Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Anita Grüneis · 15. Mai 2019 ·

Narcissus im TAK - Wenn ein Junge nur noch sein Selfie liebt

„Narcissus“ hieß die Koproduktion von TAK Theater Liechtenstein, Espace 600 aus Grenoble und Elsinor Centro di produzione Teatrale aus Mailand, die im TAK seine Liechtenstein-Premiere feiern konnte.  Laut griechischer Mythologie ist Narziss der schöne Sohn des Flussgottes Kephisos und der Wassernymphe Leirope. Da er so schön ist, wird er von Männern wie Frauen gleichermaßen umworben. Doch er verschmäht alle. Wegen dieses Verhaltens wird er von der Göttin Nemesis mit unstillbarer Selbstliebe gestraft. Als er sich eines Tages zum Trinken über einen Teich lehnt, sieht er sein Spiegelbild, verliebt sich in dieses Wesen und erkennt nicht, dass es nur eine Spiegelung seiner selbst ist. Lange sitzt er am Teich und spricht mit dem Bild, das aber nicht antwortet. Beim Versuch, das geliebte Wesen zu umarmen, ertrinkt Narziss im Teich. An der Stelle, an der er gesessen hatte, wuchs eine weiße Blume, die Narzisse genannt wurde. 

Wenn man das Bild mehr liebt als sich selbst

Narziss liebte nicht sich selbst, sondern das Bild, das er von sich sah. Zu diesem Thema recherchierten Manuela Capece und Davide Doro bei Jugendlichen aus Frankreich, Italien und Liechtenstein. Aus diesem Material schufen sie die Produktion „Narzissus“, die nun im TAK Premiere feierte.
Zu Beginn war das Nichts, dann kam Davide Doro auf die Bühne, entdeckte das Publikum und flirtete mit ihm. Dabei liefen auf einer weißen Leinwand im Hintergrund Sätze wie: Die Erde ist ein wunderbarer Planet. Es gibt 200.000 Muscheln. Es gibt 600.000 Spinnentiere. Es gibt mehr als 7 Milliarden Menschen. Kannst du sie spüren? Dann wurde es dunkel und ein Lichtkegel leuchtete die die Gegend ab, wie das Lämpchen bei Pixar im Kino und eine Disco-Kugel sorgte für phänomenale Licht-Reflexe, dazu flackerte die Musik „Glass“ von Alva Noto & Ryuichi Sakamoto. Ein wunderbarer Schöpfungs-Einstieg. 

Der Junge will nicht das, was Vater will

Davide Doro brachte als Flussgott Kephisos ein Goldfischglas auf die Bühne, gefüllt mit allerlei Gummi-Getier. Er stellte sie alle in einer Evolutionsreihe auf, ging kurz hinter die Bühne und brachte von dort huckepack einen Jungen mit, seinen Sohn Narziss, gespielt von Tommaso Vaja. Ihm wurde nun die Welt des Vaters gezeigt, der dabei das Kind umtanzte, sich fast zerkugelte, um den Jungen irgendwie zu begeistern. Doch der fand einzig seine neuen Sneaker „Whow“. Weder der coole Rucksack, der ihm umgeschnallt wurde, noch das Znüni, noch das viele Geld, das ihm über den Kopf geworfen wurde, interessierten ihn. Davide Doro tat als rührender Vater wirklich alles, schüttete ihn mit „We love you“-Rufen zu und steckte ihm sogar noch rasch einen Revolver in den Rucksack. Dann aber bekam der Junge ein Geschenkpäckchen. Der Inhalt: Ein Handy! Schon sah die Welt anders aus. Für Vater und Sohn.  

Die Umwelt ist ein Handy-Video

Denn der Junge nahm ab sofort seine ganze Umwelt durch die Handy-Kamera wahr, dazu tauchten Sätze auf der Leinwand auf: Was willst du tun? Du bist perfekt. Warum bist du wichtig? Weil du jung bist? Weil du männlich bist? Etc. Narziss war und blieb aber der „Bad Guy“, wie Billie Eilish lautstark ab Band verkündete. Er kickte die Gummitiere zur Seite und filmte sich ab sofort nur noch selbst. Zu allem Unglück brachte der Vater dann auch noch eine Reflektorscheibe – damit der Boy sich besser sehen konnte? Damit war es um Narziss geschehen. 

Ziel nur teilweise erreicht

Dass dann sofort auf der Leinwand eine Reihe von Schwarzweiß-Bildern von Flüchtlingen flimmerten, war doch leicht degoutant. Flüchtlinge haben mit Selbstliebe nichts zu tun! Auch wenn dann später die Sätze auf der Leinwand aufschienen: „Welche Geschichte interessiert dich? Nur deine? Die deiner Eltern?“ Die Idee, die Selbstverliebtheit der jungen Menschen, ihren Selfie-Tick und ihr nahezu autistische Verhalten durch die Handy-Bezogenheit zu zeigen, war zu wenig gut umgesetzt. Das hätte tiefer und besser ausgearbeitet werden können. So blieb der Eindruck einer Produktion, die gut beginnt und dann merklich ausdünnt. Das eigentliche Thema blieb dabei auf der Strecke.