Neu in den Kinos. „Mickey 17“
In der jüngsten Science-Fiction-Satire des südkoreanischen Oscarregisseurs Bong Joon-ho („Parasite") stirbt Robert Pattinson zwar nicht tausend, aber immerhin siebzehn Tode. Das ist auf dem fernen Planeten, der mit seiner Hilfe besiedelt werden soll, kein Problem – würde er nicht eines Tages seinem Doppelgänger gegenüberstehen. Gewohnt schwarzhumorig und mit bitterer Ironie inszeniert Bong seinen ersten Hollywoodfilm.
Ständing möchte jemand von Mickey wissen, wie sich das Sterben anfühlt. Nicht im tiefsinnigen Gespräch über die Endlichkeit des Lebens, sondern aus reiner Neugierde. „Hey, Mickey, wie fühlt sich das an?“, bekommt er regelmäßig zu hören und wird behandelt, als wäre er eine Puppe. Dabei ist er ein Mensch – oder besser gesagt, er war mal einer. Tatsächlich ist er die mittlerweile siebzehnte Version seiner selbst, ein „Expandable“ genannter Klon: Kaum ist es um Mickey geschehen, weil er schon wieder als Versuchskaninchen in den Tod geschickt wurde, wird er mit intakten Erinnerungen im 3D-Bioprinter wieder geboren. An das Sterben hat sich der Ersetzbare längst gewöhnt, egal ob er nun verbrennt, erfriert, erstickt oder zu Beginn von „Mickey 17“ in einer Gletscherspalte auf einem fernen Planeten liegt und in wenigen Augenblicken von einem Monster gefressen werden wird.
„Mickey 17“ ist der mit Spannung erwartete erste Hollywoodfilm des südkoreanischen Autorenfilmers Bong Joon-ho, der mit dem oscarprämierten „Parasite“ endgültig zum international gefeierten Regiestar avancierte. Und auf den ersten Blick scheint sich die mit Robert Pattinson starbesetzte US-Produktion nahtlos in das bisherige Werk Bongs einzufügen: Ein bitterer Humor prägt die Erzählung, in der sich ein Raumschiff mit zweihundert Menschen auf den Weg in den Weltraum macht, um auf einem vereisten Planeten eine Kolonie zu gründen. Bis ein Serum entwickelt wird, mit dem man in der giftigen Atmosphäre überlebt, muss das Versuchskaninchen Mickey etliche Male wiederauferstehen. Der Kaptiän ist der so herrschsüchtige wie einfältige Unternehmer und ehemalige Abgeordnete Kenneth Marshall (Mark Ruffalo), der seiner so arroganten wie manipulativen Frau Ylfa (Toni Collette) aufs Wort gehorcht. Mickey, in dieses absurde Weltraumabenteuer mehr oder weniger hineingestolpert, entdeckt derweil zwar mit seiner empathischen Freundin Nasha (Naomie Ackie) die Liebe seiner gezählten Leben, stirbt aber seine Tode als naiver Tor. Bis er eines Tages totgeglaubt zurückkehrt und seinem bereits gedruckten Nachfolger gegenübersteht.
Auf dünnem Eis
Bong Joon-ho ist dafür bekannt, dass er sich in seinen Filmen stets mit analytischer Präzision diverse Genres zu eigen macht und gewohnte Sehweisen spielerisch auf den Kopf stellt. Das gilt für den Thriller („Memories of Murder“) ebenso wie für den Monsterfilm („The Host“) oder das postapokalytische Endzeitgenre („Snowpiercer“). Auch „Mickey 17“ verdankt seinen skurrilen Witz diesem bewährten Verfahren: Die Satire reicht von der simplen Situationskomik – wenn Mickey wieder einmal aus dem High-Tech-Geburtskanal flutscht – über das Gegackere der zotteligen Aliens bis zur schrillen Zeichnung der Figuren, bei der vor allem Mark Ruffalo mit einer bereits von der Wirklichkeit überholten Trump-Parodie hervorsticht. Wesentliche Unterstützung liefert dabei bereits die Romanvorlage „Mickey7“ des US-Autors Edward Ashton, der seine bizarre Erzählung mit „Das wird der dämlichste Tod, den ich je hatte“ beginnen lässt.
Obwohl der Boden im Grunde also aufbereitet wäre, bewegt sich Bong mit „Mickey 17“ dennoch auf dünnem Eis. Das liegt vor allem an seinem eigenen Drehbuch, das eindeutig mehr will als notwendig wäre. Sobald Mickey Nr. 18 versucht, das Ruder und die Freundin zu übernehmen, gewinnt die Erzählung zwar an konventioneller Spannung, verzettelt sich zugleich aber in mehrere Nebenhandlungen. Das gereicht dem abgeschlossenen Schauplatz des Raumschiffes ebensowenig zum Vorteil wie einer vertiefenden Auseinandersetzung mit dem Doppelgängermotiv. Dass die antikolonialistische und gesellschaftspolitische Botschaft wenig subtil daherkommt, passt hingegen wiederum perfekt: Die Zuspitzung ist das Mittel zum Zweck. Und wer dann immer noch nicht erkannt hat, wie die Zukunft aussieht, braucht sich auch nicht vor ihr zu fürchten.
ab 06.03., Kino Bludenz, Kinothek Lustenau, Cineplexx Hohenems, Skino Schaan (OmU)