche der Projekte und Erkenntnisse aus dem 2024-Prozess effizient umgesetzt werden könnten und welche Voraussetzungen dazu nötig sind. Ende Mai wird sich dann entscheiden, ob das Büro weiterarbeiten kann – und vor allem, wie es zukünftig finanziert werden soll. Vielleicht findet dann auch noch eine Diskussion darüber statt, welche Fehler bei der Bewerbung gemacht wurden und wie man mit der kritischen Analyse der Kulturhauptstadt-Jury an den Dornbirner Bewerbungsunterlagen umgeht.

Markus Barnay ist Redakteur des ORF-Landesstudios Vorarlberg

Dieser Artikel ist bereits in unserer aktuellen Print-Ausgabe erschienen (Mai 2020, S. 47-49)

Unter der Rubrik „#weact Outburst of Culture“ präsentiert das Büro von „Dornbirn plus“ digitale Aktivitäten der Kunst- und Kulturszene Vorarlbergs auf seiner Homepage www.dornbirnplus.eu. Der Verein Akurat ist online noch nicht präsent. Der Termin für den „Tag der offenen Baustelle“ wird kurzfristig bekannt gegeben.