Neu in den Kinos: „The Room Next Door“ (Foto: Warner)
Peter Füssl · 08. Aug 2012 · Musik

Wenn das Schräge ganz normal wird - Kalle Kalima Night bei den Bezau Beatz

Der 38-jährige finnische Gitarrist Kalle Kalima ist seit vielen Jahren fixer Bestandteil der ungemein bunten und innovativen Berliner Jazz-Szene und Träger des Neuen Deutschen Jazz-Preises. Bei den von Alfred Vogel initiierten und organisierten Bezau Beatz stellte der gleichermaßen kreative wie umtriebige Künstler drei seiner aktuellen Projekte vor und sorgte damit für ein weiteres Highlight der ambitionierten Sommerkonzert-Reihe in der Wälder Metropole.

KUU zum Auftakt – querfeldein durch alle Stile


Das Quartett KUU lebt von den treibenden Beats des genialen Energiebündels Christian Lillinger an den Drums und den unkonventionellen gitarristischen Zwiegesprächen von Kalle Kalima und Frank Möbus, der Jazzkennern vom originellen Trio „Der Rote Bereich“ her bestens bekannt ist. Die Burgtheater-erfahrene serbische Schauspielerin Jelena Kuljic steht den Musikern in Sachen Experimentierfreude in nichts nach und folgt mühelos mit ihren öfters im Sprechgesang angesiedelten vokalistischen Beiträgen deren Kapriolen – von leisen, mit zarter Besenarbeit untermalten Passagen, über harte Grooves, bis zu punkigen Noise-Orgien. Permanente Stimmungs- und Stilwechsel innerhalb eines Stückes sind eher die Regel als die Ausnahme. Großteils hochenergetische Musik, die trotz ihrer Komplexität leicht in die Ohren und die Beine geht. Bald wird es ihre erste CD geben, die derzeit unter dem Titel „the song book for the nihilisten“ in Arbeit ist. Dada lässt grüßen!

Johnny La Marama – unterhaltsame Prügelorgie


Beim nächsten Trio ging es mindestens so spannungsgeladen weiter. Alfred Vogels in der Ansage gemachtes Versprechen „Die Jungs werden das Zeug rocken!“ kontert Kalle Kalima mit der Frage: „Kennen Sie AC/CD?“ In der Tat lässt das Trio mit dem hervorragenden Drummer Eric Schaefer und dem ebenfalls in Berlin lebenden, aus New York stammenden Bassisten Chris Dahlgren nichts anbrennen. Da trifft Jimi Hendrix auf Anthony Braxton, Frank Zappa auf Mingus und Garage Rock auf Punk. Zu dritt und auch solistisch wird drauflos gebrettert als gäbe es kein Morgen. Dahlgren traktiert seinen E-, vor allem aber seinen Kontrabass nach allen Regeln der Kunst, Kalle Kalima kitzelt und quetscht jede Menge Schräges aus den Saiten, und Eric Schaefer zündet dazu sein knallhartes Trommelfeuerwerk. Das schließt aber elektronische Experimente ebenso wenig aus wie eine wunderschöne melodiöse Ballade – „a pretty little piece you want to sing the whole way home if you can remember it“, wie Dahlgren treffend vermutete, und zum Schluss, so erklärte er, spielten sie nun noch eine unglaublich langsame Ballade, die eigentlich zwei Wochen dauern würde. Heute spielten sie sie aber so schnell, dass das Stück in nur fünf Minuten erledigt sei. Der Schalk sitzt bei Johnny La Marama nicht nur musikalisch, sondern auch verbal im Nacken.

Bonanza lässt grüßen: Die Glorreichen Sieben


Zum Schluss dann die „Glorreichen Sieben“, wie immer in Quartettformation – allerdings mit Chris Dahlgren statt wie sonst üblich Flo Götte am Bass. Diese „Cowboy Band“ (Zitat Alfred Vogel) wurde soeben für den renommierten BMW Jazz-Award nominiert und sorgte in Bezau mit ihren originell und witzig interpretierten Wildwestfilmmusik-Klassikern für ein furioses Finale. Die beiden Drummer Christian Lillinger und Alfred Vogel, letzterer erwies sich einmal mehr auch als einfallsreicher Perkussionist, setzten die Szenerie unter eine unglaubliche Spannung, die sich in Kalimas und Dahlgrens Saitenzaubereien lustvoll entladen konnte. John Wayne, Clint Eastwood, Charles Bronson und Lorne Greene hätten ihre Freude.
Als Zugabe – als man schon lustvoll vergessen hatte, wie nicht schräge Musik klingt – überraschten Kalle Kalima und Chris Dahlgren dann mit einer zart dahinschmelzenden Interpretation des mexikanischen Lovesong-Klassikers „Bésame mucho“ – tja, das können sie also auch!