Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Gunnar Landsgesell · 15. Apr 2022 · Film

Alles ist gut gegangen

Ein ehemaliger Kunsthändler, der seine Töchter schon früher terrorisierte, verlangt von ihnen nun, dass sie Sterbehilfe für ihn organisieren. Sophie Marceau wird dabei in einen Gefühlsreigen zwischen Verzweiflung und Heiterkeit gerissen. So wie auch das Publikum.

Als Kind war er schon richtig mies zu ihr. Als Emmanuèle (Sophie Marceau) es während einer Fahrt mit ihrem Vater gerade noch schaffte, aus dem Auto zu springen, weil sie plötzlich kotzen musste, meinte er spöttisch: Na, da waren die Augen wieder größer als der Mund". Oder zu Hause, wo er vor seiner Tochter theatralisch zu weinen beginnt und sagt, wenn er nur eine Knarre hätte, würde er sich das Gehirn wegblasen. Wie Francois Ozon das Thema seines neuen Films bearbeitet, hat, so wie auch der Titel, eine durchaus schalkhafte Seite. Für den Zuseher wirkt sich das auf unerhörte Weise befreiend aus. Sterbehilfe wurde bereits mehrfach filmisch bearbeitet, diesmal aber ohne bleierne Schwere. Wie das geht, das weiß Ozon. „Alles ist gut gegangen“ schiebt einen Mann für seinen letzten Auftritt auf die Bühne, das hat er selbst so entschieden. Obwohl André (André Dussollier), ein ehemaliger Kunsthändler, sich nach seinem Schlaganfall und halbseitiger Lähmung zügig erholt, drangsaliert er seine zwei Töchter, alles für einen geplanten Abgang in die Wege zu leiten. Das zwiespältige Verhältnis speziell zwischen Emmanuèle und André wird Ozon dabei zum Motor für eine emotionale Berg- und Talfahrt, bei der der Humor mal aus der Verzweiflung der Tochter, mal aus dem unverblümten Sarkasmus des Vaters entspringt. Immer wieder lässt einen die Inszenierung zweifeln, ob es sich hier um eine Laune dieses seltsamen Patienten handelt oder um eine von Francois Ozon selbst.

Irritierende Heiterkeit

Dussollier jedenfalls spielt den Alten, der seinen angekündigten Tod auch mal verschiebt, weil er sich noch ein Konzert seines Enkels anhören will, mit der enervierenden Kraft eines Mannes, der offenbar schon immer im Leben gewusst hat, wie er seine Umgebung auf Trab hält. So wird das Krankenbett zu einer letzten Rolle, in der die Töchter allerdings zur Publikumsbeteiligung angehalten werden. Dass hier nicht die gebotenen Grenzen dieses Themas überschritten werden, zeigt, welch ein sensibler und aufgeweckter Dramaturg Ozon ist. Tragikomisch, manchmal an der Grenze zur Farce, werden die dringlichen Fragen und unvermeidlichen Gefühlszustände so einer Situation verhandelt, um dennoch immer am Punkt zu bleiben. Etwas, was die auch bei uns aufgekommene gesellschaftliche Diskussion zur Sterbehilfe betrifft, und die vor Kurzem erfolgte gesetzliche Entkriminalisierung von Menschen, die andere bei diesem Weg begleiten. Vor allem gehört Ozons Inszenierung aber Marceau und Dussollier, während Geraldine Pailhas als zweite Schwester, Hanna Schygulla als Sterbebegleiterin in der Schweiz und eine kraftlose Charlotte Rampling als bereits demenzerkrankte Mutter als Randfiguren erscheinen lassen. Die besondere Tonalität des Films bzw. Intimität der zwei Hauptfiguren dürfte aber auch daher rühren, dass Ozon sich das Thema Sterbehilfe gar nicht als Stoff ausgesucht hat. Der Film entstand als Verfilmung des gleichnamigen Buches von Emmanuèle Bernheim, einer Freundin Ozons, mit der er über viele Jahre gemeinsam Drehbücher für seine Filme verfasst hat. Bernheim beschreibt im Buch ihre eigene Geschichte über ihr eigentümliches Verhältnis zu ihrem Vater und dessen letzten Wunsch. Bernheim selbst ist vor fünf Jahren an Lungenkrebs gestorben. Zumindest bei Ozon wird der Stoff zur Ansichtssache, wie man mit schwierigen Situationen (filmisch) umgeht. Eine lyrische Tour de force mit einem blubbernden Rhythmus, der ein nahes Ende nicht verkündet.