"Mit einem Tiger schlafen": Anja Salomonowitz‘ Spielfilm über die Künstlerin Maria Lassnig derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: Stadtkino Wien Filmverleih)
Anita Grüneis · 06. Aug 2022 · Musik

Schloss-Festspiele Werdenberg: Die listigen Weiber und der eitle Playboy Falstaff

Bei der Werdenberger Schloss-Festspielen setzte Regisseur Matthias Harre mit seiner Version von Otto Nicolais „Die lustigen Weiber von Windsor“ ganz auf Volkstheater – alles ist Spaß, eine Gaudi, nichts ist ernst zu nehmen – alle wollen doch nur spielen – Theater spielen. Er überarbeitete das Libretto, modernisierte die Texte, straffte die Musik, ließ die Komödie auf einem Campingplatz stattfinden, funktionierte die Sprechrolle des Wirts zu einem Erzähler um, der das Geschehen auf der Bühne für das Publikum kommentierte, was Dominik Roeske sicht- und hörbar Spaß machte. Zuschauerinnen und Zuschauer dankten bei der Premiere mit donnerndem Applaus und Standing Ovations.

Zur Erinnerung der Inhalt der Oper: Frau Fluth und Frau Reich, zwei verheiratete Damen, erhalten zur gleichen Zeit Liebesbriefe von dem verarmten Edelmann Falstaff. Sie beschließen, ihm eine Lektion zu erteilen. Gleichzeitig bemühen sich drei junge Männer um Anna, die Tochter von Frau Reich: Dr. Cajus, ein französischer Schönling, der Favorit der Mutter, der schüchterne Junker Spärlich, den der Vater bevorzugt und der mittellose Fenton, den Anna liebt. Einiges davon war auf der Werdenberger Seebühne zu erleben – nur so ganz anders, als gewohnt. Vor allem Sir John Falstaff, der edle dicke Ritter, war in dieser Inszenierung ein selbstverliebter eitler Gockel mit Sixpack-Body, den er auch gerne zur Schau stellte. Die zwei Ehefrauen schienen einem Abenteuer mit diesem jungen Toyboy nicht abgeneigt, denn ihre Gatten hatten eh nur ihr Velo, das Angeln und das Trinken im Kopf. Die anderen Urlauber dieser Camping-Insel vergnügten sich mit Schattenzelten, Seifenblasen-Tennis und auf Luftmatratzen. Sie beobachteten das Geschehen rund um die beiden Wohnwagen der zwei Ehepaare und hatten ihre Freude daran. Die Kostümbildnerin (Kerstin Resch-Köck) durfte sich austoben und so tummelte sich eine extrem bunte Mischung auf der kleinen Bühne, die manchmal auch einer Zirkus-Arena glich. Nur im letzten Akt kam authentische „Sommernachtstraum-Stimmung“ auf, da geisterten verkleidete Oberons, Titanias, Zwerge, Elfen und Käfer um die Wette, während riesengroß der Vollmond über die Szenerie wachte. 

Grandiose Sinfonietta mit Manfred Mayerhofer

Musikalisch war diese Aufführung ein Genuss. Die Sinfonietta Vorarlberg spielte unter der Leitung von Manfred Mayerhofer und ihre Nicolai-Musik erinnerte bisweilen an Mozarts „Cosi fan tutte“ oder an die „Fledermaus“ von Johann Strauss – so beschwingt, so leichtfüßig und dann doch wieder dramatisch anschwellend kam sie aus dem Orchester-Tief. Diese Musiker:innen und ihr Dirigent waren eine perfekte Stütze für die Solist:innen auf der Bühne. Jardena Flückiger gab ihrer Frau Fluth mit ihrer satten Sopranstimme viel Bodenständigkeit aber auch Erotik, dazu bezauberte sie als temperamentvolle Komödiantin mit scheinbar salopp hingeworfenen Koloraturen. Ihre Bühnenpartnerin Katrin Auzinger stand ihr als Frau Reich in nichts nach. Ihr hoher Mezzosopran ist hell und voluminös, damit gab sie ihrer Figur Eleganz und zugleich Tiefe. Da hatten es die beiden Ehemänner nicht einfach: Christian Büchel bewies große Bühnenpräsenz als Herr Fluth mit seinem fundierten Bariton, Clemens Morgenthaler war ein stimmlich versierter Herr Reich. Als Anna brillierte Anna Gschwend, deren Sopran immer geschmeidiger zu werden scheint. Ihr Geliebter Fenton war bei Mindaugas Jankauskas in den besten Tenor-Stimmlagen mit viel Wärme und Schmelz unterwegs. Seine beiden Nebenbuhler André Sesgör als Dr. Cajus und Noriaki Yamamura als Junker Spärlich meisterten ihre Partien mühelos. Florian Spiess war Falstaff – ein stimmgewaltiger Bass, der nicht nur mit seinem gestählten Body punktete, den er auch lange in einen weißen Bademantel hüllen durfte, nachdem er im Laubsack in den See befördert worden war. Zum berühmten Trinklied „Als Büblein klein an der Mutterbrust“ sprang er auf den Wirtshaustisch und begann zu tanzen. Bei all dem Klamauk wurde er mit seiner reifen und sicher geführten Stimme zum stabilen Faktor in diesem turbulenten Geschehen.

Zuviel ist mehr als genug

Als Frau Reich den eitlen Ritter als Playboy bezeichnete, quakte prompt eine Ente auf dem Werdenberger See schamlos laut dazu. Dabei strotzte die Inszenierung selbst vor Ideen und Einfällen, vor Farbenpracht und Detailreichtum, so trug beispielsweise Falstaff bei seinem ersten Auftritt ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift „Game over“. Und die beiden Damen Reich und Fluth schnitten die Sonnenblumen vor ihrem Campingwagen so rigoros ab, als wollte sie damit den Selfie-verliebten Falstaff kastrieren. Zudem durften sich die beiden Bewerber Dr. Cajus und Junker Spärlich zum Schluss miteinander verheiraten, umhüllt von Regenbogen-Capes. Das waren nur einige Details der nahezu überbordenden Ideenfülle des Regisseurs Matthias Harre. Der Chor der Werdenberger Schloss-Festspiele unter der Leitung von Christian Büchel wusste sich mit großer Spielfreude in Szene zu setzen. Astrid Kollers Bühnenbild, Sarina Siebers Tanztruppe, Benjamin Hänis Lichtdesign und Kerstin Resch-Köcks Kostüme trugen das Ihre zu dieser turbulenten fröhlichen „Sommer, Sonne, Camping-Aufführung“ bei.

Werdenberger Schloss-Festspiele: „Die lustigen Weiber von Windsor“ von Otto Nicolai
weitere Vorstellungen: jeweils Mo/Mi/Fr/Sa bis 20.8; 20 Uhr
Schloss Werdenberg, Buchs SG

www.dielustigenweiber22.ch