„Hirschfelds go to Izmir“ - die neue Produktion der freien Kompanie walktanztheater.com
Michael Pekler · 10. Jul 2024 · Film

Neu in den Kinos: „Madame Sidonie in Japan“

Isabelle Huppert tritt als untätige Schriftstellerin eine Lesereise durch Japan an. Nach Tagen der Trauerarbeit und dem Auftauchen ihres verstorbenen Mannes als Geist erwachen im Land der aufgehenden Sonne die Hoffnung und die Liebe.

Ein bemerkenswert seltsamer Film. Isabelle Huppert, eine der profiliertesten europäischen Darstellerinnen der letzten Jahrzehnte, spielt eine Schriftstellerin, die nichts schreibt. Der renommierte japanische Schauspieler Tsuyoshi Ihara spielt ihren Verleger, der in lächerlichen Stehsätzen („Sie dürfen sich nicht nur als einsame Kämpferin sehen. Sie sind auch eine Frau.“) spricht. Und August Diehl, einer der wenigen deutschen Darsteller mit internationalem Niveau, spielt ihren verstorbenen Mann und somit einen Geist, der aussieht, als wäre er aus einem Blatt Papier ausgeschnitten und in den Film geklebt worden. Weil „Madame Sidonie in Japan“ („Sidonie au Japon“) aber erst gar nicht versucht, diese scheinbaren Unzulänglichkeiten zu verstecken, sondern sie bewusst als Wirkung einsetzt, entwickelt diese sommerliche französisch-japanische Romanze sogar einen gewissen Reiz.
Vor vierzig Jahren hat Sidonie Perceval ihren Debütroman „Die Silhouette“ verfasst und darin einen Schicksalsschlag verarbeitet. Eltern und Bruder sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Die Einladung nach Japan anlässlich der Neuveröffentlichung nimmt sie zögerlich an, fast versäumt Sidonie ihren Flug. Die erste Gelegenheit für Huppert, ihre Paraderolle der zwänglerischen Neurotikerin auszutesten. „Ich hatte Angst vor dem Unbekannten“, sagt sie bei der Ankunft zu ihrem japanischen Verleger Mizoguchi, der ihr fortan nicht mehr von der Seite weicht. Zunächst bei den Interviewterminen, schließlich bei Ausflügen nach Kyoto zu den Tempeln und Schreinen. Wenn sie nebeneinander auf der Rückbank des Autos sitzen, liegen ihre Hände nahe nebeneinander. Mittels Rückprojektion ziehen Stadtlandschaften und Kirschblütenalleen vorbei, die ausgestellte Künstlichkeit geht mit den konstruierten Biografien einher: Auch Mizoguchi leistet Trauerarbeit, sein Vater spricht als Hiroshima-Überlebender mit den Toten, seine Frau hat ihn verlassen, der Bruder starb beim Erdbeben in Kobe. Dass das Auftauchen von Sidonies ebenfalls bei einem Autounfall ums Leben gekommenen Ehemann Antoine einen einzigen Zweck hat, nämlich die Zurückgelassene davon zu überzeugen, dass das Leben weitergeht, erkennt auch der bald eingeweihte Mizuguchi sofort: „Wenn er Ihnen erscheint, dann haben Sie noch was zu klären.“

Aufhellender Humor

Regisseurin Élise Girard inszeniert diesen Film mit in Watte gepacktem Holzhammer. So künstlich die wie Postkarten aussehenden Schauplätze wirken, so konstruiert ist der die Trauerarbeit aufhellende Humor. „Sidonie-san“ verbeugt sich als westliche Touristin zu schnell und zu oft, sie hat einen knallroten Koffer und kauft sich in der Dunkelheit blinkende Turnschuhe. Der Running Gag mit Sidonies Handtasche, die Mizoguchi sie nicht tragen lassen will, zieht sich bis zum Ende, und der tote Antoine erwartet sie gerne auch mal in der Badewanne sitzend. Selbstverständlich in Kleidung und ohne nass zu werden. Und auf der Autorückbank wird es zu dritt slapstickartig eng.
„Madame Sidonie in Japan“ ist nicht „Hiroshima, mon amour“, und nicht nur deshalb liest Sidonie statt Marguerite Duras lieber Nathalie Sarraute. Dem auch im Kino gerne verwendeten Motiv des Aufeinandertreffens westlicher und japanischer Kultur kann Girard wenig hinzufügen, im Gegenteil wirkt ihr Film mitunter wie eine bewusst bizarre Aneinanderreihung zahlreicher west-östlicher Klischees. Es ist alles gut gemeint in diesem Film, gerade weil alles so falsch aussieht. 

ab 12.7., TaSKino im GUK Feldkirch (OmU)