Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Dagmar Ullmann-Bautz · 20. Aug 2010 · Theater

„Ein Königreich für eine Pfütze Öl!“

Mit großem Applaus bedankte sich am gestrigen Donnerstag das Bregenzer Publikum beim Ensemble des Deutschen Theaters Berlin, insbesondere bei den Schauspielerinnen Nina Hoss und Margit Bendokat. Im Rahmen der Bregenzer Festspiele gastierte die Berliner Bühne mit der österreichischen Uraufführung des Stückes „Öl“ von Lukas Bärfuss im Theater am Kornmarkt.

Der 1971 in der Schweiz geborene Lukas Bärfuss gehört zu den derzeit gefragtesten deutschsprachigen Theaterautoren. Preise wie der Mülheimer Dramatikerpreis oder der Anna-Seghers-Preis wurden ihm verliehen, seine Stücke in bis zu zwölf Sprachen übersetzt und weltweit gespielt. Mit seinem 2008 erschienenen ersten Roman „Hundert Tage“ punktete Bärfuss mit der Aufnahme in die Longlist zum Deutschen Buchpreis. Bärfuss war unter anderem Nachwuchsdramatiker des Jahres 2003 und Dramatiker des Jahres 2005.

Spannendes und emotionsgeladenes Theater

Im Jahr 2008 brachte das Vorarlberger Landestheater Lukas Bärfuss Stück „Die Probe“ zur Aufführung. Stephan Kimmig, Regisseur der gestrigen Produktion „Öl“, inszenierte bereits zwei Uraufführungen von Stücken des außergewöhnlichen jungen Autors.
Das Publikum erlebte zwei Stunden spannendes, wortgewaltiges und emotionsgeladenes Theater mit einem Stück, das von Gegensätzen lebt, inhaltlichen wie szenischen. Die Ausbeutung der Armen und Ärmsten dieser Welt durch die so genannten, eigentlich selbsternannten, Zivilisierten, wird vom Autor auf höchst kluge Weise erzählt - ein Psychodrama, mit feiner Feder gezeichnet.

Großartige Spielerinnen

Eva Kahmer, Frau des Abenteurers und Ölsuchers Herbert, begleitet ihren Gatten seit Jahren auf seinen Reisen, auf seiner hoffnungslosen Suche nach dem schwarzen Gold, dem großen Geld und Glück. Sie selbst verkommt ohne eigene Aufgabe, ohne Ziel,  in den fremden, oft weit abgelegenen, kleinen und armseligen Ortschaften.
Nina Hoss, eine der erfolgreichsten deutschen Schauspielerinnen unserer Tage, zeigte eine Eva Kahmer, die man nicht so schnell vergisst. Mit einer großartigen Vielschichtigkeit, hochexplosiver Dramatik und Emotion strampelt sie sich als Eva durch den eigenen inneren Sumpf, versucht nicht unterzugehen und gräbt sich gleichzeitig immer tiefer ein.
Margit Bendokat steht ihr in der Rolle der Haushälterin Gomua gegenüber und bietet mit ihrer stoischen Ruhe, ihrer Gelassenheit und Sicherheit einen idealen Gegenpart, an dem sich Eva aufbäumen und kratzen kann. Bendokat übernimmt die nicht immer einfache Aufgabe, die an Herz und Nieren gehende Dramatik des Stückes wiederholt ein wenig zu lockern und meistert diese mit Bravour. Mit kleinen, ganz bewusst gesetzten, Humorigkeiten erleichtert Regisseur Kimmig dem Publikum, der Geschichte zu folgen und diese auch anzunehmen.
Aber nicht nur Gomua fordert Eva heraus - ein Mädchen (Susanne Wolff) erscheint ihr mehrfach, spricht von Krieg, von Tod und Zerstörung. Es sind irritierende Augenblicke, denn weder Autor noch Regisseur lösen das Geheimnis dieser Figur auf. Es sind auch interessante Momente, da sie den Lauf der Geschichte anhalten, unterbrechen und das Spiel neu ordnen.

Der undankbare Part gehört den Männern

Die Begegnungen der Menschen in Bärfuss Stück sind brutal und bösartig. Herbert (Felix Goeser), gefangen in der Frustration seiner Erfolglosigkeit, quält alles was ihm in den Weg kommt -  seine Frau, seinen Kompagnon Edgar (Ingo Hülsmann), seine Untergebenen. Goeser und Hülsmann haben neben Hoss und Bendokat einen wahrlich undankbaren Part, verkörpern sie doch zwei wirkliche Antipathieträger. Herbert kehrt alle paar Tage von weiteren, fehlgeschlagenen Bohrungen zurück und  reagiert sich an seiner Frau ab. Edgar behauptet Eva zu lieben, will mit ihr abhauen und erliegt doch immer wieder der Verheißung des großen Geldes.
Diese Zustände absoluter Tristesse werden vom Bühnenbild vielleicht auf eine ein wenig zu simple, zu plakative Weise unterstützt. Katja Haß baute einen öden Bunker, vermittelt die innere und äußere Enge durch einen schmalen Zugang, die Zerstörung der inneren Welt, der Seele, wie auch der äußeren durch heruntergerissene Tapeten.
Regie-Phänomen Stephan Kimmig lässt sich nur schwer einordnen, Vielseitigkeit ist seine große Stärke. Mit der Inszenierung von „Öl“ zeigt er eine feine Hand für menschliche Nöte ohne den großen Zusammenhang zu vergessen.