Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Peter Füssl · 29. Mär 2009 · Tanz

Traumhaft TänzerInnen – aber wirklich überzeugend war nur der Zimt

Das Balé da Cidade de São Paulo eröffnete am Samstagabend im ausverkauften Festspielhaus den Bregenzer Frühling 2009. Der Abend setzte sich aus drei jeweils ca. 20 Minuten langen Tanzstücken zusammen – am Ende ihrer Darbietungen wurde die größte Compagnie Südamerikas mit frenetischem Applaus gefeiert.

 

Tanzen im Kopf

Zum Entstehungsprozess von „Dicotomia“, dem ersten Stück des Abends, gibt Choreograph Luiz Fernando Bongiovanni sehr aufschlussreiche Erläuterungen. Er habe sich im dritten Jahr seines Philosophie-Studiums an der Universität von São Paulo sehr ausführlich mit Aristoteles vertraut gemacht und sich gewisse Aspekte seiner Philosophie für den Gebrauch im Tanz herausgesucht. Vor allem die Frage der Dichotomie habe ihn sehr beschäftigt, dass eben etwas nicht zur gleichen Zeit sein und nicht sein kann – auf den Tanz angewendet: man kann nicht zur selben Zeit in Bewegung sein und stillstehen.
Vom Prinzip der Dichtotomie ausgehend entdeckte Bongiovanni schließlich auch das Pendant dazu und er schuf ausgehend von einer Serie an Gegensatzpaaren diese Choreographie, die in einem äußerst sparsamen, konstruktivistischen Bühnenbild zu den elektronischen Klängen von Man Bap genauestens durchstrukturiert über die Bühne ging. Trotz starker Momente und witziger Einfälle stellte sich letztlich die Frage, ob der philosophische Überbau dem Tanz wirklich dienlich war, oder ob nicht doch etwas zu verkopft an die Sache herangegangen wurde.

Feiner Zimt steigert nicht nur die Lebensfreude

Vom katalanischen Shooting-Star Cayetano Soto stammt die Choreographie zu „Canela Fina“, dem Glanzstück des Abends. Zu den grandiosen postminimalistischen Klängen von „Weather 1“ des in New York lebenden Komponisten Michael Gordon, der viel für das Kronos Quartet und das Ensemble Modern geschrieben hat, aber auch über reichlich Erfahrung mit Ballettmusik verfügt, wirbeln die TänzerInnen entfesselt über die Bühne, eingehüllt in Zimtschwaden. Denn der Bühnenboden ist mit einer dicken Schicht Zimt (oder zumindest etwas, das wie Zimt aussieht) bestreut, der immer mal wieder durch eine Bewegung aufgewirbelt wird und der gleichzeitig wie ein Malgrund die Spuren des Tanzes festhält. Die ganze Bühne, alle Akteure, das Licht – alles ist zimtfarben. Zimt dient aber nicht nur als Gewürz, sondern auch von Alters her als Heilmittel und als Aphrodisiakum – Soto kommt es vor allem aber auch auf den Staubcharakter des Zimts an, im Sinne des biblischen „Denn Staub bist Du und zum Staub musst Du wieder zurück“ (aus dem ersten Buch Mose). So wird „Canela Fina“ nicht nur dem spanischen Sprichwort vom „feinen Zimt“ mit dem man den „guten Geschmack“ beweist und den erotischen Implikationen gerecht, sondern letztlich zu einer Metapher der menschlichen Existenz.

Perkussives Feuerwerk

Das von Itzik Galili choreographierte „A Linha Curva“ lebte vor allem von zwei nichttänzerischen Komponenten: der genialen Perkussionsarbeit des holländischen Quartetts „Percossa“ und den ebenfalls von Galili entworfenen Lichteffekten. 28 Akteure tanzen zu den treibenden Rhythmen, geleitet von sich ständig bewegenden, verschiedenenfarbigen Lichtquadraten und –streifen. Die von afrikanischen Stammestänzen inspirierten Tanzschritte faszinierten durch ihren archaischen Anstrich und die Tänzer verblüfften mit akrobatischen Einlagen, manchmal hätte man sich aber auch ein bisschen mehr südamerikanische Leichtigkeit gewünscht. Der Großteil des Publikums (vielleicht waren ja so viele brasilianische „Schlachtenbummler“ im Saal?) zeigte sich aber ohnehin höchst begeistert und der Abend endete mit stehenden Ovationen – wenngleich „Bregenzer Frühling“-Kenner schon weit Aufregenderes in der Geschichte dieses bemerkenswerten Festival gesehen haben.

 

Nächste Veranstaltung beim "Bregenzer Frühling":
Freitag: 17.4., 20 Uhr: Akademie für Alte Musik Berlin, "4 Elemente - 4 Jahreszeiten"

www.bregenzerfruehling.at