Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Michael Pekler · 09. Apr 2024 · Film

Neu in den Kinos: „Ein Glücksfall“

In seinem fünfzigsten Film präsentiert Woody Allen mit ironischem Augenzwinkern eine Dreiecksgeschichte aus dem herbstlichen Paris: Ein mit trockenem Humor erzählter romantischer Thriller über glückliche Zufälle, blinde Eifersucht und alte Liebe.

Es kommt nicht mehr oft vor, dass ein Regisseur in seiner Karriere auf fünfzig Filme verweisen kann. Außer man heißt Woody Allen und dreht seit den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts unbeirrt einen Film nach dem anderen. Dass man dabei unmöglich fünfzig Meisterwerke abliefert, versteht sich von selbst. Und nach zwei, drei Dutzend Arbeiten wird ohnehin die Quantität zur Qualität: Wenn jemand ein halbes Jahrhundert lang dermaßen hartnäckig meint Kinofilme drehen zu müssen, hat er sich zumindest für seine Ausdauer Respekt verdient. Außerdem dreht Woody Allen ohnehin immer den gleichen Film – er sieht nur jedes Mal ein wenig anders aus.
Um es vorwegzunehmen: „Ein Glücksfall“ („Coup de Chance“) ist nicht Woody Allens bester, aber, welch Glücksfall, bei weitem auch nicht sein schlechtester Film geworden. Nicht nur weil mit ausschließlich französischer Besetzung in Paris gedreht, wirkt die selbstverständlich von Woody Allen auch geschriebene Geschichte teilweise wie eine französische Salonkomödie – mit nicht ernst zu nehmender Kriminalhandlung.

Vorhang auf!

Alles beginnt damit, dass – man muss das im Sinne des Films tatsächlich so behaupten – eine junge hübsche Frau namens Fanny Fournier (Lou de Laâge) einem jungen attraktiven Mann namens Alain Aubert (Niels Schneider) über den Weg läuft. Und wie es der Glücksfall so will, haben die beiden in noch jüngeren Jahren dieselbe Schule besucht, war Alain schon damals unsterblich in Fanny verliebt und hat sein halbes Leben nur auf diesen Moment des Wiedersehens gewartet. Glücklicherweise ist Fanny seinen Komplimenten nicht abgeneigt, was vor allem daran liegt, dass sie zwar reich, aber langweilig geheiratet hat. Vorhang auf für eine Serie an Szenen in Parks und in Cafés, in denen die Verliebten das tun, was sie wollen, aber eigentlich nicht dürfen – einander (zu) nahe kommen.
Allen spart nicht mit ironischem Witz, wenn er den aufstrebenden Schriftsteller Alain als Hungerkünstler in eine Dachmansarde steckt und Fanny in eine Ehe mit dem geschniegelten Unternehmer Jean (Melvil Poupaud), der sein Geld damit verdient, reiche Leute noch reicher zu machen. In der Luxuswohnung präsentiert er gerne seine alte Spielzeugeisenbahn, für die ein ganzer Raum reserviert ist und die auch im Film hübsch aussieht, bei Geschäftsessen seine Frau. Die aufgrund ihrer heimlichen Liebe zunehmend das Interesse am Reichtum verliert, sich dadurch zuhause verdächtig macht und den Privatdetektiv nicht bemerkt, der die Fremdgängerin beschattet.

Falscher Zeitpunkt

Wie ein bestens geschmiertes Bühnenstück entwickelt sich diese auf wenige Schauplätze beschränkte Geschichte, in der auch noch Jeans Schwiegermutter (Valérie Lemercier) auftaucht und selbst Ermittlungen anstellt. Und während die italienische Kameralegende Vittorio Stararo, wie immer an Woody Allens Seite, die Straßen und Gärten von Paris in zarte Herbstfarben taucht und kunstvoll ausgeleuchtete Innenräume filmt, beginnt man sich zu fragen, wovon dieser Film eigentlich erzählt. Von einer verpassten Gelegenheit in Jugendjahren, die man glaubt nachholen zu können? Von einer zweiten Chance, die man sich leichtsinnig zerstören lässt? Dass man den anderen nicht lieben kann, wenn man ihn bloß besitzen möchte? Fragen, auf die vor allem im Kino eigentlich ausreichend Antworten existieren. 
Doch obwohl man sich in Woody-Allen-Filmen nicht unbedingt nach einer Botschaft umsehen muss, taucht in „Ein Glücksfall“, ist der letzte Vorhang gefallen, schließlich eine auf. Wenig erstaunlich ist es jene für Allen typische Lebenweisheit, mit der er bereits in seinen Spätwerken  „Café Society“ oder zuletzt „A Rainy Day in New York“ hantierte: Entscheidendes versäumt, wer sich im entscheidenden Augenblick falsch entscheidet. 

ab 11.4., Cinema Dornbirn (DF), ab 12.4. TaS Kino Feldkirch (OmU)