Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Peter Füssl · 20. Mär 2015 · Tanz

Fernöstliche Traditon meets Modern Dance – Das Cloud Gate Dance Theatre of Taiwan eröffnete den „Bregenzer Frühling“ 2015

Tanz-Begeisterte aus dem gesamten Bodenseeraum füllten das Bregenzer Festspielhaus bis auf den letzten Platz, schließlich war mit Lin Hwai-min, der 1973 das Cloud Gate Dance Theatre of Taiwan und damit die erste zeitgenössische Tanzkompagnie im chinesischsprachigen Raum gründete, ein legendärer und vielfach ausgezeichneter Choreograph von weltweiter Bedeutung zu Gast. Für die einstündige Produktion „Water Stains on the Wall“ ließ sich Lin von der 3000 Jahre alten, traditionellen Kunst der Kalligrafie inspirieren, es wurde aber auch deutlich, dass er selber Anfang der 1970er Jahre die Schule von Martha Graham und Merce Cunningham durchlaufen hat.

Spannung erwächst aus Gegensätzlichkeiten

 

So wie die auf die schiefe, weiße Tanzfläche projizierten, stets zu neuen Formen zerfließenden dunklen Wolkenbilder lebte auch der Tanz von starken Kontrasten. Fast völlige Ruhe, völlig entschleunigtes, nahezu schwebendes Schreiten und fließende Bewegungen, sanfte Pinselstriche also, nehmen immer mehr Fahrt auf und gewinnen auf reizvolle Weise an Dynamik, was durch eine eindrucksvolle Lichtdramaturgie choreographisch wirkungsvoll unterstützt wird. Die achtzehn Tänzerinnen und Tänzer agieren solistisch, im Duo, in kleineren und größeren Formationen, interagieren, ohne sich jemals zu berühren. Auch daraus erwächst Spannung. Ihr tänzerisches Vokabular speist sich aus traditioneller Tanzkunst, Qi Gong, Tai-Chi, Kung-Fu und Elementen des Modern Dance, wobei sich Lin durchaus seines eigenständigen Weges bewusst ist: „Im westlichen Denken wachsen Tänzer wie gotische Kathedralen nach oben. Es zählt äußere Schönheit. Unsere Schönheit ist im Verborgenen und breitet sich im Inneren aus“, erklärte Lin Hwai-Min einmal sein tänzerisches Credo.

Ebenso grenzgängerisch sind auch die perfekt passenden Stücke des renommierten japanischen Komponisten Toshio Hosokawa angelegt, die zwischen alter japanischer Hofmusik, Naturbeobachtungen und Avantgarde pendeln.

Tänzerische Identitätssuche


Lin Hai-min hat mit einer Reihe durchaus politischer Choreographien zur  Identitätssuche Taiwans beigetragen, wenn es etwa um die Kolonialisierung durch chinesische Einwanderer, um die Gräueltaten unter Tschiang Kai-Chek oder während der japanischen Besatzungszeiten ging. Mit „Water Stains on the Wall“, den „Wasserflecken an der Wand“ gräbt er tief in den legendären Ursprüngen der chinesischen Schreibkunst und der Ästhetik. „Kalligrafie ist die Seele der chinesischen Kultur“, erklärt Lin und lässt seine Tänzerinnen und Tänzer nach den Regeln dieser alten Kunst in den choreografischen Fluss eintauchen. Der plätschert mal meditativ dahin oder sucht seinen Weg etwas dramatischer über Stromschnellen hinweg, stets ergeben sich aber Bilder von großer poetischer Schönheit, die in ihrer Schlichtheit besonders berühren. Dabei bleibt nichts dem Zufall überlassen, selbst die Entgegennahme des Schlussapplauses ist noch genauestens durchchoreografiert. Wirklich beeindruckend!

 

Und so geht der „Bregenzer Frühling“ weiter:
Fr, 17.4. Wayne McGregor/Random Dance
Fr, 24.4. Cullberg Ballet
Fr, 8./Sa, 9.5. aktionstheater ensemble
Sa, 16.5. Israel Galván
Fr, 22.5. Trajal Harrell

www.bregenzerfruehling.at