Neu in den Kinos: „Black Bag – Doppeltes Spiel“ ( © Focu Features)
Peter Füssl · 03. Mär 2025 · Musik

Das 1. jazzambach-Festival machte Lust auf mehr!

Gelungener Mix aus heimischer und internationaler Jazz-Elite begeisterte in Götzis

Eine geschickte, die unterschiedlichsten Formate und Stile kombinierende Programmierung mit zwölf abwechslungsreichen Konzerten in fünf Tagen, dazu noch Workshops und Gespräche mit manchen der teilnehmenden Künstler:innen – die Angebotspalette bei jazzambach brauchte bereits in der Pilot-Version den Vergleich mit vielen renommierten Festivals nicht zu scheuen. Das ist sicherlich dem reichen Erfahrungsschatz des Festival-Kurators David Helbock zu verdanken, der schon seit Jahren als vielgebuchter Pianist solo und mit unterschiedlichen Ensembles weltweit bei den renommiertesten Festivals und in den angesagtesten Jazzclubs zu Gast ist. Und Helbock als Qualitäts-Garant machte es sicherlich auch für das Land Vorarlberg und die Marktgemeinde Götzis etwas einfacher, das neue Festival gleich schon mit einem entsprechenden Startkapital auszustatten. Die oft sehr mühsame Sponsorensuche verlief ebenfalls auf Anhieb erfolgreich, und der neugegründete Förderverein jazzambach unterstützte Helbock nicht nur finanziell, sondern auch tatkräftig bei der Realisierung des Mammutprogrammes, das auch gleich schon auf ein beachtliches Publikumsinteresse stieß. Wen wundert’s da noch, dass zum Festival-Ende bereits das 2. jazzambach (18. - 22. Februar 2026) angekündigt werden konnte?

Im Folgenden seien hier die Konzertangebote von Freitag und Samstag etwas näher beschrieben – einmal um das breite Spektrum des Gebotenen aufzuzeigen, und zum Zweiten als kleiner Anreiz, sich vielleicht den nächstjährigen Termin gleich vorsorglich dick in den Kalender einzutragen.

Freitag, 28.2.25: Vom heimischen Lyrik-Perkussion-Projekt Mayer/Vogel ...

Schon seit 23 Jahren zelebrieren der wortgewaltige Norbert Mayer und der mit einem Drumset, einem ganzen Arsenal an Perkussionsinstrumenten, einer Loop-Maschine und elektronischer Effektgerätschaft bewehrte Alfred Vogel ihre experimentellen Poetry-Music-Performances. Ermüdungserscheinungen zeigen sie keine – zum einen, weil ihnen immer wieder etwas Neues einfällt, zum anderen, weil das alte, teilweise auf den empfehlenswerten Alben „Ü“ (2011) und „ÜÜ“ (2015) verewigte Material nichts an Brisanz und Witz verloren hat. Mayers unorthodoxer Sprach-Mix aus kunstvoll ineinander verschachtelten Bregenzerwälder Dialekt-Ausdrücken, englischen Satz-Fragmenten und hochdeutschen Zitaten berühmter Autoren, Philosophen, Politiker und Künstler eröffnet nicht nur den wildesten Assoziationsketten Tür und Tor, sondern immer wieder auch neuen Deutungsebenen, auf denen sich Kritik und Satire wirkungsvoll verbinden. Alfred Vogel, Bezau Beatz-Mastermind und einer der gefragtesten, auch international aktiven Rhythmiker des Landes, kommentiert, verdichtet und setzt Akzente mit seinem zumeist höchst sensiblen, dann wieder herzhaft zupackenden Spiel. Angesichts der Mayer’schen Verbal-Ergüsse aus Blitzgescheitem, Bauernschlauem und Urkomischem – da trifft schon einmal ein Sloterdijk-Bonmot auf eine hintergründig-banale Dialekt-Floskel – erweist sich Vogel als höchst erfinderisch, wenn es um das Erschaffen extravaganter Geräuschkulissen geht.
Die Alte Kirche bot für diese Performance zwar atmosphärisch, aber nicht unbedingt akustisch den idealen Rahmen – manchmal vernebelte zu viel Hall die Worte. Aber es zeugt von der Klasse der beiden Herren, dass sie sich davon nicht groß beirren ließen. Sie holten das Publikum – auch durch Mitmachaktionen – immer wieder mit an Bord und sorgten trotz unterkühlter Temperatur für herzerwärmende Unterhaltung. Da passte selbst der Zufall, dass zu Mayers finalen Worten "müüsle-rüobig, tooto-schtill“ wie auf Knopfdruck die Kirchenglocke zu bimmeln begann, ganz perfekt ins Bild.
Wer das Gebotene versäumt hat, kann ab kommendem September manches wenigstens nachlesen, dann wird nämlich im Innsbrucker Haymon Verlag nach „die roßquelle.gedichte“ (1996) und „Wortungen. Gedichte“ (2004) ein neuer Band mit Mayer-Texten erscheinen.  

... über Rantala/Helbocks höchst vergnügliches Piano-Feuerwerk ...

Die zwei aneinandergestellten großen Bösendorfer-Flügel ergaben nicht nur ein imposantes Bild, sondern auch die ideale Spielwiese für Quasi-Hausherr David Helbock und seinen finnischen Kollegen Iiro Rantala, die beide zu den Zugpferden des renommierten Münchner Jazz-Labels ACT zählen. Die beiden Tastenzauberer haben sich schon mehrfach künstlerisch duelliert, etwa in der Berliner Philharmonie oder anlässlich Helbocks 40. Geburtstag im Wiener Jazzclub Porgy & Bess. Man kannte sich also bestens. Folglich begannen gleich mit den ersten Tönen – und die gehörten zu einer atemberaubenden Interpretation des Ellington/Tizol-Klassikers „Caravan“ – die musikalischen Funken zu sprühen und die originellsten Ideen im kreativen Ping-Pong-Spiel hin und her zu sausen. Ein rasanter Anheizer mit zahlreichen Verweisen in die Jazzhistorie. Ähnlich Lustvolles zeitigten die spannenden und kraftvollen Duo-Improvisationen über Keith Jarretts „Country“ (von dessem legendären 1974-er Album „My Song“), über den Thelonious Monk-Standard „Think of One“ und – für viele der Überflieger dieses an Höhepunkten wahrlich nicht armen Konzertes – den Hendrix-Klassiker „Little Wing“. Diese Duo-Interpretation wurde der Experimentierfreude des Gitarrengottes durchaus gerecht – Jimi hätte vor Freude seine Gitarre angezündet, was den beiden Bösendorfer Flügeln gottseidank erspart geblieben ist.
Klarerweise standen auch Eigenkompositionen auf dem Programm: David Helbock steuerte „The Soul“ von seinem 2016-er Album „Into the Mystic“ bei, das dramatisches Aufbäumen, rasanten Nervenkitzel, erholsame Entspannungsphasen und viel Raum für diffizile Klangerkundungen bot. Kraftvoll war auch Rantalas „July“ von dessen Album „My Finnish Calender“ (2019) – nebenbei bemerkt: ein über die Maßen kreatives Konzeptalbum mit witzigen Texten, auf dem er jedem Monat eine Komposition gewidmet hat, um den Wechsel der finnischen Natur und deren Einfluss auf die Psyche der Finnen innerhalb eines Jahres abzubilden.
Beide Pianisten nützten die Gelegenheit, sich auch solo zu präsentieren. David Helbock tat dies mit dem legendären Prince-Hit „Purple Rain“ – er hat dem unkonventionellen, stilprägenden Jahrhundertmusiker ja bereits ein ganzes Solo-Album namens „Purple“ (2012) gewidmet. Iiro Rantala wiederum glänzte mit einem kleinen Hollywood-Potpourri, bestehend aus den wundervoll melodiösen Film-Klassikern „Singin‘ in the Rain“ und Charlie Chaplins „Smile“.
Natürlich kam auch der Brasilianer Hermeto Pascoal an diesem Abend zu Ehren, und dass es als Zugabe dann noch eine zwischen zartschmelzender Lyrik, rhythmischer Brisanz und spannungsgeladener Dramatik angesiedelte Beethoven-Interpretation gab erinnerte spät aber doch daran, dass beide Pianisten auch tief in der Klassik verwurzelt sind. Ohne Rantala, nur von Helbock, kann man „Beethoven #7, 2nd Movement“ auch auf dem bereits erwähnten „Into the Mystic“ nachhören.

... zum altbewährten Helbock-Trio Random/Control feat. die Sängerin Fola Dada

David Helbocks Trio Random/Control mit Johannes Bär und Andreas Broger ist nun schon mehr als 16 Jahre stets für Überraschungen gut, was nicht zuletzt auch der für ein Trio überaus großen Menge an verwendeten Instrumenten und deren rasend schnellem Wechsel zu verdanken ist. Bär allein betätigt sich an Tuba, Euphonium, Sousaphon, Trompete, Alphorn, Schlagzeug und Didgeridoo und noch dazu als Human Beatbox, wobei er mittlerweile auch an den Blasinstrumenten fast ausschließlich als exzellenter Rhythmiker in Erscheinung tritt und man sich kaum mehr erinnern kann, wie ein „konventionelles“ Solo von ihm klingen würde. (Grandios, um die Frage gleich zu beantworten.) Broger kann sich nun wieder auf seine expressiven Soli auf diversen Saxophonen, Klarinetten und auf Querflöte konzentrieren, nachdem er kurzzeitig auch die Gesangsparts in den neuen Stücken mit von David Helbock vertonter Lyrik übernommen hatte. Diese Rolle ist der aus Stuttgart stammenden Jazz-Sängerin, Komponistin, Stimmtrainerin und Hochschuldozentin Fola Dada, die gemeinsam mit dem Pianisten Rainer Tempel selber schon zwei Alben mit Liedern zu Texten von E. A. Poe und Emily Dickinson herausgebracht hat, praktisch auf den Leib geschneidert. Mit ihrer wundervollen, ausdrucksstarken Alt-Stimme verleiht sie den unterschiedlichsten Texten eine unverwechselbare Gestalt, die von David Helbock in einfallsreiche, mit rhythmischen und harmonischen Finessen und verblüffenden Wendungen gespickte, soundfarben-reiche und vom emotionalen Gehalt her passgenaue Kompositionen gekleidet wurden. Das funktioniert bei „Infant Joy“ von William Blake, dem englischen Dichter und Naturmystiker aus dem 18. Jahrhundert, ebenso perfekt, wie bei „Truth“ von Emily Dickinson, der unkonventionellen US-Amerikanerin aus dem 19. Jahrhundert, oder beim Kurzgedicht „Freiheit“ des politischen Lyrikers Erich Fried. Aber auch Madonnas „Like a Prayer“ läuft mit Helbocks rasanten, bis zu donnernden Akkorden gesteigerten, emotionsgeladenen Piano-Exkursionen, Bärs funky Alphorn-Rhythmen und Brogers feurigem Tenorsax zu ganz großem Kino auf. „Song of a Dream“ der indischen Dichterin Sarojini Naidu ist hingegen als mit zahlreichen Klangeffekten unterfütterte, ultralangsame Ballade angelegt, und auch das ergreifende Piano-Vocals-Duo „Hymn for Sophie Scholl“ ist ein Ruhepol. Ganz im Gegensatz zum Funk-Rock-Dance-Klassiker „1999“ von Prince, in dem trotz Weltuntergangsstimmung heftig Party gefeiert wird – das ist übrigens das einzige der hier erwähnten Stücke, das nicht auf dem neuen, von Little Konzett in den Little Big Beat Studios aufgenommenen und bei jazzambach präsentierten neuen Album enthalten ist.

Samstag, 1.3.25: Vom hochkarätigen a-cappella-Gesang von „Of Cabbages and Kings“ ...

Neo-a-cappella nennt die aus Lauterach stammende Jazz-Sängerin Veronika Morscher – die in die Alte Kirche ihre ebenfalls mit wundervollen Stimmen ausgestatteten Kolleginnen Laura Totenhagen und Fama M’Boup mitbrachte – den Stil der Gesangsgruppe „Of Cabbages and Kings“. Das seit 2015 bestehende Ensemble hat – von Morscher und Totenhagen abgesehen – mehrere Personalwechsel hinter sich, gleichbleibend ist aber der gepflegte Gesang auf Top-Level, die interessanten Arrangements und der Sinn für Witziges und Ausgefallenes. Das gilt für die Texte von Ingeborg Bachmann bis William Shakespeare ebenso, wie für die von allen Beteiligten beigesteuerten, selbstkomponierten und -getexteten Songs. Die Sängerinnen wechseln sich in der Lead-Funktion ab, wodurch auch die unterschiedlichen Backgrounds der Beteiligten zum Tragen kommen. Morscher studierte in Köln, Wien und am Berklee College of Music in Boston Jazz-Gesang, hat aber auch Psychologie studiert und ist zertifizierte Yoga-Lehrerin. Laura Totenhagen ist auch als ausgebildete Oboistin aktiv, und Fama M’Boup ist eine deutsch-senegalesische Sängerin mit Griot-Hintergrund. Drei Individualistinnen also, die aber ihre bewundernswerten Talente ganz selbstverständlich in den Dienst eines perfekten Ensemble-Klanges einbringen. Stilistisch bewegen sie sich ganz souverän im Spannungsfeld von Jazz, Pop, Folk, Spoken-Word und experimentellen Soundfindungen. Zwar verstärkt, aber unter Verzicht auf jegliche technischen Effekte bringen sie ihre klaren Stimmen sehr präzise zur Wirkung und lassen Komplexes einfach klingen – mal kraftvoll, mal sensibel, aber stets mit spürbarem Spaß am musikalischen Geschehen. Ein Spaß, der sich rasend schnell aufs Publikum überträgt.

... über das exzellente Cuban-Jazz-Duo Marialy Pacheco & Joo Kraus ...

Die 1983 geborene, kubanische Pianistin Marialy Pacheco wurde bereits im zarten Alter von sieben Jahren ins Konservatorium von Havanna aufgenommen, studierte Klavier und Komposition, gewann 2012 als erste Frau die „Piano Solo Competition“ des Montreux Jazz Festivals, ist offizielle Bösendorfer-Artistin, lebt seit 2013 in Deutschland, ist auf einem guten Dutzend Jazz- und Latin-Alben zu hören und hat in Götzis ganz begeistert auf ihr neuestes Klassik-Album hingewiesen, einer Einspielung von J.S. Bachs „Concerto“ Nr. 7 in g-Moll (BMV 1058) mit dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn unter der Leitung von Gordon Hamilton. Auch die Biographie des aus Ulm stammenden Trompeters Joo Kraus liest sich abenteuerlich – von der 1980-er-Jahre Krautrock-Band Kraan, über das Hip-Jazz-Duo Tab Two mit dem Bassisten Helmut Hattler, einem guten Dutzend Produktionen unter eigenem Namen, Kollaborationen mit Jazzkantine, DePhazz, Klaus Doldinger’s Passport bis zum Bossanova Trio mit Paula Morelenbaum und Ralf Schmid. Kraus zählt mit Sicherheit zu den gefragtesten Trompetern im deutschsprachigen Raum, und hat bereits 2007 im legendären Egrem-Studio in Havanna mit sechs kubanischen Musikern sein Album „Sueño“ aufgenommen. Beste Voraussetzungen also für ein Duo von Pacheco und Kraus, die seit 2014 zusammenspielen, als die Kubanerin den Trompeter für zwei Stücke auf ihrem Album „Introducing“ ins Studio holte, weil er so „kubanisch“ klang, wie sie lachend erzählte.
Dabei folgte das Duo einer geschickten Dramaturgie, startete mit zwei stimmungsvollen, auch Pop-Fans bestens bekannten Balladen – Stings „Englishman in New York“ und Michael Jacksons „Earth Song“ – und nahm zunehmend an Fahrt auf. „Tokyo Call“ ist der Titelsong ihres 2012 in Japan aufgenommenen Trio-Albums, ein pulsierendes Stück über ihre Eindrücke von dieser Metropole mit Kraus zur Abwechslung mal am Flügelhorn und mit Mouth-Percussion, die er über den Abend hinweg immer wieder zur Begleitung von Pachecos Solo-Exkursionen einsetzte. Darauf folgte ein Blues in Erinnerung an die Montreux-Competition, die sie mit einem ebensolchen gewonnen hatte. Kraus meinte zwar, Blues sei nicht so sein Ding, verblüffte dann aber mit einem Solo auf der eigens präparierten Trompete und einer lässigen Variante desselben in gepfiffener Form zu den kraftvollen Blues-Akkorden der Pianistin. Der Son Cubano „Tres Lindas Cubanas“ aus dem 19. Jahrhundert, war jener Song, der die beiden einstmals zusammengeführt hatte, denn „das ist die Poesie, die ich brauche, und Joo ist ein Poet auf der Trompete“, so Pacheco. Nach einem Stück von explosiver Schnelligkeit, in dem Kraus seine Trompete mit elektronischen Sound-Effekten zu Pachecos unglaublich effektvoller, Minmal Music-artigen Begleitung aufpeppte, ging das Konzert mit einer kubanischen Zugabe unter viel Applaus zu Ende. 

... zum von Bässen beflügelten, experimentierfreudigen Großformat onQ feat. Peter Herbert

Das vom aus Hohenems stammenden Bassisten Tobias Vedovelli und vom Tiroler Pianisten/Keyboarder Michael Tiefenbacher vor fünf Jahren während der Corona-Lockdowns ins Leben gerufene Musiker:innen-Kollektiv onQ konzentriert sich nicht nur auf Kompositionen der beiden Gründer, sondern hat auch schon mehrere interessante „Composer’s Specials“ – etwa mit Stepan Flagar, Ole Morten Vågan, Judith Ferstl, Flora Geißelbrecht oder Christoph Pepe Auer – auf die Bühne gebracht.
Der aktuelle Kompositionsauftrag wurde nun an Peter Herbert vergeben, der nicht nur als exzellenter Kontrabassist, sondern auch als unkonventioneller Komponist schon über vier Jahrzehnte hinweg fleißig an der Jazz-Historie mitschreibt. Herbert hatte freie Hand bei der Zusammenstellung des Ensembles und entschied sich für ein aus drei „Elementen“ bestehendes. Geht man von der kleinsten Einheit aus, wären da einmal die Scruffy Herberts, ein Trio bestehend aus Peter, seiner Cello-spielenden Frau Margarethe und seinem Neffen Kenji an der E-Gitarre. Dazu kommt ein Streichquartett mit den Violinistinnen Joanna Lewis und Phoebe Violet, Emily Stewart an der Viola und Melissa Coleman am Cello. Und schließlich noch der onQ-Rhythms&Horns-Block mit Tiefenbacher und Vedovelli, sowie Valentin Duit an den Drums, Martin Eberle an der Trompete und der Reeds-Section mit Stepan Flagar und Leonhard Skorupa – alle zusammengenommen ergibt der Dreierpack ein dreizehnköpfiges Großformat.
Bei der Uraufführung am 24. Februar im Wiener Jazzclub Porgy & Bess wurden zwei mehr als einstündige Sets gespielt. Das erste bestand aus neuen Nummern und Arrangements in Tutti-Besetzung, einem Streicherquintett (Quartett plus Tobias Vedovelli) und einem Duo der beiden Kontrabassisten. Die zweite Programmhälfte bestand aus einem neu arrangierten Auszug aus Peter Herberts „Alphabet City“, in denen er Erinnerungen an seine Zeit in New York verarbeitet. Aus Zeitgründen wurde bei jazzambach eine gut einstündige Kombinantion aus den beiden Sets gespielt.
Den Abend startete Herbert mit einem berühmten Zitat von Mauricio Kagel: „Nicht alle Musiker glauben an Gott, aber alle glauben an Johann Sebastian Bach.“ Dementsprechend hat er mit den Tönen A, B, H und C eine Fuge komponiert, in der expressive Soli von Martin Eberle und Michael Tiefenbacher in orchestrale Klänge eingebettet sind, die reizvoll zwischen swingenden und abstrakten Passagen oszillieren.
„Ren(n)t a Rentner“ ist eine witzige Anspielung an sein vor nicht allzu langer Zeit angetretenes Rentnerdasein, was bedeute, dass man wenig Geld habe und sich wieder um Engagements kümmern müsse, also praktisch: „Zurück an den Start“. Das Stück beginnt mit einem extrem lässigen, perkussiven Einstieg, bei dem alle Musiker:innen rhythmisch auf ihre Instrumente klopfen, wird durch exzellente Soli von Stepan Flagar auf dem Sopran-Sax, Leonhard Skorupa auf der Bassklarinette und Kenji Herbert auf der E-Gitarren geprägt und gipfelt schließlich in einer perkussiven Rhythmus-Orgie, in die ein Cello-Solo von Melissa Coleman eingebettet war.
Die „Alphabet City“ ist jener Teil der Lower East Side, erzählte Peter Herbert, in dem er wegen der günstigen Mieten gelebt habe, weil die Gegend so gefährlich war, dass sogar die Taxis sich weigerten, hineinzufahren. Jede Straße war mit einem Buchstaben bezeichnet und er kombinierte jeden Buchstaben mit Begriffen und Assoziationen aus jenen Sprachen, die für sein Künstlerleben von Bedeutung waren. Das war der Ausgangspunkt für die eine Stunde dauernde Komposition gleichen Namens, aus der stilistisch vielschichtige und höchst originelle Exzerpte gespielt wurden, in denen die drei unterschiedlichen Band-Formate vom Trio, über die Streicherinnen bis zum Großensemble ihre speziellen Schlaglichter setzten. Ein Höhepunkt des Abends war dann das mit technischen Tricks und Raffinessen gespickte Kontrabass-Duo „For Tobi“, das Herbert gemeinsam mit seinem einstigen Studenten Vedovelli zu Gehör brachte – kraftvoll, unkonventionell, virtuos und überaus spannend.
Eine weitere Ensemble-Nummer war durch überlange Pausen und deren einfallsreichen Auflösungen geprägt, ehe als Zugabe noch ein Buchstabe aus „Alphabet City“ gespielt wurde: G wie „Genki“, was auf Japanisch bedeute, dass es einem gut gehe, dass man in guter Stimmung sei, erklärte Peter Herbert. Vielleicht ein versteckter Hinweis auf seinen 65. Geburtstag, den er womöglich mit diesem exzellenten Konzert feierte? Denn Peter Herbert wurde am 29. Februar geboren, der bekanntlich nur alle vier Jahre im Kalender steht und somit am 28.2 oder am 1.3. gefeiert werden kann. Wie auch immer: Happy Birthday, lieber Peter! Jetzt hast du auch schon deinen 16. Geburtstag hinter dir ...

Und last but not least, ein Fazit zum Festival

Selbst wenn man nur zwei Tage dabei sein konnte, und Highlights wie Peter Madsen’s Silent Movie Ensemble, das Jazzorchester Vorarlberg oder das mitreißende, brasilianische Gitarren-Vocals-Duo Alegre Corrêa & François Muleka versäumt hat, war klar, dass der bunte Mix aus internationalen und heimischen Künstler:innen (die großteils in Wirklichkeit ebenfalls schon längst internationales Niveau erreicht haben) perfekt geklappt hat. Die sichtlich zufriedenen Musiker:innen und das in Scharen erschienene Publikum fühlten sich in Götzis gleichermaßen wohl, die Atmosphäre war blendend. Das 1. jazzambach Festival machte Lust auf mehr – wie schön, dass dieser Wunsch mit Ausblick auf das 2. jazzambach gleich schon erfüllt wurde!

www.jazzambach.at