Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Walter Gasperi · 14. Apr 2022 · Film

Aktuell in den Filmclubs (15.4. - 21.4. 2022)

Das TaSKino Feldkirch zeigt diese Woche Ryusuke Hamaguchis Oscar-Sieger „Drive My Car". Im Alten Kino Rankweil steht mit „Platzspitzbaby" ein bewegendes Drama über eine Kindheit mit einer drogensüchtigen Mutter auf dem Programm.

Drive My Car: Der Theaterregisseur Yusuke, der den Tod seiner Frau immer noch nicht überwunden hat, inszeniert in Hiroshima für ein Festival mit Schauspieler:innen, die unterschiedliche Sprachen sprechen, Tschechows „Onkel Wanja". Von seinem Hotel zu den Proben fährt ihn täglich eine junge Frau in seinem leuchtend roten Saab. Lange bleibt dabei jeder von beiden in seiner Welt und es entwickelt sich kaum ein Gespräch.
Nichts Spektakuläres passiert im Grunde, doch mit dem perfekt kontrollierten Erzählrhythmus und großartigen Schauspieler:innen hält Ryusuke Hamaguchi in seinem mit dem Oscar als bester internationaler Film ausgezeichneten Meisterwerk die Spannung mühelos über fast drei Stunden aufrecht, steigert sie sogar sukzessive. Zur berückenden, aber nie aufdringlichen Schönheit, die dieser Film auch in seinem genau getimten Wechsel von Nahaufnahmen im Auto oder bei den Proben und Totalen der Stadt entwickelt, kommt, dass der 42-jährige Japaner immer tiefer in die zunächst verschlossenen Charaktere eindringt, Schicht für Schicht ihre Traumata und Kümmernisse aufdeckt.
Brillant korrespondiert dabei die Filmhandlung mit Tschechows „Onkel Wanja". Wenn es in einer mehrfach wiederholten Szene des Stückes heißt: „Und im Jenseits werden wir sagen, dass wir gelitten haben, dass wir geweint haben und dass unser Leben schwer war", trifft dies nämlich auch auf Yusuke, seine Fahrerin und die Ehe des Dolmetschers des Theaters zu.
So kommt schließlich auch zwischen Yusuke und seiner Fahrerin etwas in Bewegung. Nicht mehr das „Onkel Wanja"-Band wird auf der Fahrt abgespielt, sondern ein Dialog entwickelt sich, in dem auch die zunächst wortlose Fahrerin Einblick in ihre schwere Kindheit bietet. Und mit der Fahrerin beginnt sich auch Yusuke zu öffnen und über sich zu erzählen.
TaSKino Feldkirch im Kino Rio: Di 19.4. + Do 21.4. + Fr 22.4. – jeweils 20 Uhr

Platzspitzbaby:  Wie das Schweizer Gegenstück zum österreichischen Spielfilm „Die beste aller Welten“ wirkt Pierre Monnards „Platzspitzbaby". Während der Salzburger Adrian Goiginger aber seine eigene Kindheit mit einer drogensüchtigen Mutter verarbeitete, orientiert sich Monnards Film am Schicksal der Autorin Michelle Halbheer, die mit ihrem 2013 erschienenen autobiographischen Roman „Platzspitzbaby – Meine Mutter, ihre Drogen und ich" allen anderen „vergessenen Kindern“ eine Stimme geben wollte. Dem dokumentarischen Gestus und der eher losen Dramaturgie bei Goiginger steht so bei Monnard ein klarer strukturiertes Drehbuch gegenüber.
Mit nah geführter Handkamera zieht Monnard von Anfang an in die Erfahrungswelt der elfjährigen Mia (Luna Mwezi) hinein und schildert dicht dieses Coming-of-Age in der Drogenwelt. Das großartige Spiel der zwölfjährigen Luna Mwezi macht intensiv nicht nur ihre Liebe zur Mutter erfahrbar, sondern auch ihre zunehmende Verzweiflung, da sie deren wiederholten Rückfall in die Sucht nicht verhindern kann.
Geerdet ist diese intensiv gespielte und realistische Schilderung einer Kindheit, der im Grunde alles fehlt, was zu einer Kindheit gehört, in der atmosphärisch dichten Schilderung des Milieus. Eindrücklich fängt Monnard durch Kamera und Ausstattung die katastrophalen Wohnverhältnisse ein und das Publikum wird bei den Abstürzen der Mutter in die Sucht nicht geschont. Mit großem Körpereinsatz spielt Sarah Spale diese Sandrine und macht sichtbar, welche körperlichen Spuren der Drogenkonsum bei ihr hinterlassen haben. Im Mittelpunkt steht aber auch dabei nicht die Sucht der Mutter, sondern Mia und ihr Blick auf diese dunklen Seiten des Lebens, für die sie im Grunde viel zu jung ist.
Altes Kino Rankweil: Di 19.4., 20 Uhr


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