:alpenarte neu – die Zweite
Das Festival :alpenarte bot vier Tage lang nicht nur Musik in Bregenz und Schwarzenberg.
Starke Konkurrenz gab es für das Festival :alpenarte am vergangenen Wochenende. Musikfreunde hatten die Wahl zwischen Konzerten mit dem Concerto Stella Matutina in Götzis, den Chor- und Orgeltagen Hohenems oder dem Ensemble Plus in Bregenz und Bludenz. Wer sich allerdings für den Weg in den Bregenzerwald entschieden hat, wurde nicht enttäuscht.
Dabei begannen die Aktivitäten dieses Jahr bereits am Donnerstag, also einen Tag früher als gewohnt. Am Vormittag gab es Musikvermittlung in zwei Gymnasien, abends dann ein Konzert mit dem Cello-Klavierduo Lionel und Demian Martin, allerdings nicht in Schwarzenberg, sondern im Alten Landtagssaal Bregenz. Am Freitag dann der Umzug in den Angelika-Kauffmann-Saal, wo bereits die Ausstellung der Künstlerin Chantal Boso Flores und alles Notwendige für die kulinarischen Höhenflüge von Haubenkoch Wolfgang Mätzler vorbereitet waren. Um 18 Uhr begann das Pre-Concert mit dem Duo Minerva, das sind die Tiroler Klarinettistin Johanna Gossner und der aus Bregenz stammende Akkordeonist Damian Keller. Sie hatten bereits Schulen in Lauterach und Egg besucht und ein attraktives Programm mit Musik von Johann Schrammel, George Gershwin, Nino Rota, Kurt Weill, Franz Lehár und Herbert Pixner zusammengestellt. Ein großes Problem war die akustische Konkurrenz diverser Küchenutensilien und gut gelaunter Besucher:innen, die die Musik zwar wohlwollend zur Kenntnis nahmen, aber es den beiden Musiker:innen durch ihre angeregten Unterhaltungen nicht leicht machten. Dabei haben sie definitiv etwas versäumt. Johanna Gossner ist eine exzellente Klarinettistin mit außergewöhnlich schönem Klang, brillanter Technik und einer verblüffenden stilistischen Bandbreite. Von Klezmerklängen im Stil eines Giora Feidman bis zu ganz klassischen Klarinettentönen hat die Stipendiatin der Wiener Philharmoniker alles drauf. Ihr Partner Damian Keller auf dem Akkordeon bereitet nicht nur den klanglichen Untergrund, sondern glänzt durch rhythmische Akzente und sensibel gestaltete melodische Linien.
Begeisternde Virtuosität
Um 19.30 Uhr ging es dann in den Saal, der nicht im klassischen Bühne-Publikum-Setting bestuhlt war, sondern im Parkett kreisförmig auf einer Ebene um das musikalische Geschehen herum. Im Zentrum eine Batterie von Schlaginstrumenten mit Marimba- und Vibraphonen sowie einem Glockenspiel. Drei junge Schlagzeuger, der Feldkircher Matthias Kessler sowie die beiden Schweizer Luca Staffelbach und Fabian Ziegler, haben sich während ihres Studiums in Zürich zur Formation Trio Colores zusammengeschlossen. Matthias Kessler, Sohn des Feldkircher Violinpädagogen Markus Kessler, war Stipendiat der Herbert-von-Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker und Mitglied des Gustav-Mahler-Jugendorchesters. Derzeit ist er Solopauker bei den Hamburger Symphonikern. Seine beiden Schweizer Kollegen sind als Solisten international gefragt und spielten gemeinsam mit Martin Grubinger in dessen Percussive Planet Ensemble. Als Trio Colores haben sie zahlreiche Preise und Wettbewerbe gewonnen, unter anderem den renommierten Schweizer Migros-Preis. Jeder einzelne der drei ist ein Virtuose auf seinen Instrumenten, für Begeisterung beim Publikum sorgen aber auch das absolut perfekte Zusammenspiel der Musiker und ihre sympathische, humorvolle Bühnenausstrahlung.
Den Saal kennen die drei jungen Musiker gut, sie haben dort ihre erste CD mit dem Titel „En Couleur“ eingespielt. Das Programm dieser CD mit Bearbeitungen unter anderem von Claude Debussy, Maurice Ravel und Darius Milhaud, bildete auch den musikalischen Mittelpunkt des Konzertes am Freitagabend. Was die drei jungen Musiker aus ihren Instrumenten herauszauberten, war schlicht und einfach sensationell. Mit unendlich vielschichtigen Klangfarben, hervorragenden Arrangements und einer aberwitzigen Virtuosität brachten sie das Publikum zum Staunen. Besonders hervorzuheben ist ein ungemein raffiniertes Arrangement von drei Sätzen aus Ravels Klaviersuite „Le Tombeau de Couperin“, das sich vor der Orchesterfassung des Komponisten nicht zu verstecken braucht. Dazwischen wurde das Publikum Zeuge einer bemerkenswerten Uraufführung. Das effektvolle Werk „The Shadings of Nyx“ hat der Schweizer Komponist Fabian Künzli den drei Schlagzeugern auf den Leib geschrieben. Nach Zugaben anschließend im Foyer – jetzt noch mit zusätzlichem Instrumentarium – kannte die Begeisterung keine Grenzen mehr.
Schwarzenberg – Berlin – New York
Auffallend bei der .alpenarte ist die sehr entspannte und angenehme Atmosphäre vor, während und nach den Konzerten und es bestand immer die Möglichkeit, mit den anwesenden Künstler:innen in Kontakt zu treten. Am Samstagabend dann derselbe Ablauf, zunächst Pre-Concert, anschließend der Main Act im Saal. Jetzt gab es keinerlei akustische Konflikte im Foyer, da sich das Trio mit Flügelhorn, verstärktem E-Bass und Schlagzeug locker über alle Störgeräusche hinwegsetzen konnte. Es spielten drei Vorarlberger Jazzmusiker, die sich erst einmal zuvor getroffen hatten, der Trompeter Jakob Lampert aus Götzis am Flügelhorn, Michael Naphegyi am Schlagzeug und Leonard Winter am Bass. Sie überzeugten mit Jazzstandards von Thelonious Monk, Miles Davis oder Kenny Wheeler, aber auch durch eine Eigenkomposition von Jakob Lampert.
Im Saal dann das klassische Setting mit Musiker:innen auf der Bühne und dem – zahlreich erschienenen – Publikum im Parkett. Für das „Grand Concert“ hatte die Festivalleitung die spanische Geigerin María Dueñas und den russischen Pianisten Alexander Malofeev nach Schwarzenberg eingeladen. Beide sind zwar erst 22 Jahre alt, haben allerdings die erste Stufe einer internationalen Karriere bereits längst hinter sich gelassen. Unter der Leitung des Dirigenten Manfred Honeck, Vater der beiden Festivalintendanten Anna Maria und Matthias Honeck, hat María Dueñas das Violinkonzert von Ludwig van Beethoven mit den Wiener Symphonikern beim Label Deutsche Grammophon eingespielt und dafür den Opus-Klassik-Preis 2024 erhalten. Das :alpenarte-Programm der beiden Jungstars mit Werken von Karol Szymanowski, Gabriela Ortiz und César Franck ist im Anschluss an die :alpenarte noch zwei Mal zu hören: Im Pierre Boulez Saal Berlin und in der Carnegie Hall New York.
Detailgenaue Interpretation
María Dueñas beeindruckt durch ihre Bühnenpräsenz und ihren intensiven Klang, der ein wenig an vergangene Zeiten eines Jascha Heifetz, David Oistrach, Nathan Milstein oder Michael Rabin erinnert. Ihr Ton ist rund und schlackenlos, durch ihre sehr persönliche Art des Vibratos bekommt er vor allem in der Höhe eine unwiderstehliche Süße, der man sich kaum entziehen kann. Vor der Pause standen die Violinsonate op. 9 des Polen Karol Szymanowski sowie die Uraufführung von „De Cuerda y Madera“ der mexikanischen Komponistin Gabriela Ortiz auf dem Programm. Im zweiten Teil die herrliche Violinsonate des Belgiers César Franck, einem Stück, das der romantischen Spielweise von Maria Dueñas sehr entgegenkommt. Der russische Pianist Alexander Malofeev war ein aufmerksamer Partner, seine musikalische Gestaltung vor allem der Franck-Sonate konnte aber mit der sehr detailgenauen und durchdachten Interpretation von Maria Dueñas nicht ganz mithalten.
Vergleicht man die beiden Uraufführungen von Fabian Künzli und Gabriela Ortiz, geht der Pokal diesmal eindeutig in die Schweiz.