Nora Gomringer zog bei der Konzertlesung in der Bludenzer Remise die Zuhörenden in ihren Bann.
Peter Füssl · 05. Jun 2025 · CD-Tipp

Olivia Trummer: Like Water

Eine Frau und ein Steinway D – unter glücklichen Umständen reicht schon solch eine minimalistische Konstellation für einen höchst eindrucksvollen musikalischen Output. Zumal wenn die Frau Olivia Trummer heißt. Knapp vor ihrem Vierziger präsentiert die sowohl klassisch als auch im Jazz ausgebildete Stuttgarter Pianistin und Sängerin ihr erstes Solo-Album, das einen schönen Überblick über ihre unterschiedlichen musikalischen Zugänge ermöglicht.

Nicht zu unterschätzen ist aber auch der Beitrag des legendären, 80-jährigen, New Yorker Produzenten Russ Titelman, der auf YouTube auf ein Video von Trummer gestoßen war und ihr begeistert eine Zusammenarbeit vorschlug, in die er dann seine vielfältigen Erfahrungen (Randy Newman, George Harrison, Eric Clapton, Steve Winwood, Rickie Lee Jones, James Taylor, etc.) einbringen konnte. Gemeinsam stellten sie ein breitgestreutes Konvolut an Songs zusammen, in dem sich Standards aus den 1930-er und 1940-er Jahren wie „My Baby Just Cares For Me“ von Donaldson/Kahn oder „I’m Glad There Is You“ von Dorsey/Madeira finden – mit Respekt vor der Tradition interpretiert, aber auch mit ihrem ganz persönlichen Stempel versehen, in den wohl so etwas wie „Jazz loves Classics“ eingraviert ist. So verwundert es nicht, wenn Kern/Mercers Evergreen „I’m Old Fashioned“ in ein Präludium von J.S. Bach eingebettet ist, oder das zeitlose Spiritual „Swing Low, Sweet Chariot“ mit Harmonien aus Beethovens Sonate op. 109 kombiniert wird. Letzteres ist auch ein wundervolles Beispiel dafür, welch enorme Intensität Trummer oftmals durch überraschende Zartheit und Reduktion zu erreichen vermag.


 

 


Aber auch Pop-Songs lassen sich perfekt in ihr musikalisches Spektrum integrieren, etwas Steve Wonders „You Are The Sunshine of My Life“ oder das Soul-infizierte „Get Here“, mit dem die US-amerikanische Singer-Songwriterin Brenda Russell 1988 einen Grammy gewann. Virtuosität und Emotionalität gehen bei Olivia Trummer Hand in Hand. Das gilt auch für die vier Eigenkompositionen auf diesem Album. „Wie die Zeit vergeht“ ist eine tiefsinnige Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit, und „Strange Day“ empfiehlt folgerichtig, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Das unglaublich gefühlvolle „Watching The Moon“ mit Beethovens Mondschein-Sonate einzuleiten, ist ganz Trummer und auch eine schöne Möglichkeit, ihre pianistischen Vorzüge ins Spotlight zu stellen. Das hochemotionale, in jeglicher Hinsicht komplexe und gesanglich herausfordernde „Like Water“, das sich Olivia Trummer dereinst selbst zur Hochzeit schenkte, wurde zum Titelstück des Albums erkoren. Und einer der ergreifendsten Love-Songs aller Zeiten – „Somewhere“ aus der Feder von Bernstein/Sondheim – fungiert als perfekter Closer dieses wundervollen Albums, das seine Kraft aus der Ruhe zu schöpfen scheint, melodisch und harmonisch eingängig und zugleich mit unzähligen feinen Nuancen gespickt ist – und durchaus unter die Haut geht. (Warner Music Italy)

Dieser Artikel ist bereits in der Print-Ausgabe der „KULTUR" Juni 2025 erschienen. Hier geht es zum E-Paper.

Konzert-Tipps: 13.7. Jazz Open Stuttgart Solo-Konzert; 19.12. Jazzclub Lustenau Olivia Trummer Trio