Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Peter Füssl · 27. Apr 2013 · Tanz

Breakdance trifft auf taiwanesische Tanzkunst - stehende Ovationen für Mourad Merzoukis Compagnie Käfig und „Yo Gee Ti“ beim „Bregenzer Frühling“

Der vierzigjährige Franzose mit algerischen Wurzeln Mourad Merzouki hat eine außergewöhnliche und steile Karriere hinter sich: vom Kinderzirkusartist, über den jugendlichen Breakdancer und Leiter einer Hip-Hop-Schule in Lyon, bis zum international gefeierten Choreographen, Compagnie-Chef und künstlerischen Leiter des Centre Chorégraphique National de Créteil et du Val-de-Marne (CCN) in Paris – und letztes Jahr wurde er sogar zum Ritter der französischen Ehrenlegion ernannt. Nun konnten auch die zahlreichen Tanzinteressierten aus der gesamten Bodenseeregion im Rahmen des „Bregenzer Frühlings“ im ausverkauften Festspielhaus in die Merzouki-Begeisterungswelle eintauchen.

Auf unkonventionelle Weise Gegensätze zusammenbringen


Mourad Merzouki liebt es, Gegensätze zusammen zu bringen, sowohl von den Ethnien als auch von den Tanzstilen her. So kombinierte er schon höchst erfolgreich Breakdance mit klassischem Tanz oder mit der brasilianischen Kampfkunst Capoeira – und nun lässt er fünf Akteure seiner Compagnie Käfig auf fünf taiwanesische TänzerInnen treffen. Das faszinierende an dieser unkonventionellen Stilmischung ist die Nahtlosigkeit und Selbstverständlichkeit, mit der die unterschiedlichsten Ingredienzien nebeneinander stehen und ineinander übergehen. Klassische Virtuosität, taiwanesische Tradition und die knackige akrobatische Frische des Breakdance stehen einander nicht diametral gegenüber, sondern ergänzen sich und potenzieren sich in ihren Wirkungen. Diese so noch nie gesehenen Kombinationen kommen völlig klischeefrei daher und verblüffen mitunter wie neue Vokabeln einer noch weiter zu erforschenden Tanzsprache. Vom unkonventionellen Pas de deux zu mitreißenden Ensemble-Partien, von elektrisierenden tänzerischen Eruptionen zu lyrisch verhaltenen Traumsequenzen – „Yo Gee Ti“ bezaubert in jeglicher Hinsicht. Selbst der Humor hat seinen Platz, wenn Mourad Merzouki ausgerechnet die kleinste Chinesin auf den größten Breakdancer treffen lässt –  einen wesentlichen Teil ihres tänzerischen Dialog bestreiten sie mittels einer ausgefeilten Choreographie für Arme und Hände.

Bühnenbild, Licht und Kostüme spielen wesentliche Rollen


Aber auch die vom chinesischen Designer und Bühnenbildner Johan Ku entworfenen hängenden Skulpturen aus Rohwolle und die bühnenbreiten Wollstrick-Kaskaden sind weit mehr als bloße Dekoration. Sie liefern einen unglaublich variationsreichen Spielplatz der Phantasien und erzielen im Zusammenspiel mit Lichtdesign und Kostümen zauberhafte Wirkungen. Die emotionsgeladene Musik aus den Federn von Ludovico Einaudi, Marc Mellits und des Trio Joubran trägt gleichfalls einen wesentlichen Anteil zum genialen Meisterwerk bei.
Interessant wäre es noch zu erfahren, ob solch ein umwerfender Abend, der mit stehenden Ovationen endet, auch zu einem vermehrten Interesse des „Bregenzer Frühling“-Bildungsbürgertums für Backspins, Head Spins, Airflares, Windmills oder Freezes führt und sie einen Euro in die Snapback Cap werfen lässt, wenn sie ein paar Jungs in den Seeanlagen performen sehen. Oder braucht der Streetdance zur breiten Anerkennung doch die Adelung durch die geheiligten Hallen eines Festspielhauses?