Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Walter Gasperi · 25. Mai 2023 · Film

Aktuell in den Filmclubs (26.5. – 1.6. 2023)

Der Spielboden Dornbirn zeigt diese Woche nochmals den Dokumentarfilm „Mi páis imaginario – Das Land meiner Träume", in dem Patricio Guzman auf den chilenischen Protesten im Herbst 2019 fokussiert. Beim FKC Dornbirn und in der Kinothek Lustenau steht dagegen mit „Sparta“ Ulrich Seidls verstörendes Porträt eines zerrissenen Pädophilen auf dem Programm.Der Spielboden Dornbirn zeigt diese Woche nochmals den Dokumentarfilm "Mi páis imaginario - Das Land meiner Träume", in dem Patricio Guzman auf den chilenischen Protesten im Herbst 2019 fokussiert. Beim FKC Dornbirn und in der Kinothek Lustenau steht dagegen mit "Sparta" Ulrich Seidls verstörendes Porträt eines zerrissenen Pädophilen auf dem Programm.

Mi páis imaginario - Das Land meiner Träume: Chile ist das große Thema von Patricio Guzman. Vom legendären Dokumentarfilm „Die Schlacht um Chile" (1975-1979), in dem er Aufstieg und Sturz Salvador Allendes nachzeichnete, bis zur Trilogie „Nostalgia de la luz" (2010), „El botón de nácar" (2015) und „La cordillera de los sueños" (2019) setzte er sich immer wieder mit der Geschichte seines Heimatlandes, besonders mit Allende und der Militärdiktatur unter General Pinochet und deren Folgen, auseinander.
Ganz auf die Gegenwart scheint der große Dokumentarfilmer in „Mi país imaginario“ zu fokussieren, wenn er die Proteste dokumentiert, die nach einer im Grunde eher geringen Erhöhung der Metro-Fahrpreise in Santiago de Chile am 18. Oktober 2019 einsetzten.
Doch die Massen auf dem Hauptplatz der chilenischen Hauptstadt, die mit Drohnenflug eingefangen werden, wecken bei Guzman sogleich Erinnerungen an die Begeisterung um Allendes Wahlsieg 1970. Schwarzweiße Bilder fließen in den Film ein und auch in der Folge lösen die aktuellen Ereignisse mehrfach solche Erinnerungen aus. Dem Terror der Militärdiktatur wird dabei immer wieder der Aufbruch der Gegenwart gegenübergestellt. Vom wütenden Protest bewegt sich der Film so zur Wahl des linken 35-jährigen Gabriel Boric zum Präsidenten (März 2022).
Voll Optimismus beschwört Guzman die Hoffnung, dass sein Traum von einer gerechten Gesellschaft mit der Ausarbeitung einer neuen Verfassung Wirklichkeit werden kann. – Doch diese Hoffnungen und Träume haben nach Fertigstellung des Films schon wieder einen schweren Dämpfer erlitten, denn die vom Verfassungskonvent ausgearbeitete Verfassung, die unter anderem ein Recht auf Wohnraum, Gesundheit und Bildung sowie ein Selbstbestimmungsrecht der Indigenen vorgesehen hätte, wurde bei der Abstimmung am 4. September 2022 von 61,9% der wahlberechtigten Bevölkerung abgelehnt. Weiterhin in Kraft bleibt somit die noch aus der Zeit der Militärdiktatur stammende Verfassung.
Spielboden Dornbirn: Sa 27.5., 19.30 Uhr

Sparta: Schon vor der Premiere sorgte Ulrich Seidls neuer Film, der zusammen mit „Rimini“ ein Diptychon bildet, im letzten August mit Vorwürfen wegen mangelnder Information der Eltern der jugendlichen Laienschauspieler über den Inhalt des Films sowie der Ausbeutung der Kinder bei den Dreharbeiten für mediales Aufsehen. Wie viel an den Vorwürfen wahr ist, lässt sich anhand des Films nicht beurteilen. 
Schien Seidl freilich mit dem Porträt eines abgetakelten Schlagersängers in „Rimini“ milder zu werden, so schlägt er in „Sparta“ doch wieder deutlich härtere und quälendere Töne an. Denn im Mittelpunkt steht ein pädophiler Österreicher, der in der rumänischen Provinz Buben anwirbt, um sie in einer Judoschule zu unterrichten.
Leicht macht es Seidl dem Publikum mit seinem von Georg Friedrich großartig gespielten Protagonisten dabei nicht. Er zeichnet den Mittvierziger Ewald nämlich nicht als Täter, sondern als Getriebenen, der verzweifelt versucht sein pädophiles Verlangen zu unterdrücken.
Ungleich flüssiger als in seinen bisherigen Filmen ist dabei Seidls Erzählweise. Denn nach dem Auftakt gibt es kaum mehr die für diesen Regisseur typischen langen, aus Zentralperspektive gefilmten Tableaus, sondern die Einstellungen sind kürzer und die Kamera folgt immer wieder nah Ewald.
Geblieben sind freilich der Verzicht auf Filmmusik und die Tristesse der Welt und der Menschen. Auch hier verbreitet der wolkenverhangene Himmel über der niederösterreichischen Provinz, durch die Ewald seinen Vater im Rollstuhl zum Grab der Mutter schiebt, ebenso eine bedrückende Stimmung, wie das triste ländliche Rumänien mit seinen halbverfallenen Häusern.
Mit dem im Altersheim dahinvegetierenden Nazi-Vater und den gewalttätigen rumänischen Vätern der Kinder geht es im Kern weniger um Pädophilie als vielmehr um die Auswirkungen patriarchaler Macht. Verloren wirkt nämlich Ewald, scheint an seinem Vater zerbrochen zu sein, während die rumänischen Väter schon wieder Abhärtung ihrer Kinder predigen. Ewalds Judoschule erscheint dagegen als Freiraum, in dem die Buben unbeschwert herumtollen können. – Anfreunden kann und will man sich mit diesem Protagonisten freilich dennoch nicht, doch durch die Widersprüche, die ausgelöst werden, wirkt dieses kompromisslose Drama lange nach. 
Kinothek Lustenau: Mo 29.5., 20 Uhr. Mi 31.5., 20 Uhr; Mo 5.6., 20 Uhr; Mi 7.6., 18 Uhr
FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 31.5., 18 Uhr + Do 1.6., 19.30 Uhr

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