Neu in den Kinos: „Projekt Ballhausplatz“ und „Kurz – Der Film“
Zwei Dokumentationen über den Ex-Kanzler bewegen die Gemüter: gewissenhaft die eine, manipulativ die andere. Zwei Jahre nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz als Bundeskanzler spiegeln sich nunmehr im Kino die Positionen der Kritiker und Fürsprecher wider. Und alle werden sich nur den Film ansehen, der die eigene Meinung vertritt.
„Warum soll an jedem Unrecht ich immer schuld sein?“ Vor zwei Jahren saß der ehemalige Bundeskanzler Sebastian Kurz im ZiB2-Studio und zeigte sich schwer beleidigt. Kurz musste zu Korruptionsvorwürfen Stellung beziehen und wollte nicht verstehen, warum er gegen das Gesetz verstoßen haben sollte. Oder tat so, als könne er es nicht verstehen. Mittlerweile hat die Justiz ermittelt, in wenigen Wochen muss sich Kurz wegen des Verdachts auf Falschaussage im U-Ausschuss vor Gericht verantworten.
Mit diesem Ausschnitt beginnt Kurt Langbeins Dokumentation „Projekt Ballhausplatz“. Ein gut gewählter Einstieg für diesen Film, der zeigt, in welche Rolle sich Sebastian Kurz in den vergangenen zwei Jahren eingelebt hat: in der des politischen und unverstandenen Opfers.
Doch glücklicherweise ist für Kurz-Fans knapp vor Kinostart des Langbein-Films ein für österreichische Finanzierungsmodelle eigentümlicher Antagonist aufgetaucht, der sich dem türkisen Ex-Kanzler ganz ohne Berührungsängste widmet: „Kurz – Der Film“ von Sascha Köllnreitner, für den es laut deutscher Produktionsfirma keinen österreichischen Auftraggeber gegeben hat. Ein turmhohes Plakat am Donaukanal machte den Anfang einer effizienten PR-Kampagne, bei der Premiere in einem Wiener Innenstadtkino gaben sich neben Kurz hochrangige politische Freundinnen und Freunde, Ex-Ministerinnen und amtierende ÖVP-Nationalratsabgeordnete die Ehre. Ein für das kleine Österreich großes Medienspektakel, neben dem der bescheidene Auftritt der Langbein-Doku wenige Tage später nahezu verblasste.
Wer recht hat und wer nicht
Vergleicht man die beiden Filme, macht sich zuallererst ihre unterschiedliche Perspektive auf das „Phänomen Kurz“ – hier die sympathisierende, dort die kritische – bemerkbar: Während bei Köllnreitner der nunmehrige Unternehmer Kurz ausreichend zu Wort kommt und die Geschehnisse aus seiner Sicht erklären darf, verweigerte er – ebenso wie Ex-Finanzminister Gernot Blümel und der ÖVP-Kommunikationschef Gerald Fleischmann – dem „Projekt Ballhausplatz“ die Mitwirkung. Weshalb Langbein wiederum auf Erzählungen und Erklärungen von „Kurier“-Ex-Herausgeber Helmut Brandstätter, dessen NEOS-Kollegin Stephanie Krisper, Ex-Politiker Matthias Strolz und „Falter“-Redakteurin Barbara Tóth setzt. Wodurch beide Filme wirken, als seien sie für eine jeweilige Klientel gemacht. Was auf der einen Seite aussieht wie ein schicker türkiser Werbefilm, wirkt auf der anderen aufgrund seiner Seriosität nahezu brav. Doch der Vorwurf der Einseitigkeit gegenüber Langbein, wie ihn konservative heimische Zeitungen vorbringen – „Ein Klassentreffen der Kurz-Kritiker“ titelte „Die Presse“ –, greift ins Leere. Denn während Köllnreitner bewusst auf kritische Stimmen verzichtet und sich nun mit Aussagen von Ex-Kanzler Christian Kern und Matthias Strolz konfrontiert sieht, sie unter falschem Vorwand als Interviewpartner gewonnen zu haben, hat der altgediente Fernsehregisseur und -Produzent Langbein selbstverständlich Kurz und dessen gesamte damalige Entourage um Stellungnahmen gebeten – ohne Erfolg.
Masterplan des Messias
Langbein ist weder Investigativjournalist noch Michael Moore. Also ist er nicht ins Silicon Valley gefahren und hat Kurz an seinem neuen Arbeitsplatz als Lobbyist beim libertären Milliardär Peter Thiel zur Rede gestellt. Stattdessen folgt er mit seinem – im Vergleich zu „Kurz“ – aufschlussreichen Film chronologisch jenem Masterplan, mit dem Kurz sich vom peinlichen „Geilomobil“ der Jungen ÖVP im Wiener Gemeinderat 2010 nach oben arbeitete – vom Außenminister und der ominösen „Schließung der Balkanroute“, vom Migrationsforscher Gerald Knaus als „großer Bluff“ bezeichnet, bis ins Kanzleramt. Im Vergleich zu allem, was Kurz auf diesem Weg überschritten habe, wirke „Ibiza wie ein Kindergeburtstag“, so Ex-FPÖ-Klubchef und Ibiza-Protagonist Johann Gudenus, der sich Langbein zur Verfügung stellte und nun darüber bekümmert ist, dass ihm Kurz die besten Ideen geklaut habe.
Bemerkenswert an beiden filmischen Dokumentationen ist am Ende die Tatsache, wie mit ihnen als zeitgenössisches politisches Dokument umgegangen wird. Als würden die einen nach wie vor auf die Wiederkehr des Messias hoffen und die anderen diesen als Gottseibeiuns fürchten, werden beide Produktionen gelobt oder geschimpft. Was bleibt ist die Tatsache, dass ein neoliberaler Populismus, der soziale Probleme erst gar nicht zu lösen gewillt ist, nicht nur die Demokratie beschädigt. Er macht ein Projekt Ballhausplatz möglich – nicht als Filmtitel, sondern als Masterplan für die Erlangung der politischen Macht sowie deren anschließende Ausübung mittels Einschüchterung, Message-Control und Manipulation.