Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Liberata M · 15. Apr 2022 · Tanz

OnStage - ein Querschnitt der Vorarlberger Tanzszene

Am Mittwoch, den 13. April präsentierte OnStage einen Querschnitt der Vorarlberger Tanzszene. Vier von einer Jury ausgewählte Kurzstücke wurden an zwei verschiedenen Orten in Feldkirch aufgeführt.

«Telefonzellen»

Den Anfang machten Cie. Bewegungsmelder am Domplatz mit «Telefonzellen». Bekannt für ihre ungewöhnlichen Spielorte im öffentlichen Raum, wählte die Kompagnie dieses Mal die letzte funktionstüchtige Telefonzelle im Feldircher Stadtgebiet. Noch einmal werden Unentschlossenheit vor dem Betreten der Zelle, Glücksmomente und ungeduldiges Warten, bis die Vorgänger:in endlich den Hörer aufhängt, an diesem allmählich verschwindenden Ort wiederbelebt. Für das zeitweise Gedränge und Getummle erfinden die Tänzer:innen Formen des Paartanzes mit platzsparenden Figuren, gefrieren dann wieder Bewegungen ein, agieren rein pantomimisch oder singen ein Ständchen. Auch für witzige Aktionen bietet die Telefonzelle Raum: so wird der Telefonhörer kurzerhand in einen Duschkopf umfunktioniert. Da fehlt nur mehr die spontane Intervention einer Passant:in, die einen dringenden Anruf oder gar Notruf tätigen sollte.
Die folgenden Stücke gehen dann im Alten Hallenbad über die Bühne.

«Shared Spaces»

Otros amores mit Claudia Grava stellt nicht den Paartanz, in dem normalerweise der Mann führt, sondern die Frau in den Mittelpunkt des Tango argentino. «Shared Spaces» wirft einen Blick auf Rollenbilder und spielt mit dem Fetischcharakter weiblicher Tangoschuhe.
Auf der Bühne stehen ein Tisch, ein Stuhl und ein Cello. Zwei Frauen im kleinen Schwarzen bewegen sich auf sehr hohen Schuhen langsam auf eine große Leinwand zu, vor der sie wie Scherenschnitte aussehen. Zum Auftakt erklingt ein Bandoneon aus dem geteilten Raum, dem live zugeschalteten Argentinien. Als das Licht angeht, entpuppen sich die Schuhe, um die sich vieles im Stück drehen wird und die am Ende doch zu Boden fliegen, als knallrot.
Dann beginnt Claudia Grava alleine über die Bühne zu tanzen, bricht immer wieder zusammen, scheint nicht genügend Halt am Boden zu finden. Der Tisch fungiert dabei als Tanzpartner oder Stütze. Ihre Tanzschritte werden manchmal von Bewegungen unterbrochen, die an eine Marionette oder Puppe erinnern. Nur einmal posiert sie und stellt sich für einen Augenblick wie ein Model zur Schau, als die helle (!) Haarpracht einer der beiden argentinischen Tänzerinnen die Leinwand komplett füllt. Spätestens an der Stelle verfliegt die ursprüngliche Skepsis gegenüber dem Konzept der Livezuschaltung. Im Online-Tanz fallen die drei Frauen aus der Rolle oder dem Gleichklang, knicken ständig um, variieren, ja zelebrieren regelrecht das Umknicken, werfen die Schuhe von sich, die dennoch als Großaufnahme bleiben. Was wäre der Tango argentino ohne diese extrem hohen Schuhe auf sehr dünnen Absätzen, mit denen so manche Trägerin zwar tanzen, aber nicht richtig gehen kann!?
Das Wort Freiheit, am Anfang der Produktion gefallen, durchweht am Ende einen Ausdruckstanz, der - begleitet vom Pizzicato der Cellospielerin - in einen freien und v.a. barfüßigen Tanz übergeht, der ziemlich befreit wirkt.
Ob mit oder ohne Schuhe - Claudia Grava tanzt leichtfüßig und sehr ausdrucksstark durch das ganze Stück und hält sich vorgeschriebene Rollen erfolgreich vom Leibe.

«Fluid Bodies» 

In «Fluid Bodies», einer Performance mit Tanz, Musik und Photographie von Eva-Maria Kraft, Momo Beck und Rupert Huber bricht eine befruchtete Eizelle auf. Vom Beckenrand ins ehemalige Schwimmbecken des Alten Hallenbades.
Anfänglich noch ungelenk, zusehends geschmeidiger und immer schwerelos wie es ja dem fluiden Medium entspricht, in dem sich ein Embryo bewegt. Da entdeckt und wiederholt ein Wesen staunend kleine reduzierte Bewegungsmuster, die sich zu größeren Abläufen auswachsen. In diesen allerersten Wochen wird es von Klaviertönen und einer Photographin begleitet. Deren Porträts flankieren - zeitversetzt auf zwei kleinere Leinwände projiziert - die Tänzerin. Mit der Zeit gerät man selbst in einen leicht tranceartigen Zustand.
Am Ende steht Eva-Maria Kraft mit ganz offenen Augen in der Mitte, rührt sich kaum mehr vom Fleck, bis sie ganz stillsteht. Die Farbe des Wasser scheint auf ihre Gymnastikhose abgefärbt zu haben.

«Spielraum»

Den Abschluss des Abends bildet die junge Szene mit dem Stück «Spielraum» von proceed!. Die sechs Tänzer:innen in Straßenkleidung und Turnschuhen bewegen sich dabei an der Grenze zwischen zeitgenössischem Tanz und Urban.
Die längste Zeit wiegen sich zwei Tänzer:innen in perfekter Synchronie einfach hin und her. Auf einem Klangteppich aus Wind- und Glockenspiel, einem Rascheln von Blättern. Nach und nach gesellen sich weitere hinzu, treten in einen spielerischen Austausch miteinander, indem sie den Anstoß zu diversen Figuren geben. Am Schluss lösen sich alle Tänzer:innen einzeln aus der Gruppe und geben noch ein Solo zum Besten. Darunter sind Moves und Drehungen auf den Händen, wie man sie vom Breakdance kennt.
Das Publikum des gut besuchten Events spendete viel Applaus.