Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Silvia Thurner · 07. Aug 2022 · Musik

Wenn man genau hinhört, wird’s interessant – der Wiener Concert-Verein unter der Leitung von Thomas Gertner holte neue Musik vor den Vorhang

Einen abwechslungsreichen Konzertabend bescherte der Wiener Concert-Verein den zahlreich erschienen Besucher:innen im Rahmen von Zeitklang im Museum II. Gut vorbereitet und motiviert musizierte das Streichorchester unter der Leitung von Thomas Gertner. Unter anderem drei Uraufführungen von Michael Amann, Johanna Doderer und Thomas Thurnher sowie Kompositionen von Christian Diendorfer und Gerald Resch brachten vielseitige musikalischen Ausdrucksformen und spannende Werkdeutungen ein, von romantisch konzipierten Werken bis hin zu Kompositionen, die Ton und Geräusch gleichberechtigt nebeneinander in Szene setzten.

Die Musiker:innen des Wiener Concert-Vereins überzeugten im vorarlberg museum durch ihre konzentrierte Spiel- und Gestaltungsfreude. Dirigiert wurden sie von Thomas Gertner, der dem Orchester mit genauer Gestik rhythmische und dynamische Orientierung bot. Anregend moderierte Manfred Welte das Konzert und kam mit den anwesenden Komponisten humorvoll ins Gespräch.
Neben Kompositionen für Streichorchester wurden auch zwei kammermusikalische Werke präsentiert. Michael Amanns 4. Streichquartett brachten Gabriel Karger, Dominika Witowicz, Katharina Plankensteiner und Sebastián Mendoza zur Uraufführung. Fein verwobene Texturen und unterschiedlich dicht geschichtete Tonaggregate stellten die Gegensätze dar, innerhalb derer organisch wirkende Klanggebilde ausgestaltet wurden. Die jungen Musiker:innen spielten die filigran gesetzten Klänge, die in nuancierten Schattierungen und Konstellationen zueinander in Beziehung gesetzt wurden, sehr genau aufeinander abgestimmt. Dass sich Michael Amann von Naturbeobachtungen inspirieren ließ, war in seinem 4. Streichquartett gut nachvollziehbar, etwas illustrativ wirkten deshalb die eingebundenen Vogelgesänge.
Johanna Doderer komponierte das Sextett „Kadenz“ in der speziellen Besetzung für zwei Violinen und Streichquartett (Nikolay Orininsky, Joanna Kasperczyk-Adamek, Yana Svistunova-Fliesser, Catharina Liendl, Vl; Christian Kaufmann, Va; Sebastián Mendoza, Vc). Diese Instrumentierung gewährte den beiden Violinen solistische Freiräume, die hervorragend zur Geltung kamen und überdies ergab sich dadurch ein heller Gesamtklang. So wirkten die Themenführungen expressiv, verströmten aber doch Leichtigkeit. Verbunden mit minimalistisch entfalteten Klangteppichen evozierte die Musik plastische Bilder im Kopf.

Im Diskurs miteinander

Thomas Thurnher erhielt vom Wiener Concert-Verein eine besondere Chance. Im vergangenen Jahr wurde das Werk „Gespinst“ im vorarlberg museum erstmals präsentiert. Damals war der Komponist mit dem Klangresultat unzufrieden, nicht zuletzt auch deshalb, weil ihm einige Passagen nicht klar genug auskomponiert erschienen. Nun spielte der Wiener Concert-Verein die überarbeitete Fassung namens „Gespinst reloaded“. Musikalische Linien, die in der ersten Fassung, dem Werktitel entsprechend, einen diffusen Klang entfaltet hatten, erklangen nun straffer gebündelt und klanglich klarer ausformuliert, wirkten dadurch aber auch mehr geglättet. Aufmerksamkeit lenkte die Rolle der Kontrabassstimme auf sich.
Im Werk „Fenster“ von Gerald Resch diente eine rhythmische Floskel als Ausgangs- und Anhaltspunkt des musikalischen Verlaufs. Dazwischen gelagert erklangen Passagen mit gegenläufigen Linienführungen und stehenden Klängen, in die signalartige Motive eingeflochten wurden. Das formal etwas konfus angelegte Werk erschloss sich nicht sogleich, weckte jedoch Erwartungshaltungen, wohin sich der musikalische Fluss wohl bewegen würde.
Einen Kontrast zu den anderen Kompositionen bildete Christian Diendorfers musikalischer Zugang im Werk „Solarplex“ für 15 Streicher. Er lotete Tonqualitäten zwischen Geräusch und Klang in vielerlei Schattierungen aus und formte die Stimmen zu einem körperhaften Kollektiv. Abwechslungsreich modellierten die Musiker:innen immer neue Klangmuster aus und setzten mit Impulsen flexibel driftende Bewegungsflüsse frei.