Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Walter Gasperi · 26. Jän 2023 · Film

Aktuell in den Filmclubs (27.1. - 2.2. 2023)

Im Skino Schaan gibt es diese Woche nochmals die betörend schöne indonesische Emanzipationsgeschichte „Before, Now & Then" zu sehen". Am Spielboden Dornbirn steht dagegen ein weiteres Mal der ebenso informative wie spannende Dokumentarfilm „Elfriede Jelinek – Die Sprache von der Leine lassen" auf dem Programm.

Before, Now & Then: In betörend schönen Bildern und ruhigem Erzähltempo erzählt Kamila Andini von der langsamen Emanzipation einer Frau im Indonesien der 1960er Jahre. Die Pre-Title-Sequenz führt aber weitere15 Jahre zurück und zeigt Nana mit ihrem Baby und ihrer Schwester auf der Flucht durch den Dschungel. Ihr Vater wurde getötet und Nanas Mann verschleppt. In einem Traumbild sieht Nana diesen schemenhaft, doch schon beklagt sie das langsame Verschwinden der Erinnerung.
Mit dem Insert des Titels überspringt der Film 15 Jahre und versetzt ins Indonesien der 1960er Jahre. Nana hat einen reichen und älteren Großgrundbesitzer geheiratet und wohnt mit diesem und ihren drei Kindern in einer luxuriösen Villa. Vom Personal lässt sie sich frisieren oder die Füße massieren, doch in Alpträumen holt sie immer wieder die Erinnerung an ihren Ex-Mann ein.
In der aufgeräumten Villa wirkt sie fast ebenso wie die penibel aufgestellten Blumenvasen oder die Möbel wie ein Accessoire ohne eigenes Leben. Auch die ruhigen, vielfach statischen Einstellungen betonen diese Erstarrung. Freundlich ist zwar der Umgang mit ihrem Mann, aber Liebe scheint es keine zu geben. Erst im Kontakt ausgerechnet mit der Geliebten ihres Mannes wird Nana sich der Verdrängung ihres eigenen Ichs und ihrer Lebenslüge bewusst und befreit sich langsam aus dem gesellschaftlichen Korsett. 
Mit großer Stilsicherheit hat Kamila Andini diese Emanzipationsgeschichte inszeniert. Die betörend schönen, immer wieder von tiefer Melancholie und Sehnsucht durchzogenen Bilder haben zurecht schon mehrfach zum Vergleich mit Wong Kar-Wais „In the Mood for Love" geführt. Wie Wong setzt auch Andini aufs Atmosphärische. Langsam schleichen sich so über die Bildsprache und das zurückhaltende, aber gleichzeitig intensive Spiel von Happy Salma die Emotionen ein, haken sich dann aber beim Publikum fest und lassen „Before, Now & Then", der im Titel auch den Bogen von der Vergangenheit über die Gegenwart bis in die Zukunft schlägt, durch seine formale Geschlossenheit nachwirken.
Skino Schaan: Mo 30.1., 18 Uhr

Elfriede Jelinek – Die Sprache von der Leine lassen: Ausgehend von der Verleihung des Nobelpreises für Literatur im Jahr 2004 blickt Claudia Müller auf das Leben der 1946 im steirischen Mürzzuschlag geborenen Elfriede Jelinek zurück und zeichnet mit einer Fülle an Archivmaterial und ausführlichen Textzitaten Leben und Schaffen nach. Der Bogen spannt sich vom disparaten Elternhaus mit sozialistisch-jüdischem Vater und streng katholischer Mutter über die Überforderung durch die Mutter und die Hinwendung Jelineks zur Literatur bis zur zunehmend heftigeren Kritik an der österreichischen NS-Verdrängung.
Während die Interviewpassagen zur Kindheit mit der fordernden Mutter mit Textpassagen aus „Die Klavierspielerin" und schwarzweißen Kindheitsfotos kombiniert werden, sind den Texten zum wuchernden Tourismus und zum Ausverkauf der Natur neue Bilder von Kamerafrau Christine A. Meier, aber auch vom Après-Ski-Treiben in Ischgl unterlegt. Ein assoziativer Fluss ergibt sich so, bei dem die Bilder teilweise die Texte Jelineks illustrieren und verdeutlichen. Auf naheliegende Ausschnitte aus Verfilmungen ihrer Bücher verzichtet Müller. Einblick in ihr dramatisches Schaffen bieten dafür Szenen aus der Burgtheater-Aufführung von „Ein Sportstück".
Eindrücklich beschwört Müller mit den zahlreichen Textpassagen, die unter anderem von den Schauspielerinnen Sophie Rois, Sandra Hüller und Stefanie Reinsperger gelesen werden, die Sprachgewalt der Autorin. Gleichzeitig weckt der facettenreiche und trotz der Fülle des Archivmaterials nie überladene Film damit auch Lust auf die Werke der großen und in ihrem Heimatland so angefeindeten Autorin, dass sie sich nach den kritischen Stimmen nach der Nobelpreisverleihung vom öffentlichen Leben zurückzog. Dass sie gleichwohl weiterhin schriftstellerisch unglaublich produktiv blieb, belegt die Liste der Werke, die im Nachspann für die Zeit nach 2004 aufgelistet werden.
Spielboden Dornbirn: Di 31.1., 19.30 Uhr

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