Jan Lundgren & Yamandu Costa: „Inner Spirits“
Mit dem schwedischen Pianisten Jan Lundgren und dem brasilianischen Gitarristen Yamandu Costa treffen zwei hochkarätige musikalische Feinspitze mit einem untrüglichen Gespür für starke Melodien und die Seele streichelnde Harmonien aufeinander. Beide stellen ihr virtuoses Können uneitel in den Dienst der gemeinsamen Sache und verzichten auf spezielle Highlights setzende Soli zugunsten eines aufs Engste verzahnten, permanent und nahezu unmerklich die Begleiter- und Solistenfunktion wechselnden Dauerdialogs. Dabei scheinen die unterschiedlichen musikalischen Wurzeln – nordische Tradition, europäische Klassik, Zeitgenössisches und Jazz einerseits, die Musiken Lateinamerikas andrerseits – nichts Trennendes zu bewirken, sondern vielmehr eine wechselseitige Inspiration anzuheizen.
Beide stellen mit jeweils fünf Stücken ihr kompositorisches Talent unter Beweis. Yamandu Costa widmet eine wundervoll elegante, nostalgische Melodie dem französischen Filmmusik-Spezialisten, Pianisten und Sänger Michel Legrand, sorgt mit „Para Aprender A Amar“ und einem imposanten, kleinen Basslauf auf seiner siebensaitigen Gitarre zum Auftakt für einen mitreißenden melancholischen Opener, und lädt mit dem quicklebendigen „Choro Para Paquito“ zum flotten Tänzchen ein. Ähnlich lebhaft, wenn auch etwas dramatischer klingt „Diplomata“, während die sanfte, folkige Ballade „Nina“ als einziges Stück eher in die europäische Tradition verweist. Jan Lundgren widmet je ein stimmungsvoll-melodienseliges Stück dem sardischen Trompeter Paolo Fresu und dem französischen Akkordeonisten Richard Galliano, seinen beiden Trio-Partnern des überaus erfolgreichen, auf drei Alben verewigten „Mare Nostrum“-Projekts. Mitreißend gerät die Hommage an seine Frau „Hannah“, die Sängerin Hannah Svensson, die sich dafür als Co-Komponistin des in eleganter Tristesse tänzelnden „Summer Kind of Love“ bedankt. Und mit dem kubanisch angehauchten „Habanera“ wagt sich auch der Schwede erfolgreich auf das angestammte Terrain seines Duo-Partners. Aber auch Fremdkompositionen fügen sich nahtlos ein. Etwa das sanft wogende „Uma Prece“ oder das auch vom brasilianischen Filmklassiker „Orfeo Negro“ her weltbekannte „Manhā De Carnaval“ – beide aus der Feder des legendären Bossa Nova-Spezialisten Luiz Bonfá. In dieselbe Kerbe schlägt auch Antônio Carlos Jobims „Garoto“, wohingegen „Nocturne“ des populären schwedischen Liederdichters Evert Taube naturgemäß ins nordisch Volksliedhafte verweist. Herausgekommen ist ein exzellent musiziertes, in Schönheit schwelgendes Album, nahezu berstend vor musikalischem Wohlbefinden, in dem melancholische Anflüge höchstens die optimistische Grundstimmung variieren. So etwas könnte auch langweilig geraten, wenn es weniger exzellente Musiker spielen würden. Es ist ein wahrer Genuss und vielleicht ein ideales Fluchtvehikel aus den trüben Zukunftsszenarien, die dem Globus nicht unbedingt Schönes verheißen. (ACT)
Dieser Artikel ist bereits in der Print-Ausgabe der KULTUR Oktober 2024 erschienen.