Kris Lemsalu im Magazin 4 im Rahmen des Bregenzer Kultursommers (Foto: Magazin 4)
Michael Pekler · 30. Nov 2023 · Film

Neu in den Kinos: „Wish"

Eine junge Frau mit gutem Herzen und einer Ziege nimmt den Kampf gegen einen bösen Zaubererkönig auf, der den Menschen ihre Wünsche stiehlt. Klingt nach Disney und ist es auch. Mit „Wish“ und zahlreichen nostalgischen Anspielungen gratuliert sich der Konzern mit der Maus selbst zum 100. Geburtstag, während sich der Wunsch nach mehr Originalität in Luft auflöst.

Der gute Zauberer hat als Märchenfigur ausgedient. Stets lauert irgendwo ein dunkler Schatten oder schlummert in ihm eine geschundene Kinderseele. Das weiß man auch dort, wo seit hundert Jahren die Kinomärchen am Fließband produziert werden – beim Hollywood-Marktführer Disney. Doch möchte man, wie in den guten alten Zeiten, zumindest anfänglich noch ein wenig daran glauben.
Deshalb sieht man zu Beginn von „Wish“ ein Märchenbuch, auf dessen hübsch illustrierten Seiten ein freundlicher Zauberer lächelt, dessen größter Wunsch es war, anderen ihre Wünsche zu erfüllen. Weshalb Magnifico auf einer fantastischen Insel im Mittelmeer ein fantastisches Schloss errichtete, eine fantastisch gutaussehende Frau geheiratet und sich selbst zum König gemacht hat. Den Ankömmlingen, die seither wie Flüchtlinge über das Meer strömen, kann er zwar nicht jeden Wunsch von den Lippen ablesen, aber ihren größten in schwebende lila Kugeln stecken, damit sie diesen vergessen – und deshalb nicht daran leiden, dass ihr sehnlichster Wunsch nicht in Erfüllung gehen wird. Außer der große Magnifico lässt zu diesem Zweck und zur Freude seiner Untertanen einmal im Monat eine Wunschkugel platzen. 
Nun könnten unter dem Prädikat „wunschlos glücklich“ alle bis an ihr Ende leben, wenn nicht Asha, eine junge Frau mit großen Augen und Singstimme – da ist Disney konservativ – eines Tages entdeckte, dass der König die Wünsche seines Volkes überhaupt nicht erfüllen möchte! Sondern eine ihm genehme Vorauswahl trifft und monatlich eine populistische Fake-Show abzieht!

Tiere und Wasserfarben

Asha ist eine 17-jährige Aushilfskraft in der königlichen Bäckerei, beliebt bei jedem, dem sie über den Weg läuft, vor allem bei ihrem rührigen Großvater und ihrer Ziege Valentino. Asha ist herzensgut, optimistisch, lebenslustig, fröhlich, empathisch, aufgeschlossen und hilfsbereit. Also langweilig. Wenn sie nicht redet, dann singt sie zwischendurch Lieder (Originalstimme: Ariana DeBose) mit dem Titel „Welcome to Rosas“ oder „This Wish“. Die Chancen, den Job als neue Assistentin von Magnifico (Originalstimme: Chris Pine) zu ergattern, stehen also nicht schlecht, bis ihr beim Vorstellungsgespräch klar wird, dass auch dieser König sich selbst der Nächste ist. Woraufhin die Heldin initiativ wird, ein putziger kleiner Stern vom Himmel fällt, eine Palastrevolution ansteht und endlich wieder einmal Tiere sprechen können.
Entwickelt von „Frozen“-Regisseur Chris Buck und der thailändischen Animatorin Fawn Veerasunthorn gratuliert sich Disney mit „Wish“ selbst zum 100. Geburtstag. Das bedingt zahlreiche nostalgische Anspielungen, von „Bambi“ über „Peter Pan“ bis zur Inkarnation des Gründervaters als Ashas Großvater, dessen größter Wunsch es ist, kommende Generationen zu inspirieren. Was sich Walt Disney vielleicht tatsächlich gewünscht haben mag, „Wish“ aber eindeutig nicht gelingt. 
Hübsch anzusehen ist die an vergangene Zeichentricktage erinnernde Wasserfarben-Optik, putzig der kleine gelbe Stern, der, von der Heldin vom Himmel gesungen, diese bei ihrer Mission unterstützt. Doch „Wish“, der ein für Disney finanziell niederschmetterndes Jahr – nach schwachen Einspielergebnissen von „Elemental“, „Indiana Jones“ und zuletzt der Bruchlandung „The Marvels“ – beschließt, fehlt es schlicht an Originalität: „Wish“ hinterlässt den Eindruck, als hätte man sich in der Kreativabteilung rechtzeitig fürs Weihnachtsgeschäft mit der bloßen Idee für einen Film über ein Königreich, eine tapfere Heldin mit tierischer Begleitung, einen traumatisierten Bosnigl und ein paar durchschnittlichen Songs begnügt. Und dabei übersehen hat, dass auch bewährte Zutaten nicht mehr sein können als ein frommer Wunsch.