Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Peter Füssl · 04. Mai 2014 · Tanz

Kreativer Jungbrunnen mit frischen Ideen – Das Nederlands Dans Theater 2 begeisterte mit vier sehr unterschiedlichen Choreographien beim „Bregenzer Frühling“

Der legendäre Choreograph und Langzeit-Leiter des Nederlands Dans Theater Jiří Kylián gründete vor mittlerweile auch schon 35 Jahren das Nederlands Dans Theater 2, einen kreativen Jungbrunnen für die renommierte Compagnie, in dem sich die größten, handverlesenen Talente der jeweiligen Generation treffen. Drei Jahre lang haben diese dann Zeit, sich unter hervorragenden Bedingungen weiterzuentwickeln und ihre grandiosen Anlagen zu vervollkommnen, um den Sprung ins NDT 1 zu schaffen. Kein Wunder also, dass die 16 Tänzerinnen und Tänzer zwischen 17 und 23 Jahren im ausverkauften Bregenzer Festspielhaus über weite Strecken sowohl mit herausragenden Leistungen als auch mit Witz und unverbrauchter Frische begeisterten.

Der legendäre Choreograph und Langzeit-Leiter des Nederlands Dans Theater Jiri Kylián gründete vor mittlerweile auch schon 35 Jahren das Nederlands Dans Theater 2, einen kreativen Jungbrunnen für die renommierte Compagnie, in dem sich die größten, handverlesenen Talente der jeweiligen Generation treffen. Drei Jahre lang haben diese dann Zeit, sich unter hervorragenden Bedingungen weiterzuentwickeln und ihre grandiosen Anlagen zu vervollkommnen, um den Sprung ins NDT 1 zu schaffen. Kein Wunder also, dass die 16 Tänzerinnen und Tänzer zwischen 17 und 23 Jahren im ausverkauften Bregenzer Festspielhaus über weite Strecken sowohl mit herausragenden Leistungen als auch mit Witz und unverbrauchter Frische begeisterten.

„B.R.I.S.A.“ – Laubbläser sorgen für frischen Wind im zeitgenössischen Tanz

Der Abend begann mit der erst vor zwei Monaten uraufgeführten Choreographie „B.R.I.S.A.“ des Schweden Johan Inger, dessen Karriere auch schon als Tänzer eng mit dem NDT verbunden war. Im ersten Teil lässt Inger die Tänzerinnen und Tänzer zu einer neuen Komposition des aus Israel stammenden ehemaligen NDT-Tänzers und Musikers Amos Ben-Tal eigentümliche Bilder der Einsamkeit und des Erwachens auf die Bühne bringen. Mit winzigen Schrittchen und einem witzigen Bewegungsrepertoire ziehen sie auf einem riesigen, manche Überraschung bereit haltenden Teppich ihre Bahnen, um von Zeit zu Zeit in höchst emotionale Solo-Performances auszubrechen. Den zweiten Teil kann man dann als ironische Anspielung auf die sich permanent steigernden technischen Spielereien verstehen, die der heutige Mensch zwecks Befriedigung seiner Bedürfnisse zu brauchen glaubt. Nachdem sich eine Tänzerin genüsslich in einem aus der Seitenbühne tretenden Windstrahl durchblasen hat lassen, versuchen die restlichen Tänzerinnen und Tänzer mit immer aberwitzigeren Hilfsmitteln durch stetige technische Steigerung ebenfalls in den Genuss zu kommen – vom Fächer, über diverse Haarföns, Ventilatoren und Laubbläser bis zum riesigen Gebläse, das dem witzigen, aber auch kritische Hinweise auf Neid und sinnloses Wettbewerbsverhalten enthaltende Treiben schließlich ein Ende setzt. Perfekt passend dazu ein Nina Simone-Medley mit „Wild is the Wind“ als Kernstück.

„Shutters Shut“ – Schräges zu einem Gedicht der experimentellen Literatur-Ikone Gertrude Stein

So unkonventionell wie das Gedicht „If I Told Him: A Completed Portrait of Picasso“ von Gertrude Stein aus dem Jahr 1923 ist auch der vom NDT-Stamm-Choreographen-Duo Paul Lightfoot“/Sol León exakt achtzig Jahre später dazu konzipierte Pas de deux. Die Umsetzung der rhythmisierten Sprache in absolut stimmige Bilder gelang so perfekt, dass auch Stein und Picasso ihre Freude gehabt hätten.

Sara – Minimalismus im Ganzkörperkonstüm

Zur Musik des israelischen Techno-Urgesteins Ori Lichtik und der schwedischen Elektro-Avantgardisten The Knife lässt das israelische Choreographen-Duo Sharon Eyal und Gai Behar sieben Tänzer zehn Minuten lang in verlangsamten Bewegungen auf der Stelle tanzend unbekannte Traumwelten erkunden. In ihren hautfarbenen Ganzkörperkostümen wirkten die Akteure als wären sie soeben einem Sciene-Fiction-Film entstiegen. Spektakulär unspektaklär – ein minimalistisches Vergnügen.

Cacti – stachlige Abrechnung mit Klischees

Haydn, Schubert, Beethoven und unzählige Geräusche hat der international äußerst gefragte schwedische Choreograph Alexander Ekman zu grandiosen Soundscapes für sein 2010 uraufgeführtes Stück „Cacti“ vermischt. Zum Auftakt sind 16 identisch weiße, aber ungleich hohe Kisten über die Bühne verteilt, jede ist sozusagen das schätzungsweise ein Quadratmeter große, bewegliche Reich eines der Akteure. Ekman choreographiert sie als phantastisches Körperorchester, das im Sitzen mit einer Vielzahl außergewöhnlicher Bewegungen verblüfft und zugleich auch noch mit den unterschiedlichsten Klopf- und Schabegeräuschen den akustischen Part verdichtet. Die Bewegungen laufen extrem koordiniert, mit fast militärischer Exaktheit ab, was die Ausbruchversuche einzelner Tänzerinnen und Tänzer besonders spannend macht. Zu den witzigsten Teilen des Abends zählt sicherlich der folgende Pas de deux, in dem die laut gedachten, ziemlich profanen Gedanken des Paares das Tanzgeschehen konterkarieren. Eine wunderbar ironische, völlig klischeefreie Abrechnung mit den manchmal vielleicht etwas zu weihevollen Attitüden des zeitgenössischen Tanzbetriebes, die auf grandiose Weise auf die Spitze getrieben wurde, nachdem die stachligen Objekte tatsächlich die Bühne eroberten. Unzweifelhaft der Höhepunkt dieses abwechslungsreichen Abends.