Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Michael Löbl · 09. Feb 2023 · Musik

Stella Vorarlberg – Mittagskonzert im Montforthaus

Seit einiger Zeit gibt es in der heimischen Bläserszene verschiedene Ansichten über - ja worüber eigentlich? In einem Satz erklärt geht es darum, ob man in Vorarlberg gerade dabei ist, die spezifische österreichische Tradition des Klarinettenspielens zugunsten eines international einheitlichen Stils aufzugeben.

Regionale Eigenheiten der Instrumentalentwicklung gibt es viele. Gute Beispiele sind die Wiener Oboe, das Wiener Horn, das Französische Fagott oder die Amerikanische Oboenschule mit ihrer ganz speziellen Art der Mundstückproduktion. Leider werden diese Exoten immer weniger, das Französische Fagott steht bereits auf der roten Liste des Artenschutzes und ist vom Aussterben bedroht. Auch hier ist die Globalisierung nicht aufzuhalten, darum wäre es wichtig, für die Erhaltung regionalen Kulturgutes mit aller Kraft zu kämpfen. Wenn irgendwann einmal alle Orchester gleich klingen, werden viele Dinge obsolet, beispielsweise Orchestertourneen.

Bei der Klarinette gibt es zwei Systeme, das Deutsche, gespielt ausschließlich in Deutschland und Österreich, und das Böhm-System, das den verbleibenden Rest der Welt abdeckt. Beide haben ungefähr gleich viele Vor- wie auch Nachteile, viel ist Geschmackssache, eines aber ist sicher wie das Amen in der Kirche: der Spieler macht die Musik und den Klang, er überzeugt oder nicht, weitgehend unabhängig von Instrument oder System. Aber die Tradition lebt, und so sind in erstaunlich vielen prominenten deutschen Orchestern wie den Berliner Philharmonikern, der Staatskapelle Dresden oder der Münchner Oper Klarinettisten aus Österreich auf Solopositionen zu finden. Einige Kollegen befürchten nun, dass durch die Besetzung der Klarinettenklasse am ehemaligen Landeskonservatorium mit Francesco Negrini, einem Vertreter der Böhm-Fraktion, diese österreichische Klarinettentradition im westlichsten Bundesland bald ein Ende finden werde.

Beachtlich hohes Niveau

Höchste Zeit, sich in dieser Angelegenheit einmal ein eigenes Bild zu machen. Zum Beispiel bei einem Mittagskonzert der Klarinettenklasse im Montforthaus. Das Foyer ist bis auf den letzten Platz gefüllt, die Akustik ist für die gewaltige Raumhöhe erstaunlich angenehm und durch das leise Klappern von Geschirr und Besteck der hauseigenen Gastronomie im Oberdeck entsteht eine ganz eigene Atmosphäre. Und die Klarinettisten? Entwarnung. Die befürchtete feindliche Übernahme ist nicht in Sicht, Böhm- und Deutsches System halten sich in der Klasse Negrini annähernd die Waage. Zu hören sind Ensemble- und Solowerke von Bach und Mozart bis in die Gegenwart auf beachtlich hohem Niveau. Kenichi Kawabata spielte hochmusikalisch die Solostimme in den Serenaden von Mozart und Dvorak, Alina Winsauer und Lena Pfitscher überzeugten durch Virtuosität und auch Francesco Negrini zauberte als Primus inter Pares wunderschöne Töne in das Foyer des Montforthauses. Er sieht die ganze Diskussion über Systeme und Traditionen gelassen. In Vorarlberg, an der Grenze zur Schweiz und zu Deutschland, müsse man flexibel sein und die individuelle Situation jedes Musikers betrachten. „Es kommt doch immer darauf an, wie sie oder er sich die Zukunft vorstellt und wohin man sich orientieren will. Einer meiner Studenten lernt gerade um, und zwar vom Böhm- auf das Deutsche System. Ich habe ihm dazu geraten, weil er im deutschsprachigen Raum bleiben will und dann hier viel mehr Möglichkeiten hat."

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