Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Gunnar Landsgesell · 27. Jän 2023 · Film

The Son

„The Son" erzählt von der schweren Depression seiner jugendlichen Hauptfigur Nicholas (Zen McGrath), gegen die kein Mittel zu wirken scheint. Was wie ein wendungsreiches Familiendrama mit Laura Dern, Hugh Jackman und Vanessa Kirby als Ex- und Neo-Eheleute beginnt, wirkt am Ende erratisch: wie die Studie eines programmierten Niedergangs.

Als Kate (Laura Dern) aufgelöst vor der Wohnungstür ihres Ex-Mannes Peter (Hugh Jackman) steht, hat das einen guten Grund: Ihr gemeinsamer Sohn Nicholas (Zen McGrath) macht ihr Angst. Er teilt sich nicht mehr mit, hat die Schule seit Wochen nicht mehr besucht. Ein Gefühl von Ohnmacht liegt in der Luft. Nun soll Peter übernehmen. Dem ambitionierten Anwalt kommt das zwar nicht gelegen – er hat eine neue Freundin (Vanessa Kirby), einen gerade geborenen Sohn und Pläne, in die Politik zu gehen – aber er sagt zu. Er fühlt sich verpflichtet, Verantwortung zu übernehmen. Schließlich war er es, der die Familie damals verlassen hatte. Mit wenigen Federstrichen steckt man damit schon viel tiefer in Florian Zellers Familiendrama, als einem lieb ist. Ungeschoren lässt der Film einen auch nicht gehen.

Tief in der Psychokiste  

„The Son“ ist nach dem Oscar-Film „The Father“ (mit Anthony Hopkins in der Hauptrolle) ein ziemlich hartes Stück Arbeit. Nicht weil die Inszenierung so spröde wäre, sondern im Gegenteil, weil sie einen durch eine psychologisch raffiniert angelegte Knochenmühle dreht. Mit Nicholas begegnet man einem Jugendlichen, der schlicht lebensmüde zu sein scheint. Die Begründung der Eltern, es läge an der Schule, oder einfach an der Introvertiertheit ihres Sohnes, wirkt vorgeschoben. Offenbar plagen sie Schuldgefühle wegen ihrer Trennung. Stetig trägt Nicholas nun auch seine inneren Spannungen in Peters neue Beziehung und Arbeit hinein. Zeller kontrolliert die Gefühle seines Publikums geschickt durch sich häufende Konflikte, die den Himmel selbst über den wenigen heiteren Szenen verdunkeln. Die unverhohlene (Auto-)Aggression von Nicholas und die leerlaufenden Energien seines Vaters Peter führen direkt in eine Eskalation. Weitere folgen. Zu diesem Zeitpunkt haben sich bereits etliche Sicherheiten (des Zuschauers) aufgelöst. Etwa jene, dass ein erfolgreicher Vater einer angeblich weniger erfolgreichen Mutter zeigen kann, wie man einen pubertierenden Sohn zur Vernunft bringt. Zeller selbst ist aus gutem Grund an keiner echten Deeskalation bemüht. „The Son“ erzählt auf äußerst konsequente Weise von einer schweren Depression, um die sich die familiären Verwerfungen letztlich nur wie eine zarte Hülle wickeln. Auch wenn sich im delikaten Dreiecksverhältnis zwischen Dern, Jackman und Kirby die Sympathien beständig verändern, ist „The Son“ nur bedingt als Familiendrama zu verstehen. Daran ändert auch eine kurze, überdeutlich angelegte Szene nichts, in der Peter seinen eigenen Vater – Anthony Hopkins als eiskalte Vaterfigur – trifft. Wie ein schwarzes Loch, das alle Energie verschluckt, steht Nicholas immer im Zentrum der Handlung. Zeller beweist dabei erzählerische Konsequenz, dringt immer näher zur rätselhaften Selbstzurichtung des Jugendlichen vor, lässt sein Publikum dabei kaum noch aus dem Griff. Das ist gleichermaßen die Stärke wie auch die Schwäche seiner Inszenierung. Selten hat man eine jugendliche Figur im rezenten Kino erlebt, die derart isoliert und verloren dasteht. Zugleich schwinden aber auch alle Zwischentöne, die der Film noch aufbieten möchte, es legt sich eine bedrückende Atmosphäre über sämtliche Bilder, die fast nur noch vom großen Niedergang erzählen. Insofern ist „The Son" sehr effektiv, am Ende ist man geschafft.