Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Peter Ionian · 07. Aug 2012 · Musik

Das 23. Szene Openair Lustenau bot beste Auftrittsmöglichkeiten für regionale und nationale Bands und international vor allem sehr viel Show

Es ist das Festival in Vorarlberg. An drei Tagen bringt das Szene Openair jedes Jahr Anfang August zahlreiche internationale Bands, würdige Headliner und überraschende Acts auf die Mainstage. Dazu gibt es eine Newcomerstage im Mohrenzirkuszelt, auf der konsequent junge Vorarlberger und Österreicher ausgezeichnete Spielplätze erhalten. So ein Support des heimischen Nachwuchses beeindruckt und verdient Würdigung. Es ist auch nicht selbstverständlich, große Bands in die Provinz zu kriegen. Das Szene Openair ist unbestritten groß geworden, aber man sollte dabei nicht vergessen, dass es noch immer ein Provinzfestival in Lustenau am Alten Rhein ist.

Ich will ja nicht gleich übers Wetter reden, aber ein Szene Openair ohne Regen ist undenkbar. Es hat bereits Tradition, dass es hier schüttet wie aus Kübeln. Und es war auch alle drei Tage unsicher. Das hat vielleicht den einen oder anderen abgehalten. Viele waren wohl auch im Urlaub. Jedenfalls war es nicht ausverkauft. Es war schon viel los, vor allem bei den Headlinern, versteht sich. Aber irgendwie hat es heuer nicht ganz so gezogen wie sonst. Laut Veranstalter waren knapp 20.000 Menschen am Alten Rhein. Diese Zahl ergibt sich aus drei Tagen Einzeleintritten, was bedeutet, dass jeden Tag knapp 6.700 Gäste da gewesen seien. Da sind bestimmt einige in ihren Zeltstädten geblieben und haben sich dort mit Trichtern betrunken, vor allem tagsüber. Auf dem Gelände wurde es immer erst gegen Abend halbwegs voll und dementsprechend hatte die Stimmung während des Tages ein bisschen zu wenig Unterstützung.

Der kurze Donnerstag

Der erste Abend ist vielen zu schnell vergangen. Nach dem maskierten Rapper Marsimoto kam schon Jennifer Rostock auf die Bühne. Wie üblich hat sie wieder prahlerisch gesoffen, dreckig geredet und junge Festivalbesucher auf die Bühne geholt und ordentlich zur Sau gemacht. Naja, wers mag. Headliner Digitalism war Live angekündigt, schlussendlich waren sie aber zu zweit und machten ihre Show. Dazu gabs ordentlich Regen und um Mitternacht war live erstmal Schluss, war ja erst der erste Tag. Nach den Konzerten konnte man selbstverständlich jeden Abend noch zu Bummbumm-Musik abtanzen oder im Rockzelt die Haare schütteln. Dieses Jahr waren so viele heimische Bands dabei, dass sich auch immer ein, zwei Konzerte auf der Mainstage zusätzlich zur Newcomerstage ausgingen. So eröffneten die Lakeside Runners als deutsch singende Alternative-Rocker aus der Schweiz, danach gab es Härteres von M. Corvin. Any Major Dude feierten einen Geburtstag am Bass und als Nebenheadliner kamen die Salzburger Steaming Satellites ins Zirkuszelt.

Der durchwachsene Freitag

Am Freitag gings auch gleich mit Locals weiter. The Phobos Ensemble sind ein erfahrener Haufen dunkler Gestalten mit sehr viel Metall. KIN wissen genau, was sie wollen, nämlich alles. Im September präsentieren sie ihr Debütalbum. Die Workshopbands des Jazzseminars coverten am Freitag und am Samstag wieder ein paar Songs auf hohem Niveau. Das AG Trio aus Linz war aus dem Spielboden und vom Freakwave Festival eh schon für brachialen Elektrohousebeat mit Vocals bekannt. Dafür kannte man FII den Beatboxer eher nur aus „X-Factor" und „Das Supertalent". Er machte als Nebenbühnen-Headliner eine Show mit reichlich Schmäh und ausgeprägten Fähigkeiten mit dem Mund. Im internationlen Bereich spielten die Crystal Fighters bereits um kurz nach drei. Da war noch relativ wenig los dafür, dass man jeden zweiten Song aus FM4 kennt. Einige nutzten den sonnigen Tag für ein Bade im Alten Rhein. Mit Heaven Shall Burn kamen danach die richtig harten Töne einer Metalcore-Band auf die Bühne, was natürlich ziemliches Kontrastprogramm zum hippiesken Tribalpop und Electro der Vorgänger war. Zu The Subways kamen dann langsam die Leute zusammen. Ihr Indie-Rock hat genug Gas und ist dennoch bekömmlich und sympathisch. Mit einem Stagedive vom Technikerdach markierte Billy Lunn einen Höhepunkt der Shows.

Das beste Konzert des ganzen Festivalwochenendes war bestimmt der darauf folgende Clueso. Thomas Hübner rappte und sang seine packenden deutschsprachigen Lieder, bis kurz vor die Stimme versagte. Er hatte eine ausgezeichnete Band dabei und die LED-Bildschirme auf der Bühne malten die Bilder zu den wundervollen Songs. Für soviel Charme und schöne Musik verdient er zwei Daumen hoch. Dennoch konnten Bonaparte, der Late Night Headliner nochmals was drauf setzen, nämlich eine Wahnsinns-Show. Dabei meine ich Wahnsinn im wörtlichen Sinne. Irre Kostüme, verrücktes Rumgehüpfe, Sex und Nacktheit  – war alles im Programm. Der Sound? Schwer beschreiblich, aber auf jeden Fall tanzbar.

Die große Show am Samstagabend

Am Samstag freuten sich die Bregenzerwälder Metaller No.Sar über einen Gig auf einer so großen Bühne. Linksabbiega zeigten, dass sich Singer-Songwriter durchaus mit Rap mischen lässt. Aber vor allem Julia Zischg und ihre hervorragende Band beeindruckten mit bestem Soul und Pop mit sehr viel Seele. Dass die Hammerband Molotov bereits um 14 Uhr auf der Mainstage stand, war so verwunderlich wie bedauerlich. Sie lieferten noch letztes Jahr ein Überhammerkonzert in der ausverkauften Poolbar. Hier hüpften vereinzelte verkaterte Jugendliche rum. Was sie können, kam nicht rüber und das war schade. Da passte der gemütliche Sound der zwei hübschen Mädels von Boy schon besser zu diesem Nachmittag. Nada Surf sind gscheit älter geworden, waren nett anzuhören, erzeugten aber auch keine Wellen der Euphorie.

Doch dann kam der strömende Regen und mit ihm der zweite große Höhepunkt des Festivalwochenendes: Casper. Ich war ja anfangs skeptisch, hab ihn in die unterste Schublade der deutschen Rapper gesteckt. Aber ihm gebührt alle Ehre, denn er ist erstens mal ein bombastischer Entertainer, der die Massen perfekt im Griff hat. Er zieht auch richtig Leute. Er schreibt gute Texte. Seine Band ist ausgezeichnet. Die Songs funktionieren. Er fusionierte Rap mit einer Rockband zu einem Stück, statt einfach nur Crossover zu machen. Und er kann eine ganze Flasche Bourbon auf der Bühne trinken ohne umzukippen. Da war allen egal, wie sehr es schüttete, das war der offensichtliche Höhepunkt des Abends. Erwähnen muss man auch Giantree aus Wien, sie waren ein emotionaler Hochgenuss. Den Festivalabschluss machten dann die Coverbands. Die Leute durften zu The Baseballs all die großen Hits im Rockabillystil mitsingen, Hirn abschalten und Spaß haben. Der letzte Liveact Stahlzeit war wirklich ein Abschluss. Als beste Rammstein-Coverband lieferten sie erwartungsgemäß Feuershow, Angst und Schrecken. Immerhin hatten sie ne halbe Stunde zu spät angefangen und so waren es nicht allzu viele Lieder, die sie spielen durften. Tja, wer viel Show braucht, hat es halt kompliziert, während Musik oft durch Einfachheit besticht.

Lokale und internationale Acts

Einige lokale Bands waren (zu früher Stunde) einen Blick ins Mohrenzelt mehr als wert. Sie hätten durchaus noch mehr Publikum verdient gehabt. Auf der anderen Seite ist es schon schade, wenn bei internationalen Acts vor allem die Showbands gebucht werden. Schlussendlich sollte es doch um Musik gehen, odr?