Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Annette Raschner · 28. Okt 2017 · Tanz

„MORE“ verlangt nach Mehr! - Die Uraufführung von Silvia Salzmanns Solo in der alten Seifenfabrik

In der alten Seifenfabrik in Lauterach fand am Freitagabend die Uraufführung von Silvia Salzmanns Solo „MORE“ statt. Für die Kurzform des interdisziplinären Tanzstücks war die zeitgenössische Choreografin und Tänzerin vor einem Jahr mit dem mit 10.000 Euro dotierten Vorarlberger Kulturpreis ausgezeichnet worden. Für die Erarbeitung der Langform mit Videostills, Texteinspielungen und Musik ist die 30-jährige Bregenzerin noch einmal „an den Start gegangen“, um gemeinsam mit Sarah Mistura, Mirjam Steinbock, Florian Koller, Markus Rainer und Manuel Schäfler über uns „Immer-mehr-Menschen“ intensiv zu reflektieren, zu recherchieren, zu diskutieren und spannende Bilder und Bewegungen zu kreieren. Fazit: Der Prozess hat sich bewährt!

Abgehackt fallen die ersten Bewegungen zu Bachs Goldberg-Variationen aus. Der Mensch, ferngesteuert im Alltag. Mit ihrem weißen Baumwollhemd und den Händen hinter dem Rücken verschränkt, erinnert Silvia Salzmann an jemanden in einer Zwangsjacke, dann übertönen Morsezeichen die sanften Klänge, „der Panther“ befindet sich kurz vor dem Ausbruch aus seinem Gefängnis. Im nächsten Bild ist Silvia Salzmann unbekleidet; Zusammengekauert auf der Bühne und im dazu laufenden Video – letzten Endes bleibt der Mensch stets auf sich selbst zurückgeworfen: schutzlos und eben nackt! Konsum mag für kurze Zeit die Einsamkeit vergessen machen. More, more, more lautet die Diktion, und es kommen auch immer mehr Gegenstände auf die Bühne, alle in Weiß: Zuckerwatte, Popcorn, Schlagsahne, Sektflaschen und Gläser; dazu ein Tisch, ein paar Stühle – natürlich aus Plastik.

Silvia Salzmann hat jede ihrer Bewegungen einstudiert. Alles wurde akribisch durchchoreografiert, kein Schritt, keine Geste ist improvisiert. Die Bewegungssprache der gebürtigen Bregenzerin ist beeindruckend. Silvia Salzmann holt in „MORE“ alles aus ihrem Körper heraus und geht an dessen Grenzen. Gleichzeitig ist MORE aber viel mehr als ein Tanzstück, die 30-jährige Tänzerin und Choreografin erweist sich in der knapp einstündigen Produktion auch als hervorragende Schauspielerin. Mit Witz, Poesie und großer Experimentierfreude werden in starken Bildern übersteigertes Konsumverhalten - Fresssucht, Kaufwahn -, aber auch das komplexe Spannungsverhältnis zwischen individueller Glückssuche und persönlichem Werteempfinden aufgezeigt. Großen Anteil am beeindruckenden Endergebnis haben die wunderschönen Videostills von Sarah Mistura, die Texte von Mirjam Steinbock, die Musik von Florian Koller und Markus Rainer, sowie die Ausstattung von Manuel Schäfler, ganz in Weiß!

Weitere Aufführungen von „MORE“:

28. Oktober, Alte Seifenfabrik Lauterach
11. November St. Margrethen
26./27. November Wien