Neu in den Kinos: „The Crow“
Ein dunkler Rächer und die ewige Geschichte vom Tod, der Liebe und dem Mädchen: Die Neuverfilmung der Graphic Novel aus den Achtzigern verlässt sich auf den Kultstatus ihrer Vorlage und leidet trotz manchen Gemetzels unter Blutleere.
Der Krähe eilt ein schlechter Ruf voraus. Mit Tod und Hexerei soll sie zu tun haben, die Christenheit hat sie zum unliebsamen Begleiter so mancher dämonischen Figur gemacht. Unheilsbote und Galgenvogel wurde sie geschimpft und ihr die Fähigkeit angedichtet, zwischen der Welt der Lebenden und der Toten zu wandeln. Wie jener Figur, die der US-Zeichner James O‘Barr in den Achtzigern erfand und zum dunklen Helden seiner Graphic Novel „The Crow“ machte.
Die auf mehrere Bände verteilte düstere Erzählung war auch ästhetisch auf der Höhe ihrer Zeit und wie gemacht für die No-Future-Generation. O‘Barr, der seine Rachestory dem durch Suizid gestorbenen Sänger Ian Curtis widmete, erfand mit Eric Draven einen Charakter, der sich als Rückkehrer aus dem Totenreich an keine Regeln mehr zu halten hat, weil er bereit ist, sein schlimmstes Trauma aufzuarbeiten: die brutale Ermordung seiner großen Liebe.
Diabolisches Treiben
Für das Kino war eine solche Geschichte ein gefundenes Fressen, der Erstverfilmung von 1994 mit dem während der Dreharbeiten auf tragische Weise verstorbenen Brandon Lee in der Hauptrolle folgten in den vergangenen zwanzig Jahren drei Fortsetzungen und eine Fernsehserie. Die aktuelle Adaption des britischen Regisseurs Rupert Sanders („Ghost in the Shell“) versteht sich als moderne Standortbestimmung: Natürlich spart auch die Neuinszenierung nicht mit Bildern einer regennassen Stadt, spärlich beleuchteten Straßen und von einer Figur, die ihre Verwandlung zum einsamen Rächer buchstäblich dick im Gesicht aufträgt: Wenn Eric (Bill „Pennywise“ Skarsgård) zur Schminke greift, hat für das Böse die Stunde der Wahrheit geschlagen.
Ohne Rücksicht auf Verluste verknüpft „The Crow“ den Actionthriller und die Liebesgeschichte und hält sich hier wie dort nicht mit psychologischen Feinheiten auf. Schon der Prolog macht deutlich, dass für Eric bereits als Jugendlicher der Weg aus dem White Trash eine Einbahnstraße war – in eine geschlossene Anstalt. Dass er dort auf Shelly (gespielt von der Musikerin und Sängerin FKA Twigs) trifft, ist das Beste, was ihm in seinem Leben passiert ist und passieren wird. Denn das Glück der beiden Ausreißer, die es sich für kurze Zeit in einer schicken Großstadtwohnung mit viel Alkohol und Drogen gemütlich machen, währt nur kurz: Shelly, die als Jugendliche in den Fängen des Industriemagnaten Vincent Roeg (Danny Huston) gelandet ist, besitzt ein Video, dass der ehemalige vermeintliche Wohltäter zurückhaben möchte. Mit allen Mitteln. Und wie die meisten Filmbösewichte ist Roeg nicht nur Liebhaber klassischer Musik, sondern in diesem Fall sogar egoistischer Mäzen junger Talente wie Shelly. Ein faustischer Pakt veranlasst ihn, seine Zöglinge statt seiner selbst in die Hölle fahren zu lassen. Bis eines Tages jemand kraft unsterblicher Liebe wiederaufersteht und, von Krähen geleitet, dem diabolischen Treiben ein Ende setzt.
Gestutzte Flügel
Das Zwischenreich sieht aus wie ein aufgelassener Verschiebebahnhof, wo der Fährmann Charos, der hier Kronos (Sami Bouajila) heißt, den ewig Liebenden wiederholt in eine dunkle Pfütze schubst, damit dieser sein Lebenswerk als Todesengel vollende. Die in Neonlicht und Schwarz getauchte Szenerie wirkt mehr künstlich als kunstvoll, die Beats (Musik: Volker Bertelmann) sind laut, die Choreografie des Gemetzels bizarr. Das könnte als krude Mischung von Gothic und Trash durchgehen, doch im Gegensatz zur Originalverfilmung von Alex Proyas mangelt es „The Crow“ an einer generischen Atmosphäre und schlicht an interessanten Figuren. Dem traumatisierten Rächer sollte man nicht nur sein Leiden, sondern auch seine Liebe anmerken, die ihn trotz seiner Unverwundbarkeit für alle Ewigkeit das größte aller Opfer bringen lässt. An den US-Kinokassen sind „The Crow“ die Flügel gestutzt worden. Und auch in Europa ist eine Bruchlandung wohl vorgezeichnet.
ab 12.9., Kino Bludenz, Cineplexx Hohenems, Cineplexx Lauterach