Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Peter Füssl · 03. Okt 2021 · Musik

What a Happy Fxxxing Concert! - 5K HD begeistern auch "unplugged" das zahlreich erschienene Spielboden-Publikum

2017 haben sich im Umfeld der Jazzwerkstatt Wien das Jazz-Quartett Kompost 3 und die Sängerin Mira Lu Kovacs zur Formation 5K HD zusammengeschlossen, um mit ihrem mit zahlreichen Jazz- und noch mehr Elektronik-Elementen angereicherten Avantgarde-Pop alle Genregrenzen überspringend große Erfolge zu feiern und Preise einzuheimsen. Die Lockdowns, Reiseerschwernisse und geschlossenen Clubs und Konzertsäle im Jahr 2020 bedeuteten selbstverständlich auch für diese kreativen Köpfe nicht nur zahlreiche Konzertabsagen, sondern endlich auch wieder einmal genügend Zeit, sich losgelöst vom üblichen Tour-Stress neue Konzepte zu überlegen. Schnell reifte der Plan, die exzellenten Kompositionen unter dem Titel „Creation eats Creator“ unter Verzicht auf jegliche elektronischen Effekte nun auch akustisch einzuspielen. Dass dieses Experiment bei einem breiten Publikum – von den FM4-Hörer:innen bis zu den Jazz-Feinspitzen – auf großes Interesse stößt und letztlich begeisterte Beifallsstürme auslöst, stellte das Konzert am Dornbirner Spielboden eindrucksvoll unter Beweis.

Erfolgreiches Stöbern im eigenen Fundus

Mira Lu Kovacs, Trompeter Martin Eberle, Pianist Benny Omerzell, Bassist Manu Mayr und Drummer Andreas Lettner (der Lukas König ersetzte) hätten unzweifelhaft über jede Menge an musikalischem Potential verfügt, um sich wechselseitig neue Kompositionen für ihr aktuelles Akustik-Projekt auf den Leib zu schneidern. Herausgekommen wäre ein jazz-affines Avant-Pop-Album, das sich schlimmstenfalls wie ein Fremdkörper, bestenfalls wie eine Erweiterung des bisherigen Oeuvres der Band ausgenommen hätte. Die von 5K HD gewählte Vorgangsweise,  nämlich das Adaptieren von Highlights ihres 2017 erschienenen Debütalbums „And to in A“(„What If I“, „Mute, „Anthem“, Don’t Die“) und ihres 2019-er Albums „High Performer“ (neben dem Titelsong auch „Kill Your Rituals“, „Selfish Lover“, „Boulevard“, „Crazy Talk“, „In, Out“, „10/15“) sowie der im Pandemie-Jahr erschienenen Singles „Justice“ und „Happy Fxxxing Life“ ermöglicht nun den mit dem Werk vertrauten Fans aber noch den zusätzlichen Spaß spannender Vergleiche mit den Originalen.

5K HD haben im Gegensatz zu manch anderen Genre-Helden, die ihre Stücke fast vollständig auf dem Computer generieren und dann bei Konzerten vom mitgebrachten Stick abspielen, ihre Kompositionen immer schon auf ihren Instrumenten eingespielt. Dann allerdings durch zahlreiche Effektgeräte gejagt und teilweise so stark verfremdet und verzerrt, dass gar nicht mehr so leicht zu eruieren war, wer denn nun der Urheber welcher Sounds war. So ergaben sich reizvolle, vielschichtige, facettenreiche High-Tech-Klanginstallationen, die aber trotz aller Komplexität leicht in die Ohren und durchaus auch in die Beine gingen.

„Creation Eats Creator“

Auf dem vor einigen Wochen veröffentlichten Album „Creation Eats Creator“ und der dazugehörenden Konzert-Tournee verzichten 5K HD nun auf jegliche elektronischen Effekt-Orgien, erschaffen aber auch mit rein akustischen Mitteln ein außergewöhnlich breites, durch zahlreiche rhythmische Finessen, unerwartete Twists und Stimmungsänderungen geprägtes Klangspektrum. Benny Omerzell verzaubert mit fast schon klassisch anmutenden Piano-Exkursionen, beherrscht aber auch den beherzten Griff in den Korpus des Flügels, um die Saiten auf originelle Weise zu manipulieren. Andreas Lettner stapelt Becken übereinander, um seinen Beats ein außergewöhnliches Soundkleid zu verpassen, und Manu Mayr traktiert seinen Kontrabass nicht nur mit den Fingernägeln, sondern gerne und gekonnt auch mit dem Bogen. Martin Eberle zaubert auf Trompete und Zugtrompete eine Vielzahl an Stimmungen, von ungemein kraftvoll bis wundervoll melancholisch, steuert auch lässige kleine Pfeifeinlagen bei und singt die zweite Stimme. Mira Lu Kovacs kristallklarer, in höhere Sphären führender Gesang integriert sich wie ein weiteres Lead-Instrument perfekt in den musikalischen Reigen, steht aber zugleich mit ihren aussagekräftigen Texten stets im Mittelpunkt des Geschehens. Besonders intensiv wird es immer, wenn Trompete und menschliche Stimme miteinander verschmelzen. In ihren akustischen Varianten erscheinen die 5K HD näher, wärmer, unmittelbarer – emotional stärker aufgeladen. Aber egal ob elektronisch oder akustisch - 5K HD ist ein auf einen perfekten Gruppensound ausgelegtes Ensemble aus Individualisten, das durch dieses „Unplugged“-Projekt sowohl in seiner Spiellust als auch in seiner Kreativität einen neuen Schub erfahren hat.

Ganz zum Schluss wurde das Spielboden-Publikum mit „Happy Fxxxing Life“ verabschiedet, jenem Song, der letzten Herbst die FM4-Charts stürmte. Perlende, romantische Piano-Klänge zum Auftakt, eine feenhafte Stimme legt sich darüber, klackende Drum-Beats und ein warm wummender Bass gesellen sich dazu, eine wundervoll heiß-kalte Trompete, wie sie sonst nur die Nordländer beherrschen, legt sich darüber, mehrstimmiger Gesang zieht die Töne in die Höhe – besser konnte man schon 2020 die Corona-bedingt widersprüchlichen Gefühlslagen zwischen Angst, Resignation und Aufbegehren, zwischen erzwungenem Nichtstun und unvermutetem Ausbrechen aus vermeintlich ausbruchssicherem Zeitmanagement nicht ausdrücken. Begeisterndes Finale eines großartigen Konzertabends!   

Konzert-Tipp: Am 30.10. wird Mira Lu Kovacs am Spielboden ihr neues Album "What Else Can We Break" präsentieren.
www.spielboden.at