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Michael Löbl · 24. Mai 2023 · Musik

Residenzkonzert der Musikakademie Liechtenstein

Abschlusskonzert der Intensivwoche Viola mit Thomas Riebl im Rathaussaal Vaduz

Das noch immer weit verbreitete Vorurteil, Konzerte mit Klassischer Musik seien schwer zugänglich und die Karten dafür teuer, könnte durch aufmerksames Studium der regionalen Veranstaltungskalender leicht entkräftet werden. Ein gutes Beispiel dafür sind Veranstaltungen der Musikakademie Liechtenstein. Nach jedem Meisterkurs, dort "Intensivwoche" genannt, gibt es ein Abschlusskonzert, in dem man internationale junge Spitzenmusiker kennenlernen kann. Die Atmosphäre ist locker-entspannt, der Eintritt frei und Liechtenstein ist mit Öffentlichen Verkehrsmitteln von Vorarlberg aus im Halbstundentakt bestens erreichbar.

In den Intensivwochen begeben sich prominente Musikpädagog:innen mit jungen Musiker:innen eine Woche lang quasi in Klausur, um konzentriert an technischen und musikalischen Aspekten der Musikliteratur zu arbeiten. Das Niveau der Teilnehmenden ist allgemein sehr hoch und durch die verschiedenen Persönlichkeiten auch ausgesprochen vielfältig. Im Konzert am Dienstagabend kam die Viola – deutsche Übersetzung: Bratsche – zum Zug. Sechs Teilnehmer:innen präsentierten dem Publikum im Vaduzer Rathaussaal Originalwerke und Bearbeitungen für ihr Instrument. Dozent der Intensivwoche war Thomas Riebl, seit 40 Jahren Professor am Mozarteum Salzburg und regelmäßiger Gast seit Gründung der Musikakademie.

Zwischen Violine und Violoncello

Die Bratsche hat es als Instrument nicht leicht. Ihr fehlt der virtuose Glanz der Violine, da sie sich klanglich eher in Richtung Violoncello orientiert, ohne allerdings in den Genuss der Vorzüge ihres großen Bruders zu kommen, wie zum Beispiel die viel natürlichere Körperhaltung beim Spielen. Sowohl im Orchester als auch in der Kammermusik hat die Bratsche bis zur Frühromantik als Mittelstimme vor allem Begleitfunktion. Und dann noch die zahllosen, nicht ausrottbaren Bratschenwitze, mit denen Spieler:innen dieses Instrumentes wohl oder übel leben müssen.
In einer kurzen Programmeinführung wies Thomas Riebl darauf hin, dass die Sololiteratur für Viola begrenzt sei und man deshalb auf Bearbeitungen von Werken, die eigentlich für andere Instrumente geschrieben wurden, nicht verzichten könne. Der erste junge Künstler, Vittorio Benaglia aus Italien, beeindruckte gleich einmal durch seinen überzeugend intensiven, dunklen und runden Bratschenklang. Temperamentvoll stürzte er sich in den ersten Satz einer Sonate der englischen Komponistin Rebecca Clarke. Marinus Kreidt aus Deutschland hatte mit dem Konzert von Franz A. Hoffmeister das schwerste Los gezogen. Dieses etwas überstrapazierte Werk ist Pflichtstück bei fast allen Probespielen und Wettbewerben, schonungslos wird hier alles offengelegt, Artikulation, Finger- und Bogentechnik und vor allem die Intonation. Marinus Kreidt meisterte all diese Herausforderungen souverän, jetzt müsste er nur noch versuchen, den vielen Skalen und Dreiklangszerlegungen noch etwas mehr musikalischen Sinn einzuhauchen.

Kammermusikpartnerin auf Augenhöhe

Yujie Zeng aus China konnte dann wieder aus dem Vollen schöpfen und ihrem Temperament in Johannes Brahms' original für Violine geschriebenem c-moll Scherzo freien Lauf lassen. Tabea Ockert aus Deutschland würde man durch ihr Auftreten aber auch durch ihre Spielweise einem Barockensemble zuordnen. Zarte Tongebung, zurückhaltend im Ausdruck, wenig Vibrato – natürlich kann man Thomas Riebls Bearbeitung der drei Oboenromanzen op. 94 von Robert Schumann so spielen. Aber zumindest an ein paar Stellen etwas kräftiger zuzupacken, hätte der Musik sicher nicht geschadet. Ebenfalls aus Deutschland kam die jüngste Teilnehmerin der Intensivwoche, die neunzehnjährige Céline Eberhardt. Ihre Interpretation des ersten Satzes der f-moll Sonate von Brahms überzeugte das Publikum durch voluminösen Klang, Ausdruckskraft und überlegene musikalische Gestaltung. Was man schon den ganzen Abend vermutet hatte, wurde nun endgültig bewiesen: Mari Kato am Bösendorfer-Flügel ist eine hervorragende Pianistin, die für jedes Werk jeder Epoche den richtigen Ton findet. Bei den für Pianist:innen immer anspruchsvollen Werken von Johannes Brahms war sie nicht Begleiterin, sondern ebenbürtige Kammermusikpartnerin der jungen Kursteilnehmenden.

Wenn der Funke überspringt

Der lange anhaltende Schlussapplaus gebührte vollkommen zu Recht der 25-jährigen Chinesin Yue Yu mit Paul Hindemiths Sonate op. 11/4. Sie ist nicht nur bereits eine hervorragende Bratschistin, sondern besitzt auch diese schwer zu beschreibende Art von Energie, mit der sie das Publikum binnen kürzester Zeit in ihren Bann ziehen kann. Yue Yus Spiel ist technisch perfekt, dazu kommen ihr riesiger Dynamikbereich, das Auskosten vieler verschiedener musikalischer Stimmungen sowie eine starke Bühnenpräsenz. Es müsste schon viel schief laufen, wenn diese junge Künstlerin nicht als Solistin oder Solobratschistin eines internationalen Toporchesters Karriere machen würde.

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