Neu in den Kinos: „The Apprentice – The Trump Story“
Kann man Donald Trump verstehen? In seiner Filmbiografie rekonstruiert Ali Abbasi den Aufstieg des jungen Immobilienmoguls in den Siebziger- und Achtzigerjahren. „Reine Fiktion“ und „Müll“ nennt der echte Trump den Film. Aber wer glaubt schon den Fake News eines milliardenschweren Unternehmers, der wieder US-Präsident werden möchte?
Das New York der frühen Siebzigerjahre sieht aus wie ein großer Mülleimer. Doch der junge Mann, der im heruntergekommenen Mietshaus an jede Türe klopft, hat einen Traum: Er möchte die Stadt wieder groß machen. Zu einer Metropole, zu der die Welt wieder aufblickt. Und damit zu ihm, wenn er seine Pläne verwirklicht und sein eigenes Hotel in Manhattan gebaut haben wird. Später natürlich ein Hochhaus, von dem wiederum er auf alle herabblicken kann. Es wird kein Gebäude sein, sondern ein Monument: Trump Tower.
Doch im Augenblick muss Donald Trump (Sebastian Stan) aufpassen, dass er nicht mit heißem Wasser überschüttet oder mit Bratpfannen bedroht wird, wenn er für seinen Vater, den millionenschweren Immobilienunternehmer Fred Trump (Martin Donovan), persönlich die Miete kassieren muss. Dummerweise hat dieser, weil er von Schwarzen mehr Geld verlangt, Rassismusvorwürfe und ein Gerichtsverfahren am Hals. Für den engagierten Sohn ein lästiger Stein auf dem eigenen Weg. Und wie er bald herausfinden wird, gibt es probate Mittel zur Beseitigung derartiger Unannehmlichkeiten.
Zauberlehrling und Hexenmeister
„The Apprentice“ ist klassische amerikanische Aufsteigergeschichte und Gangsterstory zugleich. Angesiedelt in den 1970er und 1980er Jahren, als Donald Trump sein Immobiliengeschäft in New York auszubauen begann, erzählt der Film von den frühen Jahren des späteren und womöglich demnächst wieder regierenden US-Präsidenten. Der Titel ist clever gewählt: „The Apprentice“ hieß die von Trump jahrelang moderierte TV-Reality-Show („You‘re fired!“), mit der er sich selbst zum Fernsehstar machte. Und als Zauberlehrling taucht er nun im Film des iranisch-dänischen Regisseurs Ali Abbasi („Holy Spider“) auf, wenn er in jenen Männerbund aufgenommen wird, der im illustren Nachtclub Studio 54 seine machtbesessenen Pläne gegen die Justiz schmiedet. Nur dass Trump die von ihm gerufenen Geister später wieder loswerden wird, allen voran den zunächst nützlichen alten Hexenmeister: den berüchtigten Rechtsanwalt und McCarthy-Fan Roy Cohn (Jeremy Strong).
Cohn regiert wie ein kleiner Cäsar über sein auf Bestechung und Erpressung errichtetes Imperium, inszeniert sich als amerikanischer Patriot, hat einen geheimen Keller mit kompromittierenden Tonbändern und hält Konferenzen in Unterwäsche, während er seine Bauchmuskel stählt. Seine Homosexualität hält er natürlich geheim, dafür prahlt er damit, die Rosenbergs auf den elektrischen Stuhl gesetzt zu haben. Trump ist keineswegs begeistert, aber in der neuen Rolle des Ziehsohns sind Cohns drei eiserne Regeln für den Erfolg rasch verinnerlicht: Immer angreifen, niemals einen Fehler zugeben und niemals eine Niederlage eingestehen.
Lügner und Verleugner
Indem Abbasi und sein Co-Autor, der Politjournalist Gabriel Sherman, sich dafür entschieden haben, eine psychologische Deutung für Trumps Aufstieg hintanzustellen, fallen Cohns Fittiche umso mehr ins Gewicht: Die aggressive Rhetorik, der Narzissmus und die Lügen des Immobilienmoguls in „The Apprentice“ sind zuvorderst das Ergebnis eines eifrigen Lernprozesses: Unterwandere die politische Macht so lange, bis du sie selbst missbrauchen kannst. „Play the man, not the ball“, lautet seine Devise, mit der alle Rechtspopulisten dieser Tage den ihrigen beginnen.
Die Beziehung zwischen Mentor und Schüler ist eindeutig die interessantere Erzählung in diesem Film als jene über den Aufstieg Trumps, weil sich anhand der Zweckfreundschaft, die zunehmend in Eifersucht und Rivalität kippt, präzise das sich verändernde Machtverhältnis zwischen Cohn und Trump beobachten lässt. Auch deshalb ist „The Apprentice“ weniger als Charakterstudie eines notorischen Lügners zu verstehen, denn als Versuch, Trump zu erklären. Jedoch nicht als sogenanntes Phänomen, sondern als Produkt einer von Gier, Geld und Skrupellosigkeit geleiteten Gesellschaft. Dementsprechend setzt Sebastian Stan, der sich angeblich alle Bild- und Tonaufnahmen Trumps aus den 1970er und 1980er Jahren angetan haben soll, in seinem Spiel nicht auf methodische Anverwandlung, sondern auf Annäherung: Natürlich ist Trump bis zum schlurfenden Gang und vorgestreckten Kinn eindeutig zu erkennen, doch zugleich wirkt diese Figur („Wir mussten Trump in gewisser Weise in einem anderen Körper neu erschaffen“, so Abbasi) wie ein moderner Jedermann: das Spiel vom Aufstieg des reichen Mannes.
Wahl und Wahrheit
Dass Sherman vor allem die Trump-Biografie „Trump Revealed“ der „Washington Post“-Journalisten Michael Kranish und Marc Fisher sehr genau gelesen hat, erkennt man an zahlreichen Stellen, umstritten wird jene vorab oft kolportierte Szene bleiben, in der Trump seine Frau Ivana (Marija Bakalowa) während eines Streits vergewaltigt – eine eidesstattliche Erklärung wurde von ihr später zurückgezogen –, und die er, nachdem er sie bis auf die Skipisten von Aspen verfolgt hat, bald so widerlich findet wie den an AIDS erkrankten Cohn abstoßend. Auch der ehemaligen Vaterfigur gegenüber wird Trump nicht nur zum Lügner, sondern zunehmend zum Verleugner.
„The Apprentice“ geriet nach seiner in Cannes wenig überraschend mit Standing Ovations bedachten Premiere auch aufgrund dieser Szene ebenso wenig überraschend schnell zum Politikum. Trumps Sprecher drohte mit Klage und bezeichnete den Film erwartungsgemäß als „Müll“, „reine Fiktion“ und „Wahleinmischung der Hollywood-Elite“. Ersteres ist eine dumme Beschreibung und letzteres ohnehin seit Jahrzehnten der Fall, die „reine Fiktion“ jedoch ein interessanter Vorwurf: Nicht alles, was man in diesem Film über Trump erfährt, dürfte in Wahrheit so geschehen sein, was Abbasi jedoch gar nicht behauptet – und „The Apprentice“ deshalb weder als Biopic noch als „ideologischen Angriff“ verstanden wissen will. Denn dafür steht für seinen Film, der nach wenigen Festivalauftritten lange keinen US-Verleih finden konnte, nicht nur politisch, sondern vor allem ökonomisch zu viel auf dem Spiel. In dieser Hinsicht ist der kritische Blick auf ein System, das Männer wie Cohn und Trump bis heute hervorbringt, selbstverständlich angebracht, aber auch gezielt gedacht: Selbst wenn der Lehrling ein richtig mieser Charakter ist, braucht es immer noch eine Gesellschaft, die ihn zum mächtigsten Mann der Welt macht.
ab 17.10., Cineplexx Hohenems
ab 19.10., TaSKino im GUK Feldkirch (OmU)