Iiro Rantala HEL Trio: „Tough Stuff“
Kreativität, Neugier, Spielwitz und jener unverwechselbare, schräge Humor, der vielen finnischen Kunstschaffenden aller Genres eigen ist, sind die wichtigsten Ingredienzien für den reichhaltigen musikalischen Output des 1970 in Helsinki geborenen Pianisten und Komponisten Iiro Rantala. Der präsentiert nun – 18 Jahre nach dem Aus seines lustvoll-anarchischen Trios Töykeät, mit dem er zwischen 1980 und 2006 acht Studioalben aufgenommen und tausende von Konzerten gespielt hat – sein neues Trio mit dem schwedischen Drummer Anton Eger und dem britischen Kontrabassisten Conor Chaplin.
Nicht dass Rantala in der Zwischenzeit untätig gewesen wäre, ganz im Gegenteil, denn er ist ein ruheloser, experimentierfreudiger Geist ohne jegliche Berührungsängste, was sich in seinen zahlreichen Einspielungen für das Münchner Jazz-Label ACT widerspiegelt. Da finden sich Solo-Alben („Lost Heroes“, „My Finnish Calendar“, „My Working Class Hero“), Duo- und Trio-Alben, aber auch Orchestereinspielungen mit der Kammerphilharmonie Bremen oder Mitgliedern der Berliner Philharmoniker. Rantala beschäftigte sich ausführlich mit J.S. Bach und John Lennon, Mozart und Bernstein und schöpft aus Jazz, Klassik, Pop und nordischer Musik passende Elemente für seine zahlreichen Eigenkompositionen. Diese sind durch eingängige Melodien, interessante Harmonien und oftmals nahezu überschäumende Spielfreude geprägt. Das trifft auch auf das HEL Trio (benannt nach der internationalen Abkürzung für den Flughafen Helsinki) zu, in dem Eger und Chaplin, die auch gemeinsam im Quintett von Marius Neset spielen und somit ein bestens eingespieltes Rhythmus-Gespann bilden, die stilistischen Bocksprünge des Bandleaders auf ideale Weise unterstützen und befeuern. Gleich mit dem Titelsong „Tough Stuff“ wird das locker swingende und gleichwohl energiegeladene, Gospel- und Soul-infiltrierte Grundgefühl des Albums angelegt – ebenso wie „Tee Four Three“ eine Verneigung vor dem Pianisten/Keyboarder Richard Tee und seiner 1970/80-er Fusion-Combo namens Stuff. Im überaus hektisch startenden „Tae Kwon Don’t“ lässt Rantala fernöstliche Kampfkunst auf Tango-Seligkeit prallen, mit dem rasanten „Will You Be My Bop“ plant er nichts weniger als die x-te Bebop-Ära einzuläuten und mit „Cabaret Perdu“ die längst vergangenen Zeiten großartigen Cabarets zu reanimieren. „Stockholm Syndrom“ ist ein gefangennehmendes, von typisch skandinavischer Melancholie erfülltes Piano-Trio-Stück à la e.s.t., während die gefühlvolle Ballade „A Lotta Love“ nichts mit Led Zeppelins „Whole Lotta Love“ zu tun hat, sondern seiner Frau Lotta gewidmet ist. Die einzige Fremdkomposition des Albums ist „Liberty City“ und stammt vom Solo-Album „Word of Mouth“ (1981) des legendären Weather Report-Bassisten Jaco Pastorius – eine spritzige Hommage mit dem dänischen Mundharmonika-Virtuosen Mathias Heise als special guest. „Tough stuff“ wird gerne mit „starker Tobak“ übersetzt – in diesem Fall eine „Zumutung“ höchst vergnüglicher Art.
(ACT)
Dieser Artikel ist bereits in der Print-Ausgabe der KULTUR Juli/August 2024 erschienen.