"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Silvia Thurner · 17. Mai 2018 · Musik

Zuerst seelenvoll, dann inhaltsleer – Große Kontrasterlebnisse bei den Bregenzer Meisterkonzerten

Zum Abschluss der Saison gastierte das Royal Scottish National Orchestra unter der Leitung von Peter Oundjian mit Werken von Britten, Beethoven und Brahms bei den Bregenzer Meisterkonzerten. Im Mittelpunkt stand Beethovens selten zu hörendes Tripelkonzert mit Nicola Benedetti (Violine), Jan Vogler (Violoncello) und Martin Stadtfeld (Klavier). Während Benjamin Brittens „Four Sea Interludes“ eine mitreißende Kraft entfaltete und die Deutung des Tripelkonzertes Fragen offen ließ, war die Interpretation der vierten Symphonie von Johannes Brahms ein unbefriedigendes Hörerlebnis.

Die Orchestersuite „Four Sea Interludes“, op. 33a ist eine Zusammenstellung von vier Instrumentalparts aus Benjamin Brittens Oper „Peter Grimes“. In der Werkdeutung mit dem „Royal Scottish National Orchestra“ verströmten die anschaulichen musikalischen Bilder, die in Form von musikalischen Allegorien große Seelenlandschaften öffnen, eine mitreißende Strahlkraft. Die einzelnen Instrumentengruppen zeichneten die melodischen Linien und Motive gut intoniert nach und traten miteinander in vielgestaltige Beziehungen. So entstanden in sich fließende, glitzernde und in unzähligen klangfarblichen Nuancen zusammen 'gepixelte' Klangflächen. Schwebungen und perkussive Akzentuierungen entwickelten einen raumgreifenden musikalischen Fluss, der die vielgestaltigen emotionalen Felder auch psychologisch deutbar machte und noch lange nachwirkte. Peter Oundjian führte die Orchestermusikerinnen und –musiker sicher und kristallisierte das klangliche Potential in spannenden Phrasierungsbögen heraus.

Drei ungleiche Partner

Mit dem Tripelkonzert von Ludwig van Beethoven war eine Rarität angekündigt. Nicola Benedetti, Jan Vogler und Martin Stadtfeld agierten zusammen als konzertierendes Klaviertrio und entfalteten dabei zahlreiche feinsinnige Momente. Mit Humor und aufeinander bedacht musizierten Nicola Benedetti und Jan Vogler, indem sie sich die Themen und Motive zuspielten und einander mit Freude herausforderten. Auf diese Weise kam die Virtuosität der beiden auch in den höchsten Lagen hervorragend zur Geltung. Aus der Sprache heraus formte Jan Vogler das liedartig angelegte Solo im langsamen Mittelsatz.
Eine eigenartige Rolle innerhalb des Solistentrios nahm der Pianist Martin Stadtfeld ein. Gemeint ist dabei nicht die Tatsache, dass der Klavierpart von der kompositorischen Anlage aus betrachtet hinter den Streicherparts zurücksteht, sondern die Atmosphäre und der Kommunikationsfluss zwischen den Musikern. Insgesamt wirkte der Pianist weniger emphatisch am musikalischen Gesamtgeschehen beteiligt. Überdies verstärkte die mangelnde Qualität des Flügels im Bregenzer Festspielhaus den nuschelnden Klangeindruck und die sonderbare Positionierung der Musiker erleichterte die Dialogführung auch nicht. Das "Royal Scottish National Orchestra" phrasierte den Orchesterpart weich, jedoch in manchen Passagen auch undifferenziert.

Den eigenen Vorstellungen zuwider laufend

Die fesselnde Spielart des Orchesters bei Britten und die eher oberflächliche Strahlkraft des Orchesters bei Beethoven erhöhten die Spannung, in welcher Art das Orchester und Peter Oundjian wohl die vierte Symphonie von Johannes Brahms in e-moll, op. 98 ausgestalten werden. Bald nach der Exposition wurde klar, dass die Musiker einen Interpretationsansatz verfolgten, der meinen Vorstellungen in weiten Zügen zuwider lief. Zwar spielten die Musiker mit Emotion, jedoch mit einem unakzeptablen romantisierendem Gestus und wenig Konturen im Stimmenausgleich. Die fehlende Profilierung der Themengestalten, die lasche Intonation sowie die unzureichende Detailarbeit in den ersten drei Sätzen hinterließen einen schalen Gesamteindruck. Lediglich der Finalsatz mit einem schönen Flötensolo und schubartig in den Raum gestellten Akkordsäulen ließ kurzzeitig aufhorchen.
Als Zugabe machten das „Royal Scottish National Orchestra“ und Peter Oundjian dem Publikum mit einem Traditional eine Freude.