Henry Fonda for President – zu sehen am Spielboden Dornbirn: Di 24.6., 19.30 Uhr (© Mischief Film – Medea Film Factory / Michael Palm)
Darius Grimmel · 20. Jul 2024 · Musik

Of Horses And Men, Calexico und Milliarden beim Poolbar Festival

Nachdem das Poolbar-Festival im letzten Jahr sein 30-jähriges Jubiläum feiern konnte, durfte man gespannt sein, welche musikalischen Perlen das Festivalteam dieses Jahr in das Line-Up gepackt hat. Eine der größeren und bekannteren davon war sicher die Gruppe Calexico aus Arizona, die ihren breiten Stilmix aus Tex-Mex, Indiefolk und soundtrackartigen Instrumentalstücken in erstklassiger Weise live zu präsentieren wusste und nach einem abwechslungsreichen, beinahe zweistündigen Set ein begeistertes Publikum zurückließ.

Am eindrucksvollsten bleibt in Erinnerung, wie treffend es den Musikern gelungen ist, ihre Songs, die unter anderem durch den Einsatz verschiedenster Instrumente aus teilweise komplexen, sich überlagernde Klangschichten bestehen, für die Liveperformance zu arrangieren. So wirken auch band-untypische Instrumente wie zum Beispiel Vibraphon, Akkordeon oder die vom Keyboard aus gespielten Streicher nie fehl am Platz, sondern setzen sich mit dem Rest der Gruppe zu einem stimmigen Gesamtklang zusammen. Und so wechseln sich schwungvolle, lateinamerikanisch geprägte Tanzstücke ab mit ausgedehnten und stimmungsvollen Instrumentalstücken, bei denen Assoziationen zu Ennio Morricone und seinen Western-Soundtracks, wie zum Beispiel „Spiel mir das Lied vom Tod“ oder „The Good, The Bad & The Ugly“ nicht weit sind. Man merkt Calexico die Erfahrung an, die sie seit ihrer Gründung im Jahr 1996 gesammelt haben. Dass diese aber nie wie Routine wirkt, liegt besonders am Frontman Joey Burns, der das Publikum auf angenehme Weise durch die Show führt und sympathische Geschichten aus dem Tour-Alltag erzählt. Zum Beispiel habe sich ein Fan nach ihrem Konzert in Tulln an der Donau am Vortag ein wenig enttäuscht davon gezeigt, dass sie einen alten Song nicht gespielt hatten. Joey hatte das Stück anscheinend gar nicht mehr auf dem Schirm, die Band hatte es längere Zeit nicht gespielt. So wurde der Song einfach beim Soundcheck kurz aufgewärmt und spontan in die Setlist des Feldkircher Konzertabends aufgenommen.
Die unterschiedlichen Stimmfarben von Joey Burns kommen am besten in den ruhigen Songs zur Geltung,
während bei manchen aktiveren Nummern auch Trompeter Jacob Valenzuela und Gitarrist Brian Lopez ihre Qualitäten als Leadsänger zeigen dürfen. Obwohl bei einzelnen Nummern wie zum Beispiel einem Cover des Klassikers „Love Will Tear Us Apart“ durchaus Längen auftreten, versteht sich Calexico in den allermeisten Fällen prächtig darauf, Spannungsmomente (besonders in den Instrumentalstücken) auszukosten und die Begeisterung des sowieso schon tanzenden Publikums weiter zu befeuern. Besonders starken Anteil hieran haben die beiden Trompeter Jacob Valenzuela und Martin Wenk die – von der lobenswerten Tontechnik erstklassig in Szene gesetzt – mit grandiosen Doppel-Soli brillieren können.

Milliarden aus Berlin statt Bombay Bicycle Club aus London

Der weltweite IT-Ausfall betraf leider auch die Flüge der Londoner Indie-Band Bombay Bicycle Club, weswegen die Show am Freitagabend nicht wie geplant stattfinden konnte (verschoben auf Sonntag 21.7., 20 Uhr). Es gelang dem Festival aber, in der Band Milliarden aus Berlin sehr kurzfristig einen Ersatz für den Ausklang des Abends zu finden. Besonders die beiden Gründungsmitglieder Ben Hartmann (Gesang, Gitarre) und Johannes Aue (Keyboard, Gesang, Bongos) bringen viel Energie ins Alte Hallenbad, die sich schnell auf das Publikum überträgt. Die Band ist absolut sattelfest und klingt genauso transparent wie kraftvoll, wobei der sahnig-cremige, aber wunderbar greifbare Sound des Bassisten ein besonderer Genuss ist. An dieser Stelle außerdem ein Kompliment an die Tontechnik, durch die die verschiedenen Elemente der Band gut ausbalanciert beim Publikum ankommen. Ben Hartmann hat dagegen einen Gesangsstil, der etwas an Rio Reiser (Ton Steine Scherben) erinnert, wenn er mit rauer Stimme ins Mikrophon grölt. Nach ein paar Songs hat man sich daran gewöhnt, aber auf Dauer wirkt es doch ermüdend. Johannes Aue zeigt zwar in einigen Passagen, in denen er den Leadgesang übernimmt, dass er anders könnte, entscheidet sich aber offenbar doch dafür, den stimmlichen Eigenheiten seines Bandpartners nachzueifern. Schade, dass hier Potential zur Abwechslung liegen gelassen wurde. Was wiederum sehr zur Atmosphäre beiträgt, ist die ungezwungene und authentische Art, wie die Band allgemein mit dem Publikum interagiert. Es entstehen tatsächlich kurze Wortwechsel und Interaktionen mit Fans aus den ersten Reihen und Ben Hartmann pogt bei einem Song sogar zusammen mit dem Publikum zur Musik. Die lockere und ungefilterte Nicht-Nachdenken-Attitüde hat aber auch negative Seiten. Die Mischung aus Pop-Rock und Punk wird zwar in meist originell bis effektvoll gestalteten Songs präsentiert, aber stellenweise liegen diesen fragwürdige Texte zugrunde. Wenn Ben Hartmann in einem aktiven Mitsing-Rocksong Zeilen singt wie „Oh Cherie, du blutest wunderschön“ oder „ich hab Lust dich umzubringen“ hätte man sich doch wenigstens eine einordnende Ansage zu solch einem ernsten Thema wie häusliche Gewalt gewünscht, wenn schon der Song und die Musik selbst keine gelungene Kontextualisierung bieten. An anderer Stelle hält der Sänger nämlich sogar eine längere Ansprache gegen Populismus und für lebendige und zielführende Streitkultur, die zwar nicht sehr pointiert ist, aber einen ehrlichen Willen mitbringt, für ein gesundes Miteinander einzustehen. Feststeht, dass Milliarden mit Abstand die größte Bühnenenergie des Abends zeigten, und das jubelnde Publikum wurde mit mehreren Zugaben belohnt.

Authentischer Sound von Of Horses And Men

Die Eröffnung dieses langen Konzertabends gebührte der Vorarlberger Gruppe Of Horses And Men, die zeigen konnte, dass sie weit mehr ist, als eine obligatorische lokale Vorband. Besonders beeindruckend ist die stimmliche Qualität, die sich hier versammelt. Die durchdachten Arrangements der Backing Vocals ergänzen die Hauptstimme sauber im Chor und lassen die Band dadurch, dass fast alle mitsingen, klanglich noch mehr zusammenwachsen. Die Setlist von Of Horses And Men reicht von rasanter, folkloristischer Tanzmusik bis zu nachdenklichen Balladen, die die Gruppe mit offenkundiger Spielfreude zum Besten gibt, was vom Publikum mit reichlich Applaus quittiert wird. Während die treibenden Grooves von Simon Blum (Schlagzeug), der stilvolle Gesang von Bernd Nagel (Gitarre) und Sophia Raos (Keyboard) und die unkonventionellen, frischen Basslinien von Herbert Rogelj alle ihren Teil zum gelungenen Gesamtbild beitragen, verdient der Multiinstrumentalist und Sänger Heribert Amann eine besondere Erwähnung. Er spielt neben der E-Gitarre außerdem Handorgel, Mundharmonika, Banjo und Mandoline und bereichert das Klangbild der einzelnen Lieder damit immer auf eine neue Weise, wobei sich diese verschiedenen instrumentalen Farben trotzdem jedes mal harmonisch in den Bandklang einfügen. Of Horses And Men ist eine Gruppe, die ihre Qualitäten kennt und auszuspielen weiß und man darf sich auf weitere Konzerte in der Gegend freuen, bei denen man ihren authentischen Sound genießen kann.